den Blick nach vorwärts lenken, vorwärts und nord- wärts -- oder war es vielleicht schon südwärts?
Saltner war der erste, der nach vorn blickte. Aber er sprach nichts, in einem langgedehnten Pfiff blies er den Atem aus seinen gespitzten Lippen.
"Das Meer!" rief Torm.
"Grüß Gott!" sagte jetzt Saltner. "Da hat halt der alte Petermann doch Recht behalten, aber blos ein Bissel. Ein offenes Polarmeer ist es schon, man muß sich nur nicht zuviel drauf einbilden."
"Ein Binnenmeer, ein Bassin, immerhin, gegen tausend Quadratkilometer schätze ich", sagte Grunthe. "Etwa so groß wie der Bodensee. Aber wer kann wissen, was sich dort hinten noch an Fjords und Kanälen abzweigt. Und auch das Bassin selbst ist durch verschiedene Jnseln in Arme geteilt."
"Wer da unten zu Fuße oder zu Schiffe ankommt, muß Mühe haben zu entscheiden, ob das Meer im Lande liegt oder das Land im Meere", sagte Saltner. "Gut, daß wir's bequemer haben."
"Gewiß", meinte Torm, "es ist möglich, daß wir ein Stück des offenen Meeres vor uns haben, obwohl es von hier den Anschein hat, als schlössen die Berge das Wasser von allen Seiten ein. Wir werden ja sehen. Aber vor allen Dingen, was sollen wir thun? Wir haben wider Erwarten so hoch steigen müssen, daß wir jetzt sehr viel Gas verlieren würden, wenn wir hinab wollten, und andrerseits werden wir wieder drüben über die Berge hinaufmüssen. Es ist eine schwierige Frage. Aber wir haben noch Zeit, darüber
Am Nordpol.
den Blick nach vorwärts lenken, vorwärts und nord- wärts — oder war es vielleicht ſchon ſüdwärts?
Saltner war der erſte, der nach vorn blickte. Aber er ſprach nichts, in einem langgedehnten Pfiff blies er den Atem aus ſeinen geſpitzten Lippen.
„Das Meer!‟ rief Torm.
„Grüß Gott!‟ ſagte jetzt Saltner. „Da hat halt der alte Petermann doch Recht behalten, aber blos ein Biſſel. Ein offenes Polarmeer iſt es ſchon, man muß ſich nur nicht zuviel drauf einbilden.‟
„Ein Binnenmeer, ein Baſſin, immerhin, gegen tauſend Quadratkilometer ſchätze ich‟, ſagte Grunthe. „Etwa ſo groß wie der Bodenſee. Aber wer kann wiſſen, was ſich dort hinten noch an Fjords und Kanälen abzweigt. Und auch das Baſſin ſelbſt iſt durch verſchiedene Jnſeln in Arme geteilt.‟
„Wer da unten zu Fuße oder zu Schiffe ankommt, muß Mühe haben zu entſcheiden, ob das Meer im Lande liegt oder das Land im Meere‟, ſagte Saltner. „Gut, daß wir’s bequemer haben.‟
„Gewiß‟, meinte Torm, „es iſt möglich, daß wir ein Stück des offenen Meeres vor uns haben, obwohl es von hier den Anſchein hat, als ſchlöſſen die Berge das Waſſer von allen Seiten ein. Wir werden ja ſehen. Aber vor allen Dingen, was ſollen wir thun? Wir haben wider Erwarten ſo hoch ſteigen müſſen, daß wir jetzt ſehr viel Gas verlieren würden, wenn wir hinab wollten, und andrerſeits werden wir wieder drüben über die Berge hinaufmüſſen. Es iſt eine ſchwierige Frage. Aber wir haben noch Zeit, darüber
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[13/0021]
Am Nordpol.
den Blick nach vorwärts lenken, vorwärts und nord-
wärts — oder war es vielleicht ſchon ſüdwärts?
Saltner war der erſte, der nach vorn blickte. Aber
er ſprach nichts, in einem langgedehnten Pfiff blies
er den Atem aus ſeinen geſpitzten Lippen.
„Das Meer!‟ rief Torm.
„Grüß Gott!‟ ſagte jetzt Saltner. „Da hat halt
der alte Petermann doch Recht behalten, aber blos
ein Biſſel. Ein offenes Polarmeer iſt es ſchon, man
muß ſich nur nicht zuviel drauf einbilden.‟
„Ein Binnenmeer, ein Baſſin, immerhin, gegen
tauſend Quadratkilometer ſchätze ich‟, ſagte Grunthe.
„Etwa ſo groß wie der Bodenſee. Aber wer kann
wiſſen, was ſich dort hinten noch an Fjords und
Kanälen abzweigt. Und auch das Baſſin ſelbſt iſt
durch verſchiedene Jnſeln in Arme geteilt.‟
„Wer da unten zu Fuße oder zu Schiffe ankommt,
muß Mühe haben zu entſcheiden, ob das Meer im
Lande liegt oder das Land im Meere‟, ſagte Saltner.
„Gut, daß wir’s bequemer haben.‟
„Gewiß‟, meinte Torm, „es iſt möglich, daß wir
ein Stück des offenen Meeres vor uns haben, obwohl
es von hier den Anſchein hat, als ſchlöſſen die Berge
das Waſſer von allen Seiten ein. Wir werden ja
ſehen. Aber vor allen Dingen, was ſollen wir thun?
Wir haben wider Erwarten ſo hoch ſteigen müſſen,
daß wir jetzt ſehr viel Gas verlieren würden, wenn
wir hinab wollten, und andrerſeits werden wir wieder
drüben über die Berge hinaufmüſſen. Es iſt eine
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/21>, abgerufen am 21.11.2024.
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