Teilen der Erkenntnis, welche in den lebendigen Zusammen- hang der gesamten Gemütskräfte, in das innere Erlebnis der Menschenseele zu dringen verlangt.
Die außerordentliche Fruchtbarkeit der Kausalität als Denkmittel hat bewirkt, daß es dem modernen Geiste, der an naturwissenschaftliche Methoden gewöhnt ist, schwer wird, die Bedeutung des Denkmittels der Substanzialität richtig zu würdigen und zu verstehen, wie dasselbe die erste Epoche der europäischen Wissenschaft im Altertum und im Mittelalter beherr- schen konnte. Das Denkmittel der Substanzialität ist die Einheitsbeziehung, welche darin besteht, daß einem Subjekte Prädikate als nähere Bestimmun- gen anhaften und es zu einem wahrnehmbaren, mit Eigenschaften begabten Einzeldinge machen. Es erzeugt die Identität eines Dinges mit sich selbst. Diese Sub- stanzialität war es, welche dem wissenschaftlichen Denken zu- erst als ein geeignetes Mittel sich darbot, die Mannigfaltigkeit der Dinge für die Erkenntnis aufzulösen und den analysierenden Verstand zu tieferen Einsichten zu führen. Die Kausalität konnte erst volle Bedeutung gewinnen an und mit der Zer- gliederung der mechanischen Beweguug; diese aber bot der Abstraktion Schwierigkeiten, welche in den ersten zwei Jahr- tausenden des europäischen Denkens nicht überwunden wurden. Die Substanzialität dagegen, der Zusammenhang von Substanz und Accidens, in demjenigen von Subjekt und Prädikat in der Sprache direkt erkennbar, bot der Thätigkeit der Abstraktion ein leichter zu bearbeitendes Feld.
Dieser Marmorblock ist weiß, schwer, hart, spröde, kalt. Das Denken löst die Eigenschaften von dem Dinge und steht dadurch vor zwei neuen Fragen. Was sind die Eigenschaften ohne das Substrat, an dem sie haften? Und was ist das Ding ohne seine Eigenschaften? Was sind Weiße, Schwere, Härte, Kälte? Sinnliche Qualitäten, welche offenbar nicht notwendig sind für die Existenz des Körpers, denn sie können teilweise auch fehlen; sie sind zufällig. Eines aber muß dem Körper bleiben, das nicht sinnlich ist, seine Gestalt. Es gibt Gesetze der Körper, welche bestehen bleiben, wenn auch alles Sinnliche ab- gestreift ist. Der Würfel behält sechs Flächen und acht Ecken, die Summe der Winkel im Viereck bleibt gleich vier Rechten,
Das Denkmittel der Substanzialität.
Teilen der Erkenntnis, welche in den lebendigen Zusammen- hang der gesamten Gemütskräfte, in das innere Erlebnis der Menschenseele zu dringen verlangt.
Die außerordentliche Fruchtbarkeit der Kausalität als Denkmittel hat bewirkt, daß es dem modernen Geiste, der an naturwissenschaftliche Methoden gewöhnt ist, schwer wird, die Bedeutung des Denkmittels der Substanzialität richtig zu würdigen und zu verstehen, wie dasselbe die erste Epoche der europäischen Wissenschaft im Altertum und im Mittelalter beherr- schen konnte. Das Denkmittel der Substanzialität ist die Einheitsbeziehung, welche darin besteht, daß einem Subjekte Prädikate als nähere Bestimmun- gen anhaften und es zu einem wahrnehmbaren, mit Eigenschaften begabten Einzeldinge machen. Es erzeugt die Identität eines Dinges mit sich selbst. Diese Sub- stanzialität war es, welche dem wissenschaftlichen Denken zu- erst als ein geeignetes Mittel sich darbot, die Mannigfaltigkeit der Dinge für die Erkenntnis aufzulösen und den analysierenden Verstand zu tieferen Einsichten zu führen. Die Kausalität konnte erst volle Bedeutung gewinnen an und mit der Zer- gliederung der mechanischen Beweguug; diese aber bot der Abstraktion Schwierigkeiten, welche in den ersten zwei Jahr- tausenden des europäischen Denkens nicht überwunden wurden. Die Substanzialität dagegen, der Zusammenhang von Substanz und Accidens, in demjenigen von Subjekt und Prädikat in der Sprache direkt erkennbar, bot der Thätigkeit der Abstraktion ein leichter zu bearbeitendes Feld.
Dieser Marmorblock ist weiß, schwer, hart, spröde, kalt. Das Denken löst die Eigenschaften von dem Dinge und steht dadurch vor zwei neuen Fragen. Was sind die Eigenschaften ohne das Substrat, an dem sie haften? Und was ist das Ding ohne seine Eigenschaften? Was sind Weiße, Schwere, Härte, Kälte? Sinnliche Qualitäten, welche offenbar nicht notwendig sind für die Existenz des Körpers, denn sie können teilweise auch fehlen; sie sind zufällig. Eines aber muß dem Körper bleiben, das nicht sinnlich ist, seine Gestalt. Es gibt Gesetze der Körper, welche bestehen bleiben, wenn auch alles Sinnliche ab- gestreift ist. Der Würfel behält sechs Flächen und acht Ecken, die Summe der Winkel im Viereck bleibt gleich vier Rechten,
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Das Denkmittel der Substanzialität.
Teilen der Erkenntnis, welche in den lebendigen Zusammen-
hang der gesamten Gemütskräfte, in das innere Erlebnis der
Menschenseele zu dringen verlangt.
Die außerordentliche Fruchtbarkeit der Kausalität als
Denkmittel hat bewirkt, daß es dem modernen Geiste, der
an naturwissenschaftliche Methoden gewöhnt ist, schwer wird,
die Bedeutung des Denkmittels der Substanzialität richtig zu
würdigen und zu verstehen, wie dasselbe die erste Epoche der
europäischen Wissenschaft im Altertum und im Mittelalter beherr-
schen konnte. Das Denkmittel der Substanzialität ist
die Einheitsbeziehung, welche darin besteht, daß
einem Subjekte Prädikate als nähere Bestimmun-
gen anhaften und es zu einem wahrnehmbaren, mit
Eigenschaften begabten Einzeldinge machen. Es
erzeugt die Identität eines Dinges mit sich selbst. Diese Sub-
stanzialität war es, welche dem wissenschaftlichen Denken zu-
erst als ein geeignetes Mittel sich darbot, die Mannigfaltigkeit
der Dinge für die Erkenntnis aufzulösen und den analysierenden
Verstand zu tieferen Einsichten zu führen. Die Kausalität
konnte erst volle Bedeutung gewinnen an und mit der Zer-
gliederung der mechanischen Beweguug; diese aber bot der
Abstraktion Schwierigkeiten, welche in den ersten zwei Jahr-
tausenden des europäischen Denkens nicht überwunden wurden.
Die Substanzialität dagegen, der Zusammenhang von Substanz
und Accidens, in demjenigen von Subjekt und Prädikat in der
Sprache direkt erkennbar, bot der Thätigkeit der Abstraktion
ein leichter zu bearbeitendes Feld.
Dieser Marmorblock ist weiß, schwer, hart, spröde, kalt.
Das Denken löst die Eigenschaften von dem Dinge und steht
dadurch vor zwei neuen Fragen. Was sind die Eigenschaften
ohne das Substrat, an dem sie haften? Und was ist das Ding
ohne seine Eigenschaften? Was sind Weiße, Schwere, Härte,
Kälte? Sinnliche Qualitäten, welche offenbar nicht notwendig
sind für die Existenz des Körpers, denn sie können teilweise
auch fehlen; sie sind zufällig. Eines aber muß dem Körper
bleiben, das nicht sinnlich ist, seine Gestalt. Es gibt Gesetze
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/64>, abgerufen am 22.11.2024.
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