Uebrigens war dies nur die Sprache, die jeder Martier beherrschte. Neben derselben aber gab es zahllose, sehr verschiedene und in steter Umwandlung begriffene Dialekte, die bloß in verhältnismäßig kleinen Gebieten gesprochen wurden, endlich sogar Jdiome, die allein im Kreise einzelner Familiengruppen verstanden wurden. Denn es zeigte sich als eine Eigentümlichkeit der Kultur der Martier, daß der allgemeinen Gleich- heit und Nivellierung in allem, was ihre soziale Zu- sammengehörigkeit als Bewohner desselben Planeten anbetraf, eine ebenso große Mannigfaltigkeit und Freiheit des individuellen Lebens entsprach. Wenn so die schnelle Erfaßbarkeit des Martischen den Deutschen zu gute kam, so brachte die erstaunliche Begabung der Martier andererseits zuwege, daß sie sich wie spielend das Deutsche aneigneten. Gegenüber dem verwirrenden Formenreichtum des Grönländischen erschien ihnen das Deutsche wesentlich leichter. Was aber die schnellere Erlernung desselben hauptsächlich bewirkte, war der Umstand, daß das Deutsche als Sprache eines hoch- entwickelten Kulturvolkes dem geistigen Niveau der Martier soviel näher stand. Was der Grönländer in seiner Sprache auszudrücken wußte, die konkrete Art, wie er es nur ausdrücken konnte, der enge Jnteressen- kreis, auf den sich das Leben des Eskimo beschränkte, das alles war dem Martier sehr gleichgiltig, und er beschäftigte sich damit nur, weil er bisher kein anderes Mittel besaß, mit Bewohnern der Erde in Verkehr zu treten. Ganz anders aber wurde das Jnteresse der Martier erregt, als sie mit Grunthe und Saltner
Martier und Menſchen.
Uebrigens war dies nur die Sprache, die jeder Martier beherrſchte. Neben derſelben aber gab es zahlloſe, ſehr verſchiedene und in ſteter Umwandlung begriffene Dialekte, die bloß in verhältnismäßig kleinen Gebieten geſprochen wurden, endlich ſogar Jdiome, die allein im Kreiſe einzelner Familiengruppen verſtanden wurden. Denn es zeigte ſich als eine Eigentümlichkeit der Kultur der Martier, daß der allgemeinen Gleich- heit und Nivellierung in allem, was ihre ſoziale Zu- ſammengehörigkeit als Bewohner desſelben Planeten anbetraf, eine ebenſo große Mannigfaltigkeit und Freiheit des individuellen Lebens entſprach. Wenn ſo die ſchnelle Erfaßbarkeit des Martiſchen den Deutſchen zu gute kam, ſo brachte die erſtaunliche Begabung der Martier andererſeits zuwege, daß ſie ſich wie ſpielend das Deutſche aneigneten. Gegenüber dem verwirrenden Formenreichtum des Grönländiſchen erſchien ihnen das Deutſche weſentlich leichter. Was aber die ſchnellere Erlernung desſelben hauptſächlich bewirkte, war der Umſtand, daß das Deutſche als Sprache eines hoch- entwickelten Kulturvolkes dem geiſtigen Niveau der Martier ſoviel näher ſtand. Was der Grönländer in ſeiner Sprache auszudrücken wußte, die konkrete Art, wie er es nur ausdrücken konnte, der enge Jntereſſen- kreis, auf den ſich das Leben des Eskimo beſchränkte, das alles war dem Martier ſehr gleichgiltig, und er beſchäftigte ſich damit nur, weil er bisher kein anderes Mittel beſaß, mit Bewohnern der Erde in Verkehr zu treten. Ganz anders aber wurde das Jntereſſe der Martier erregt, als ſie mit Grunthe und Saltner
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Martier und Menſchen.
Uebrigens war dies nur die Sprache, die jeder
Martier beherrſchte. Neben derſelben aber gab es
zahlloſe, ſehr verſchiedene und in ſteter Umwandlung
begriffene Dialekte, die bloß in verhältnismäßig kleinen
Gebieten geſprochen wurden, endlich ſogar Jdiome, die
allein im Kreiſe einzelner Familiengruppen verſtanden
wurden. Denn es zeigte ſich als eine Eigentümlichkeit
der Kultur der Martier, daß der allgemeinen Gleich-
heit und Nivellierung in allem, was ihre ſoziale Zu-
ſammengehörigkeit als Bewohner desſelben Planeten
anbetraf, eine ebenſo große Mannigfaltigkeit und
Freiheit des individuellen Lebens entſprach. Wenn ſo
die ſchnelle Erfaßbarkeit des Martiſchen den Deutſchen
zu gute kam, ſo brachte die erſtaunliche Begabung der
Martier andererſeits zuwege, daß ſie ſich wie ſpielend das
Deutſche aneigneten. Gegenüber dem verwirrenden
Formenreichtum des Grönländiſchen erſchien ihnen das
Deutſche weſentlich leichter. Was aber die ſchnellere
Erlernung desſelben hauptſächlich bewirkte, war der
Umſtand, daß das Deutſche als Sprache eines hoch-
entwickelten Kulturvolkes dem geiſtigen Niveau der
Martier ſoviel näher ſtand. Was der Grönländer in
ſeiner Sprache auszudrücken wußte, die konkrete Art,
wie er es nur ausdrücken konnte, der enge Jntereſſen-
kreis, auf den ſich das Leben des Eskimo beſchränkte,
das alles war dem Martier ſehr gleichgiltig, und er
beſchäftigte ſich damit nur, weil er bisher kein anderes
Mittel beſaß, mit Bewohnern der Erde in Verkehr
zu treten. Ganz anders aber wurde das Jntereſſe
der Martier erregt, als ſie mit Grunthe und Saltner
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/163>, abgerufen am 23.11.2024.
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