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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Platon: Korpuskulartheorie. Weltseele.
Teile des Wassers sich ihren Weg gewaltsam bahnen müssen
und daher Auflösung erzeugen. Ist aber die Erde durch Ge-
walt fest zusammengepreßt, so sind nur die Feuerteilchen im-
stande, sich durchzudrängen und sie zu schmelzen. Ähnlich
verhält es sich mit den andern Elementen und ihren Mischungen.
Dabei sind zwei verschiedene Arten der Auflösung und Zer-
setzung der Körper zu unterscheiden, je nachdem letztere durch
das Eindringen in ihre Poren oder durch Zerspaltung der
Korpuskeln, also durch Zerlegung in ihre Urbestandteile
zerstört werden. Es entspricht dies ganz der modernen Vor-
stellung der Zerlegung von Körpern in ihre Moleküle, resp. der
letzteren in die Atome, also der mechanischen und der chemi-
schen Zersetzung. Aus den getrennten Urbestandteilen können
sich wieder neue Elementarkorpuskeln bilden.

Was veranlaßt aber die Elementarteile, sich gerade in der
gesetzmäßigen geometrischen Weise zu bewegen und zusammen-
zufügen? Um die Bewegung zu ermöglichen, bedarf es eines bewe-
genden Prinzips, welches zwischen den ewigseienden Bestimmun-
gen und dem Körperlichen in der Mitte steht. Dieses Prinzip der
Selbstbewegung ist die Weltseele, welche das All umfaßt
und in Bewegung erhält und leitet. Sie vermittelt in derselben
Weise zwischen den Ideen und der Sinnenwelt, wie das Ma-
thematische; beide Begriffe sollen den Gedanken ausdrücken,
daß die sinnliche Erscheinung durch eine Anteilnahme an
unveränderlichen Gesetzen Realität erhält, und hierbei bezeichnet
die Weltseele diesen Anteil an Realität von seiten der dyna-
mischen Wechselwirkung, das Mathematische von seiten der
gesetzlichen Bestimmung. Die Wechselwirkung der Dinge muß
durch | Gesetze geregelt sein, die bei Platon natürlich nicht
mechanisch, sondern teleologisch bestimmt gedacht sind; daher
wird das Mathematische, welches zwischen Ideen und Er-
scheinung vermittelt, als Weltseele bezeichnet, insofern es das
Gesetz der Veränderung enthält. Das Prinzip der Veränder-
lichkeit muß durch Vernunft bestimmt sein, und diese zweck-
mäßige Ordnung der Dinge in Bezug auf ihren Wechsel, die
Anwendung des mathematischen Gesetzes auf die Bewegung,
die Sicherung ihrer harmonischen Gestaltung, soll die Weltseele
ermöglichen. Das Prinzip der Bewegung ist also nach Platon
in einer Beseelung der Dinge gegründet, die Veränderung der

Platon: Korpuskulartheorie. Weltseele.
Teile des Wassers sich ihren Weg gewaltsam bahnen müssen
und daher Auflösung erzeugen. Ist aber die Erde durch Ge-
walt fest zusammengepreßt, so sind nur die Feuerteilchen im-
stande, sich durchzudrängen und sie zu schmelzen. Ähnlich
verhält es sich mit den andern Elementen und ihren Mischungen.
Dabei sind zwei verschiedene Arten der Auflösung und Zer-
setzung der Körper zu unterscheiden, je nachdem letztere durch
das Eindringen in ihre Poren oder durch Zerspaltung der
Korpuskeln, also durch Zerlegung in ihre Urbestandteile
zerstört werden. Es entspricht dies ganz der modernen Vor-
stellung der Zerlegung von Körpern in ihre Moleküle, resp. der
letzteren in die Atome, also der mechanischen und der chemi-
schen Zersetzung. Aus den getrennten Urbestandteilen können
sich wieder neue Elementarkorpuskeln bilden.

Was veranlaßt aber die Elementarteile, sich gerade in der
gesetzmäßigen geometrischen Weise zu bewegen und zusammen-
zufügen? Um die Bewegung zu ermöglichen, bedarf es eines bewe-
genden Prinzips, welches zwischen den ewigseienden Bestimmun-
gen und dem Körperlichen in der Mitte steht. Dieses Prinzip der
Selbstbewegung ist die Weltseele, welche das All umfaßt
und in Bewegung erhält und leitet. Sie vermittelt in derselben
Weise zwischen den Ideen und der Sinnenwelt, wie das Ma-
thematische; beide Begriffe sollen den Gedanken ausdrücken,
daß die sinnliche Erscheinung durch eine Anteilnahme an
unveränderlichen Gesetzen Realität erhält, und hierbei bezeichnet
die Weltseele diesen Anteil an Realität von seiten der dyna-
mischen Wechselwirkung, das Mathematische von seiten der
gesetzlichen Bestimmung. Die Wechselwirkung der Dinge muß
durch | Gesetze geregelt sein, die bei Platon natürlich nicht
mechanisch, sondern teleologisch bestimmt gedacht sind; daher
wird das Mathematische, welches zwischen Ideen und Er-
scheinung vermittelt, als Weltseele bezeichnet, insofern es das
Gesetz der Veränderung enthält. Das Prinzip der Veränder-
lichkeit muß durch Vernunft bestimmt sein, und diese zweck-
mäßige Ordnung der Dinge in Bezug auf ihren Wechsel, die
Anwendung des mathematischen Gesetzes auf die Bewegung,
die Sicherung ihrer harmonischen Gestaltung, soll die Weltseele
ermöglichen. Das Prinzip der Bewegung ist also nach Platon
in einer Beseelung der Dinge gegründet, die Veränderung der

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[66/0084] Platon: Korpuskulartheorie. Weltseele. Teile des Wassers sich ihren Weg gewaltsam bahnen müssen und daher Auflösung erzeugen. Ist aber die Erde durch Ge- walt fest zusammengepreßt, so sind nur die Feuerteilchen im- stande, sich durchzudrängen und sie zu schmelzen. Ähnlich verhält es sich mit den andern Elementen und ihren Mischungen. Dabei sind zwei verschiedene Arten der Auflösung und Zer- setzung der Körper zu unterscheiden, je nachdem letztere durch das Eindringen in ihre Poren oder durch Zerspaltung der Korpuskeln, also durch Zerlegung in ihre Urbestandteile zerstört werden. Es entspricht dies ganz der modernen Vor- stellung der Zerlegung von Körpern in ihre Moleküle, resp. der letzteren in die Atome, also der mechanischen und der chemi- schen Zersetzung. Aus den getrennten Urbestandteilen können sich wieder neue Elementarkorpuskeln bilden. Was veranlaßt aber die Elementarteile, sich gerade in der gesetzmäßigen geometrischen Weise zu bewegen und zusammen- zufügen? Um die Bewegung zu ermöglichen, bedarf es eines bewe- genden Prinzips, welches zwischen den ewigseienden Bestimmun- gen und dem Körperlichen in der Mitte steht. Dieses Prinzip der Selbstbewegung ist die Weltseele, welche das All umfaßt und in Bewegung erhält und leitet. Sie vermittelt in derselben Weise zwischen den Ideen und der Sinnenwelt, wie das Ma- thematische; beide Begriffe sollen den Gedanken ausdrücken, daß die sinnliche Erscheinung durch eine Anteilnahme an unveränderlichen Gesetzen Realität erhält, und hierbei bezeichnet die Weltseele diesen Anteil an Realität von seiten der dyna- mischen Wechselwirkung, das Mathematische von seiten der gesetzlichen Bestimmung. Die Wechselwirkung der Dinge muß durch | Gesetze geregelt sein, die bei Platon natürlich nicht mechanisch, sondern teleologisch bestimmt gedacht sind; daher wird das Mathematische, welches zwischen Ideen und Er- scheinung vermittelt, als Weltseele bezeichnet, insofern es das Gesetz der Veränderung enthält. Das Prinzip der Veränder- lichkeit muß durch Vernunft bestimmt sein, und diese zweck- mäßige Ordnung der Dinge in Bezug auf ihren Wechsel, die Anwendung des mathematischen Gesetzes auf die Bewegung, die Sicherung ihrer harmonischen Gestaltung, soll die Weltseele ermöglichen. Das Prinzip der Bewegung ist also nach Platon in einer Beseelung der Dinge gegründet, die Veränderung der

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/84>, abgerufen am 22.11.2024.