aufrichten konnte, erblickte er auf einem Wandbrett über seinem Lager einige Gegenstände, die ihm ge- hörten; man hatte sie offenbar in seinen Taschen ge- funden. Er ergriff sein Taschenmesser, hielt es so hoch wie möglich über den Boden und ließ es fallen. Er konnte den Fall bequem mit den Augen verfolgen; es dauerte eine Sekunde, ehe das Messer den Boden erreichte. Grunthe schätzte die Höhe und sagte sich: die Schwerkraft ist geringer geworden, und zwar be- trägt sie nur etwa ein Drittel soviel wie gewöhnlich. Das ist die Schwere auf dem Mars. Und wieder mußte er an Ell denken, der so oft gesagt hatte: "Von der Schwere frei werden, heißt das Weltall be- herrschen."
Auf das leichte Geräusch, welches das Auffallen des Messers erzeugte, hatte Se den Wandschirm bei- seite geschoben und war mit La auf Grunthe zuge- treten. Dieser hatte seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf den Schirm gerichtet und schrak daher mit einer Bewegung der Ueberraschung zusammen, als er plötz- lich die beiden schönen Martierinnen vor sich sah. Kaum hatte er erkannt, daß sich zwei lebendige weib- liche Gestalten ihm näherten, so legte er sich mit eisiger Miene zurück und heftete die Augen starr an die Decke. Da er La und Se nicht anzusehen wagte, konnte er nicht bemerken, mit welch freundlichen und teilnahmsvollen Blicken sie ihn betrachteten. Nur an dem Ton der Stimmen, mit welchem sie in ihrer Sprache einige Worte an ihn richteten, erkannte er die gute Gesinnung. La zupfte ihm die Decke zurecht,
Neue Rätſel.
aufrichten konnte, erblickte er auf einem Wandbrett über ſeinem Lager einige Gegenſtände, die ihm ge- hörten; man hatte ſie offenbar in ſeinen Taſchen ge- funden. Er ergriff ſein Taſchenmeſſer, hielt es ſo hoch wie möglich über den Boden und ließ es fallen. Er konnte den Fall bequem mit den Augen verfolgen; es dauerte eine Sekunde, ehe das Meſſer den Boden erreichte. Grunthe ſchätzte die Höhe und ſagte ſich: die Schwerkraft iſt geringer geworden, und zwar be- trägt ſie nur etwa ein Drittel ſoviel wie gewöhnlich. Das iſt die Schwere auf dem Mars. Und wieder mußte er an Ell denken, der ſo oft geſagt hatte: „Von der Schwere frei werden, heißt das Weltall be- herrſchen.‟
Auf das leichte Geräuſch, welches das Auffallen des Meſſers erzeugte, hatte Se den Wandſchirm bei- ſeite geſchoben und war mit La auf Grunthe zuge- treten. Dieſer hatte ſeine Aufmerkſamkeit nicht mehr auf den Schirm gerichtet und ſchrak daher mit einer Bewegung der Ueberraſchung zuſammen, als er plötz- lich die beiden ſchönen Martierinnen vor ſich ſah. Kaum hatte er erkannt, daß ſich zwei lebendige weib- liche Geſtalten ihm näherten, ſo legte er ſich mit eiſiger Miene zurück und heftete die Augen ſtarr an die Decke. Da er La und Se nicht anzuſehen wagte, konnte er nicht bemerken, mit welch freundlichen und teilnahmsvollen Blicken ſie ihn betrachteten. Nur an dem Ton der Stimmen, mit welchem ſie in ihrer Sprache einige Worte an ihn richteten, erkannte er die gute Geſinnung. La zupfte ihm die Decke zurecht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0101"n="93"/><fwplace="top"type="header">Neue Rätſel.</fw><lb/>
aufrichten konnte, erblickte er auf einem Wandbrett<lb/>
über ſeinem Lager einige Gegenſtände, die ihm ge-<lb/>
hörten; man hatte ſie offenbar in ſeinen Taſchen ge-<lb/>
funden. Er ergriff ſein Taſchenmeſſer, hielt es ſo<lb/>
hoch wie möglich über den Boden und ließ es fallen.<lb/>
Er konnte den Fall bequem mit den Augen verfolgen;<lb/>
es dauerte eine Sekunde, ehe das Meſſer den Boden<lb/>
erreichte. Grunthe ſchätzte die Höhe und ſagte ſich:<lb/>
die Schwerkraft iſt geringer geworden, und zwar be-<lb/>
trägt ſie nur etwa ein Drittel ſoviel wie gewöhnlich.<lb/>
Das iſt die Schwere auf dem Mars. Und wieder<lb/>
mußte er an Ell denken, der ſo oft geſagt hatte:<lb/>„Von der Schwere frei werden, heißt das Weltall be-<lb/>
herrſchen.‟</p><lb/><p>Auf das leichte Geräuſch, welches das Auffallen<lb/>
des Meſſers erzeugte, hatte Se den Wandſchirm bei-<lb/>ſeite geſchoben und war mit La auf Grunthe zuge-<lb/>
treten. Dieſer hatte ſeine Aufmerkſamkeit nicht mehr<lb/>
auf den Schirm gerichtet und ſchrak daher mit einer<lb/>
Bewegung der Ueberraſchung zuſammen, als er plötz-<lb/>
lich die beiden ſchönen Martierinnen vor ſich ſah.<lb/>
Kaum hatte er erkannt, daß ſich zwei lebendige weib-<lb/>
liche Geſtalten ihm näherten, ſo legte er ſich mit<lb/>
eiſiger Miene zurück und heftete die Augen ſtarr an<lb/>
die Decke. Da er La und Se nicht anzuſehen wagte,<lb/>
konnte er nicht bemerken, mit welch freundlichen und<lb/>
teilnahmsvollen Blicken ſie ihn betrachteten. Nur an<lb/>
dem Ton der Stimmen, mit welchem ſie in ihrer<lb/>
Sprache einige Worte an ihn richteten, erkannte er<lb/>
die gute Geſinnung. La zupfte ihm die Decke zurecht,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[93/0101]
Neue Rätſel.
aufrichten konnte, erblickte er auf einem Wandbrett
über ſeinem Lager einige Gegenſtände, die ihm ge-
hörten; man hatte ſie offenbar in ſeinen Taſchen ge-
funden. Er ergriff ſein Taſchenmeſſer, hielt es ſo
hoch wie möglich über den Boden und ließ es fallen.
Er konnte den Fall bequem mit den Augen verfolgen;
es dauerte eine Sekunde, ehe das Meſſer den Boden
erreichte. Grunthe ſchätzte die Höhe und ſagte ſich:
die Schwerkraft iſt geringer geworden, und zwar be-
trägt ſie nur etwa ein Drittel ſoviel wie gewöhnlich.
Das iſt die Schwere auf dem Mars. Und wieder
mußte er an Ell denken, der ſo oft geſagt hatte:
„Von der Schwere frei werden, heißt das Weltall be-
herrſchen.‟
Auf das leichte Geräuſch, welches das Auffallen
des Meſſers erzeugte, hatte Se den Wandſchirm bei-
ſeite geſchoben und war mit La auf Grunthe zuge-
treten. Dieſer hatte ſeine Aufmerkſamkeit nicht mehr
auf den Schirm gerichtet und ſchrak daher mit einer
Bewegung der Ueberraſchung zuſammen, als er plötz-
lich die beiden ſchönen Martierinnen vor ſich ſah.
Kaum hatte er erkannt, daß ſich zwei lebendige weib-
liche Geſtalten ihm näherten, ſo legte er ſich mit
eiſiger Miene zurück und heftete die Augen ſtarr an
die Decke. Da er La und Se nicht anzuſehen wagte,
konnte er nicht bemerken, mit welch freundlichen und
teilnahmsvollen Blicken ſie ihn betrachteten. Nur an
dem Ton der Stimmen, mit welchem ſie in ihrer
Sprache einige Worte an ihn richteten, erkannte er
die gute Geſinnung. La zupfte ihm die Decke zurecht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/101>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.