Stirn strich. "Jch weiß ja schon, daß Sie sehr gern mit uns kämen und doch Jhren Freund nicht verlassen wollen. Aber er wird auch mit uns kommen."
"Das wird er nicht", platzte Saltner heraus. "Das heißt", fuhr er fort, "wenn Sie uns mit Gewalt zwingen --"
"Zwingen? Wie meinen Sie das?"
"Nun, Sie sind die Stärkeren. Sie können uns einfach als Gefangene auf Jhr Schiff bringen."
"Können? Jch weiß nicht, ich verstehe Sie nicht recht, liebster Freund. Man kann doch immer nur das, was nicht Unrecht ist. Jhre Sprache ist so un- klar. Sehen Sie diesen Griff? Sie sagen, ich kann ihn drehen, und meinen, ich habe die physische Mög- lichkeit dazu. Wenn ich aber drehe, so versinkt der Sessel unter Jhnen, und also kann ich ihn nicht drehen, d. h. ich kann es nicht wollen. Diese moralische Mög- lichkeit oder Unmöglichkeit können Sie auch nicht anders ausdrücken. Könnte es denn bei Jhnen vorkommen, daß Sie Menschen aus dem Wasser erretten und ihnen dann das Leben nehmen? Und die Freiheit, ist das nicht noch schlimmer?"
"Jch weiß nicht", sagte Saltner, "wie man bei uns verfahren würde, wenn Europäer auf einer Jnsel in fremdem Weltteile, wo noch keine zivilisierte Macht Fuß gefaßt hat, ein reiches Goldlager entdeckten und um dasselbe zu sichern eine Befestigung anlegten; wenn dann Kundschafter der Eingeborenen in diese Befesti- gung gerieten -- ich weiß nicht, ob wir uns nicht das Recht zuschreiben würden, diese Wilden um unsrer
Siebzehntes Kapitel.
Stirn ſtrich. „Jch weiß ja ſchon, daß Sie ſehr gern mit uns kämen und doch Jhren Freund nicht verlaſſen wollen. Aber er wird auch mit uns kommen.‟
„Das wird er nicht‟, platzte Saltner heraus. „Das heißt‟, fuhr er fort, „wenn Sie uns mit Gewalt zwingen —‟
„Zwingen? Wie meinen Sie das?‟
„Nun, Sie ſind die Stärkeren. Sie können uns einfach als Gefangene auf Jhr Schiff bringen.‟
„Können? Jch weiß nicht, ich verſtehe Sie nicht recht, liebſter Freund. Man kann doch immer nur das, was nicht Unrecht iſt. Jhre Sprache iſt ſo un- klar. Sehen Sie dieſen Griff? Sie ſagen, ich kann ihn drehen, und meinen, ich habe die phyſiſche Mög- lichkeit dazu. Wenn ich aber drehe, ſo verſinkt der Seſſel unter Jhnen, und alſo kann ich ihn nicht drehen, d. h. ich kann es nicht wollen. Dieſe moraliſche Mög- lichkeit oder Unmöglichkeit können Sie auch nicht anders ausdrücken. Könnte es denn bei Jhnen vorkommen, daß Sie Menſchen aus dem Waſſer erretten und ihnen dann das Leben nehmen? Und die Freiheit, iſt das nicht noch ſchlimmer?‟
„Jch weiß nicht‟, ſagte Saltner, „wie man bei uns verfahren würde, wenn Europäer auf einer Jnſel in fremdem Weltteile, wo noch keine ziviliſierte Macht Fuß gefaßt hat, ein reiches Goldlager entdeckten und um dasſelbe zu ſichern eine Befeſtigung anlegten; wenn dann Kundſchafter der Eingeborenen in dieſe Befeſti- gung gerieten — ich weiß nicht, ob wir uns nicht das Recht zuſchreiben würden, dieſe Wilden um unſrer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0274"n="266"/><fwplace="top"type="header">Siebzehntes Kapitel.</fw><lb/>
Stirn ſtrich. „Jch weiß ja ſchon, daß Sie ſehr gern<lb/>
mit uns kämen und doch Jhren Freund nicht verlaſſen<lb/>
wollen. Aber er wird auch mit uns kommen.‟</p><lb/><p>„Das wird er nicht‟, platzte Saltner heraus. „Das<lb/>
heißt‟, fuhr er fort, „wenn Sie uns mit Gewalt<lb/>
zwingen —‟</p><lb/><p>„Zwingen? Wie meinen Sie das?‟</p><lb/><p>„Nun, Sie ſind die Stärkeren. Sie können uns<lb/>
einfach als Gefangene auf Jhr Schiff bringen.‟</p><lb/><p>„Können? Jch weiß nicht, ich verſtehe Sie nicht<lb/>
recht, liebſter Freund. Man kann doch immer nur<lb/>
das, was nicht Unrecht iſt. Jhre Sprache iſt ſo un-<lb/>
klar. Sehen Sie dieſen Griff? Sie ſagen, ich kann<lb/>
ihn drehen, und meinen, ich habe die phyſiſche Mög-<lb/>
lichkeit dazu. Wenn ich aber drehe, ſo verſinkt der<lb/>
Seſſel unter Jhnen, und alſo kann ich ihn nicht drehen,<lb/>
d. h. ich kann es nicht wollen. Dieſe moraliſche Mög-<lb/>
lichkeit oder Unmöglichkeit können Sie auch nicht anders<lb/>
ausdrücken. Könnte es denn bei Jhnen vorkommen,<lb/>
daß Sie Menſchen aus dem Waſſer erretten und ihnen<lb/>
dann das Leben nehmen? Und die Freiheit, iſt das<lb/>
nicht noch ſchlimmer?‟</p><lb/><p>„Jch weiß nicht‟, ſagte Saltner, „wie man bei uns<lb/>
verfahren würde, wenn Europäer auf einer Jnſel in<lb/>
fremdem Weltteile, wo noch keine ziviliſierte Macht Fuß<lb/>
gefaßt hat, ein reiches Goldlager entdeckten und um<lb/>
dasſelbe zu ſichern eine Befeſtigung anlegten; wenn<lb/>
dann Kundſchafter der Eingeborenen in dieſe Befeſti-<lb/>
gung gerieten — ich weiß nicht, ob wir uns nicht das<lb/>
Recht zuſchreiben würden, dieſe Wilden um unſrer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[266/0274]
Siebzehntes Kapitel.
Stirn ſtrich. „Jch weiß ja ſchon, daß Sie ſehr gern
mit uns kämen und doch Jhren Freund nicht verlaſſen
wollen. Aber er wird auch mit uns kommen.‟
„Das wird er nicht‟, platzte Saltner heraus. „Das
heißt‟, fuhr er fort, „wenn Sie uns mit Gewalt
zwingen —‟
„Zwingen? Wie meinen Sie das?‟
„Nun, Sie ſind die Stärkeren. Sie können uns
einfach als Gefangene auf Jhr Schiff bringen.‟
„Können? Jch weiß nicht, ich verſtehe Sie nicht
recht, liebſter Freund. Man kann doch immer nur
das, was nicht Unrecht iſt. Jhre Sprache iſt ſo un-
klar. Sehen Sie dieſen Griff? Sie ſagen, ich kann
ihn drehen, und meinen, ich habe die phyſiſche Mög-
lichkeit dazu. Wenn ich aber drehe, ſo verſinkt der
Seſſel unter Jhnen, und alſo kann ich ihn nicht drehen,
d. h. ich kann es nicht wollen. Dieſe moraliſche Mög-
lichkeit oder Unmöglichkeit können Sie auch nicht anders
ausdrücken. Könnte es denn bei Jhnen vorkommen,
daß Sie Menſchen aus dem Waſſer erretten und ihnen
dann das Leben nehmen? Und die Freiheit, iſt das
nicht noch ſchlimmer?‟
„Jch weiß nicht‟, ſagte Saltner, „wie man bei uns
verfahren würde, wenn Europäer auf einer Jnſel in
fremdem Weltteile, wo noch keine ziviliſierte Macht Fuß
gefaßt hat, ein reiches Goldlager entdeckten und um
dasſelbe zu ſichern eine Befeſtigung anlegten; wenn
dann Kundſchafter der Eingeborenen in dieſe Befeſti-
gung gerieten — ich weiß nicht, ob wir uns nicht das
Recht zuſchreiben würden, dieſe Wilden um unſrer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/274>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.