Se aber beugte sich über ihn und sah mit ihrem leuchtenden Blicke tief in seine Augen. Diese Damen- gesellschaft war ihm schrecklich; lieber hätte er sich von feindlichen Wilden umgeben gesehen. Ach, und nun fühlte er eine weiche Hand auf seinem Kopfe, Se streichelte sein Haar -- unwillig stieß er die Hand zurück.
"Armer Mensch", sagte Se, "er scheint noch ganz verwirrt. Wir müssen ihm vor allen Dingen zu trinken geben." Sie legte die Hand wieder auf seine Stirn und sagte:
"Fürchte dich nicht, wir thun dir nichts, armer Mensch."
"Ko bat" -- so lautete das letzte Wort Ses in ihrer Sprache -- "Ko bat" -- es wirkte überraschend auf Grunthe -- das war einer der seltsamen Aus- drücke Friedrich Ells. So pflegte Ell zu sagen, wenn er mit einer seiner wunderlichen Ansichten nicht durch- dringen konnte, wenn er sein Mitleid mit dem Mangel an Verständnis bei den Menschen bezeichnen wollte. Oft hatte ihn Grunthe gefragt, wo diese Redensart herstamme, wie er dazu käme. Dann hatte Ell immer nur still gelächelt und wiederholt: "Ko bate, das ver- steht ihr nicht, arme Menschen!" Diese Erinnerungen waren mit dem Worte in Grunthe wieder aufgetaucht. Er verhielt sich jetzt ganz ruhig.
Jnzwischen hatte La ein Trinkgefäß herbeigeholt, mit dem wunderbaren Nektar der Martier gefüllt. Die Martier tranken stets durch einen mit Mundstück ver- sehenen Schlauch, der in dem Gefäß befestigt war, und
Siebentes Kapitel.
Se aber beugte ſich über ihn und ſah mit ihrem leuchtenden Blicke tief in ſeine Augen. Dieſe Damen- geſellſchaft war ihm ſchrecklich; lieber hätte er ſich von feindlichen Wilden umgeben geſehen. Ach, und nun fühlte er eine weiche Hand auf ſeinem Kopfe, Se ſtreichelte ſein Haar — unwillig ſtieß er die Hand zurück.
„Armer Menſch‟, ſagte Se, „er ſcheint noch ganz verwirrt. Wir müſſen ihm vor allen Dingen zu trinken geben.‟ Sie legte die Hand wieder auf ſeine Stirn und ſagte:
„Fürchte dich nicht, wir thun dir nichts, armer Menſch.‟
„Ko bat‟ — ſo lautete das letzte Wort Ses in ihrer Sprache — „Ko bat‟ — es wirkte überraſchend auf Grunthe — das war einer der ſeltſamen Aus- drücke Friedrich Ells. So pflegte Ell zu ſagen, wenn er mit einer ſeiner wunderlichen Anſichten nicht durch- dringen konnte, wenn er ſein Mitleid mit dem Mangel an Verſtändnis bei den Menſchen bezeichnen wollte. Oft hatte ihn Grunthe gefragt, wo dieſe Redensart herſtamme, wie er dazu käme. Dann hatte Ell immer nur ſtill gelächelt und wiederholt: „Ko bate, das ver- ſteht ihr nicht, arme Menſchen!‟ Dieſe Erinnerungen waren mit dem Worte in Grunthe wieder aufgetaucht. Er verhielt ſich jetzt ganz ruhig.
Jnzwiſchen hatte La ein Trinkgefäß herbeigeholt, mit dem wunderbaren Nektar der Martier gefüllt. Die Martier tranken ſtets durch einen mit Mundſtück ver- ſehenen Schlauch, der in dem Gefäß befeſtigt war, und
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Siebentes Kapitel.
Se aber beugte ſich über ihn und ſah mit ihrem
leuchtenden Blicke tief in ſeine Augen. Dieſe Damen-
geſellſchaft war ihm ſchrecklich; lieber hätte er ſich von
feindlichen Wilden umgeben geſehen. Ach, und nun
fühlte er eine weiche Hand auf ſeinem Kopfe, Se
ſtreichelte ſein Haar — unwillig ſtieß er die Hand
zurück.
„Armer Menſch‟, ſagte Se, „er ſcheint noch ganz
verwirrt. Wir müſſen ihm vor allen Dingen zu
trinken geben.‟ Sie legte die Hand wieder auf ſeine
Stirn und ſagte:
„Fürchte dich nicht, wir thun dir nichts, armer
Menſch.‟
„Ko bat‟ — ſo lautete das letzte Wort Ses in
ihrer Sprache — „Ko bat‟ — es wirkte überraſchend
auf Grunthe — das war einer der ſeltſamen Aus-
drücke Friedrich Ells. So pflegte Ell zu ſagen, wenn
er mit einer ſeiner wunderlichen Anſichten nicht durch-
dringen konnte, wenn er ſein Mitleid mit dem Mangel
an Verſtändnis bei den Menſchen bezeichnen wollte.
Oft hatte ihn Grunthe gefragt, wo dieſe Redensart
herſtamme, wie er dazu käme. Dann hatte Ell immer
nur ſtill gelächelt und wiederholt: „Ko bate, das ver-
ſteht ihr nicht, arme Menſchen!‟ Dieſe Erinnerungen
waren mit dem Worte in Grunthe wieder aufgetaucht.
Er verhielt ſich jetzt ganz ruhig.
Jnzwiſchen hatte La ein Trinkgefäß herbeigeholt,
mit dem wunderbaren Nektar der Martier gefüllt. Die
Martier tranken ſtets durch einen mit Mundſtück ver-
ſehenen Schlauch, der in dem Gefäß befeſtigt war, und
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/102>, abgerufen am 26.06.2024.
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