Erigena: Unsere Wesenheit. Raum und Zeit als umfassend.
und die daraus zusammengesetzten Körper," durch die wir Wachstum, Nahrung und Leben empfangen.1
Daß aber unser Körper mit der ganzen Sinnenwelt räum- lich und zeitlich ist, beruht darauf, daß Raum und Zeit die erste Bedingung überhaupt sind, damit eine Wesenheit -- die zum Erschaffenen gehört -- als solche bestehe und erkannt werde. Gott allein besteht über dem Sein selber; alles andre wird nur im Raum begriffen, mit welchem die Zeit ein für alle- mal zusammenfällt. Raum und Zeit sind nicht für sich, son- dern immer nur zusammen denkbar. Dies gründet sich darauf, daß der Raum die Bedingung des Umfassens, wie die Zeit die- jenige des Zugleichs ist und beide Begriffe nicht trennbar sind. Daher wird alles Geschaffene nur in und unter dem Raum- und Zeitverhältnisse gedacht, d. h. es besteht nur in ihm. Gott allein ist unbegrenzt; alles Übrige ist von Raum und Zeit begrenzt, welche vor allem Seienden zu denken sind.2
In diesem Seienden aber steht der zusammengesetzte physische Körper auf der niedersten Stufe aller Wesen. Auf ihn folgt nichts niederes mehr, darum kann er auch nicht als Ursache einer auf ihn folgenden und ihm nicht gleichen Natur auftreten. Denn Ursache kann nur ein höherer Begriff in Bezug auf einen niederen sein. Vergängliche Körper sind nicht Ursache irgend welcher Wirkungen, da sie unter allen Naturen den letzten und untersten und fast gar keinen Platz einnehmen.3
3. Das Denkmittel der Substanzialität und der extreme Realismus.
Der erste Versuch im Mittelalter, die überlieferten Reste des antiken Denkens zu einer selbständigen Theorie des Kör- pers zu verbinden, bietet die passende Veranlassung zu einer allgemeineren Betrachtung.
Die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen zu erklären bedarf es der Erkenntnis gewisser Grundthatsachen von weltbedingen- dem Charakter, gewisser ursprünglicher Gesetze, welche Dasein und Zusammen der Dinge beherrschen, indem sie angeben, in welcher Weise die Verbindung des erfahrungsmäßig Gegebenen statthabe oder gedacht werden könne. In der Geschichte der
1 I, 55. p. 35.
2 I, 41. p. 22, 23.
3 II, 31. p. 89. Noack S. 227.
Erigena: Unsere Wesenheit. Raum und Zeit als umfassend.
und die daraus zusammengesetzten Körper,‟ durch die wir Wachstum, Nahrung und Leben empfangen.1
Daß aber unser Körper mit der ganzen Sinnenwelt räum- lich und zeitlich ist, beruht darauf, daß Raum und Zeit die erste Bedingung überhaupt sind, damit eine Wesenheit — die zum Erschaffenen gehört — als solche bestehe und erkannt werde. Gott allein besteht über dem Sein selber; alles andre wird nur im Raum begriffen, mit welchem die Zeit ein für alle- mal zusammenfällt. Raum und Zeit sind nicht für sich, son- dern immer nur zusammen denkbar. Dies gründet sich darauf, daß der Raum die Bedingung des Umfassens, wie die Zeit die- jenige des Zugleichs ist und beide Begriffe nicht trennbar sind. Daher wird alles Geschaffene nur in und unter dem Raum- und Zeitverhältnisse gedacht, d. h. es besteht nur in ihm. Gott allein ist unbegrenzt; alles Übrige ist von Raum und Zeit begrenzt, welche vor allem Seienden zu denken sind.2
In diesem Seienden aber steht der zusammengesetzte physische Körper auf der niedersten Stufe aller Wesen. Auf ihn folgt nichts niederes mehr, darum kann er auch nicht als Ursache einer auf ihn folgenden und ihm nicht gleichen Natur auftreten. Denn Ursache kann nur ein höherer Begriff in Bezug auf einen niederen sein. Vergängliche Körper sind nicht Ursache irgend welcher Wirkungen, da sie unter allen Naturen den letzten und untersten und fast gar keinen Platz einnehmen.3
3. Das Denkmittel der Substanzialität und der extreme Realismus.
Der erste Versuch im Mittelalter, die überlieferten Reste des antiken Denkens zu einer selbständigen Theorie des Kör- pers zu verbinden, bietet die passende Veranlassung zu einer allgemeineren Betrachtung.
Die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen zu erklären bedarf es der Erkenntnis gewisser Grundthatsachen von weltbedingen- dem Charakter, gewisser ursprünglicher Gesetze, welche Dasein und Zusammen der Dinge beherrschen, indem sie angeben, in welcher Weise die Verbindung des erfahrungsmäßig Gegebenen statthabe oder gedacht werden könne. In der Geschichte der
1 I, 55. p. 35.
2 I, 41. p. 22, 23.
3 II, 31. p. 89. Noack S. 227.
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Erigena: Unsere Wesenheit. Raum und Zeit als umfassend.
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Wachstum, Nahrung und Leben empfangen. 1
Daß aber unser Körper mit der ganzen Sinnenwelt räum-
lich und zeitlich ist, beruht darauf, daß Raum und Zeit die
erste Bedingung überhaupt sind, damit eine Wesenheit — die
zum Erschaffenen gehört — als solche bestehe und erkannt
werde. Gott allein besteht über dem Sein selber; alles andre
wird nur im Raum begriffen, mit welchem die Zeit ein für alle-
mal zusammenfällt. Raum und Zeit sind nicht für sich, son-
dern immer nur zusammen denkbar. Dies gründet sich darauf,
daß der Raum die Bedingung des Umfassens, wie die Zeit die-
jenige des Zugleichs ist und beide Begriffe nicht trennbar
sind. Daher wird alles Geschaffene nur in und unter dem
Raum- und Zeitverhältnisse gedacht, d. h. es besteht nur in
ihm. Gott allein ist unbegrenzt; alles Übrige ist von Raum
und Zeit begrenzt, welche vor allem Seienden zu denken sind. 2
In diesem Seienden aber steht der zusammengesetzte
physische Körper auf der niedersten Stufe aller Wesen. Auf
ihn folgt nichts niederes mehr, darum kann er auch nicht als
Ursache einer auf ihn folgenden und ihm nicht gleichen Natur
auftreten. Denn Ursache kann nur ein höherer Begriff in
Bezug auf einen niederen sein. Vergängliche Körper sind nicht
Ursache irgend welcher Wirkungen, da sie unter allen Naturen
den letzten und untersten und fast gar keinen Platz einnehmen. 3
3. Das Denkmittel der Substanzialität und der extreme Realismus.
Der erste Versuch im Mittelalter, die überlieferten Reste
des antiken Denkens zu einer selbständigen Theorie des Kör-
pers zu verbinden, bietet die passende Veranlassung zu einer
allgemeineren Betrachtung.
Die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen zu erklären bedarf
es der Erkenntnis gewisser Grundthatsachen von weltbedingen-
dem Charakter, gewisser ursprünglicher Gesetze, welche Dasein
und Zusammen der Dinge beherrschen, indem sie angeben, in
welcher Weise die Verbindung des erfahrungsmäßig Gegebenen
statthabe oder gedacht werden könne. In der Geschichte der
1 I, 55. p. 35.
2 I, 41. p. 22, 23.
3 II, 31. p. 89. Noack S. 227.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/61>, abgerufen am 23.11.2024.
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