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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Adelard von Bath: Körperwelt.
hunderts stammen. Hier aber mischt sich nicht nur der
platonische Einfluß stärker, sondern vor allem derjenige
arabischen Wissens ein. Adelard hatte auf weiten Reisen im
Orient namentlich naturwissenschaftliche Kenntnisse gesammelt,
auch den Euklid übersetzt. Es ist kein Zweifel, daß ihm die
Schriften des Hippokrates und Galenus aus arabischen Über-
setzungen bekannt waren, wie denn der Einfluß der Ärzte
immermehr hervortritt.

In Bezug auf seine Stellung zum Realismus äußert sich
Adelard dem Aristoteles beistimmend, indem er hervorhebt
daß die Genera und Species den Individuen immanent anhaften;
denn wenn man bei den sinnlichen Objekten auf ihre Einzel-
existenz achte, seien sie Individuen, achte man aber auf das
Gleichartige in ihnen, so werden sie Species und Genera. In
der Schrift De eodem et diverso hebt er hervor, daß das Zeugnis
der Sinne falsch sei und ihm kein Einfluß gebühre, indem er
ausruft: "Wessen Blick vermag den unendlichen Himmelsraum
zu umfassen, welches Ohr seine Harmonie zu vernehmen, welches
Auge die Atome zu scheiden, welches Gehör das Geräusch ihres
Zusammenstoßes zu vernehmen?" Die körperliche Masse der
sichtbaren Welt hat nach Adelard ihre Formen durch die
Allweisheit des Schöpfers erhalten, aber ihre Prinzipien waren
ohne Kraft und ohne Bewegung, und es bedurfte daher einer
äußeren Kraft, um der Welt angemessene Bewegung und
Wachstum zu geben. Diese Kraft ist die der Seele, welche
die unfähigen Körper leitet und bewegt.

Die Körperwelt wird nun in den Quaestiones naturales näher
betrachtet. "Die Welt besteht aus vier Elementen, die,
obgleich dem Auge unerkennbar, sich in allen ihren Teilen
wiederfinden. Sie sind so eng verbunden, daß für unsere
Sinne nichts durchaus einfach ist. Genau genommen muß
man sie also nicht durch Substantiva, sondern durch Adjectiva
bezeichnen, weil diese das vorherrschende Prinzip ausdrücken.
So herrscht z. B. bei den Vegetabilien das erdige Prinzip vor,
und die drei andern, Wasser, Luft und Feuer sind dabei in abneh-

Im Nachstehenden ist, unter Vergleich mit dem Original, die Übersetzung
v. Stahr benutzt, S. 247--263, hauptsächlich S. 260, 261. Vgl. auch Haureau,
Hist. de la phil. scolast. I p. 354. f.

Adelard von Bath: Körperwelt.
hunderts stammen. Hier aber mischt sich nicht nur der
platonische Einfluß stärker, sondern vor allem derjenige
arabischen Wissens ein. Adelard hatte auf weiten Reisen im
Orient namentlich naturwissenschaftliche Kenntnisse gesammelt,
auch den Euklid übersetzt. Es ist kein Zweifel, daß ihm die
Schriften des Hippokrates und Galenus aus arabischen Über-
setzungen bekannt waren, wie denn der Einfluß der Ärzte
immermehr hervortritt.

In Bezug auf seine Stellung zum Realismus äußert sich
Adelard dem Aristoteles beistimmend, indem er hervorhebt
daß die Genera und Species den Individuen immanent anhaften;
denn wenn man bei den sinnlichen Objekten auf ihre Einzel-
existenz achte, seien sie Individuen, achte man aber auf das
Gleichartige in ihnen, so werden sie Species und Genera. In
der Schrift De eodem et diverso hebt er hervor, daß das Zeugnis
der Sinne falsch sei und ihm kein Einfluß gebühre, indem er
ausruft: „Wessen Blick vermag den unendlichen Himmelsraum
zu umfassen, welches Ohr seine Harmonie zu vernehmen, welches
Auge die Atome zu scheiden, welches Gehör das Geräusch ihres
Zusammenstoßes zu vernehmen?‟ Die körperliche Masse der
sichtbaren Welt hat nach Adelard ihre Formen durch die
Allweisheit des Schöpfers erhalten, aber ihre Prinzipien waren
ohne Kraft und ohne Bewegung, und es bedurfte daher einer
äußeren Kraft, um der Welt angemessene Bewegung und
Wachstum zu geben. Diese Kraft ist die der Seele, welche
die unfähigen Körper leitet und bewegt.

Die Körperwelt wird nun in den Quaestiones naturales näher
betrachtet. „Die Welt besteht aus vier Elementen, die,
obgleich dem Auge unerkennbar, sich in allen ihren Teilen
wiederfinden. Sie sind so eng verbunden, daß für unsere
Sinne nichts durchaus einfach ist. Genau genommen muß
man sie also nicht durch Substantiva, sondern durch Adjectiva
bezeichnen, weil diese das vorherrschende Prinzip ausdrücken.
So herrscht z. B. bei den Vegetabilien das erdige Prinzip vor,
und die drei andern, Wasser, Luft und Feuer sind dabei in abneh-

Im Nachstehenden ist, unter Vergleich mit dem Original, die Übersetzung
v. Stahr benutzt, S. 247—263, hauptsächlich S. 260, 261. Vgl. auch Hauréau,
Hist. de la phil. scolast. I p. 354. f.
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[71/0089] Adelard von Bath: Körperwelt. hunderts stammen. Hier aber mischt sich nicht nur der platonische Einfluß stärker, sondern vor allem derjenige arabischen Wissens ein. Adelard hatte auf weiten Reisen im Orient namentlich naturwissenschaftliche Kenntnisse gesammelt, auch den Euklid übersetzt. Es ist kein Zweifel, daß ihm die Schriften des Hippokrates und Galenus aus arabischen Über- setzungen bekannt waren, wie denn der Einfluß der Ärzte immermehr hervortritt. In Bezug auf seine Stellung zum Realismus äußert sich Adelard dem Aristoteles beistimmend, indem er hervorhebt daß die Genera und Species den Individuen immanent anhaften; denn wenn man bei den sinnlichen Objekten auf ihre Einzel- existenz achte, seien sie Individuen, achte man aber auf das Gleichartige in ihnen, so werden sie Species und Genera. In der Schrift De eodem et diverso hebt er hervor, daß das Zeugnis der Sinne falsch sei und ihm kein Einfluß gebühre, indem er ausruft: „Wessen Blick vermag den unendlichen Himmelsraum zu umfassen, welches Ohr seine Harmonie zu vernehmen, welches Auge die Atome zu scheiden, welches Gehör das Geräusch ihres Zusammenstoßes zu vernehmen?‟ Die körperliche Masse der sichtbaren Welt hat nach Adelard ihre Formen durch die Allweisheit des Schöpfers erhalten, aber ihre Prinzipien waren ohne Kraft und ohne Bewegung, und es bedurfte daher einer äußeren Kraft, um der Welt angemessene Bewegung und Wachstum zu geben. Diese Kraft ist die der Seele, welche die unfähigen Körper leitet und bewegt. Die Körperwelt wird nun in den Quaestiones naturales näher betrachtet. „Die Welt besteht aus vier Elementen, die, obgleich dem Auge unerkennbar, sich in allen ihren Teilen wiederfinden. Sie sind so eng verbunden, daß für unsere Sinne nichts durchaus einfach ist. Genau genommen muß man sie also nicht durch Substantiva, sondern durch Adjectiva bezeichnen, weil diese das vorherrschende Prinzip ausdrücken. So herrscht z. B. bei den Vegetabilien das erdige Prinzip vor, und die drei andern, Wasser, Luft und Feuer sind dabei in abneh- 2 2 Im Nachstehenden ist, unter Vergleich mit dem Original, die Übersetzung v. Stahr benutzt, S. 247—263, hauptsächlich S. 260, 261. Vgl. auch Hauréau, Hist. de la phil. scolast. I p. 354. f.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/89>, abgerufen am 22.11.2024.