stanzen sind flüssig.1 Natürlich sind die Bestandteile substan- ziell in den Verbindungen, und zwar gibt es im allgemeinen in jedem Körper unzählige Grundsubstanzen, wie dies aus der bereits erörterten Annahme Berigards von unendlich vielen körperlichen Qualitäten folgt.
Man kann Berigards Theorie der Körper als eine quali- tative Atomistik bezeichnen. Die korpuskulare Auffassung der Materie ist klar erkennbar, aber die einzelnen Teilchen sind nicht eigenschaftslos, so daß sie zur Erklärung der Kör- pereigenschaften selbst dienen sollen, sondern sie besitzen ihrer- seits schon Qualität. Die komplizierten Eigenschaften der Körper werden aufgelöst in zahllose einfache Grundeigenschaften, und jede solche Grundeigenschaft wird hypostasiert als körperliche Substanz. Die Veränderungen der Körper kommen durch Be- wegung zustande, aber nicht durch Bewegung nur der Gestalt nach unterschiedener Atome, sondern der Qualität nach ver- schiedener Grundsubstanzen. Obgleich also die Materie als konti- nuierlich gedacht ist, da ein Vacuum nicht existiert, so unter- scheidet sich diese Ansicht doch gänzlich von der aristotelischen Physik, indem sie die Veränderung der Qualitäten ver- wirft; die Grundsubstanzen haben unveränderliche Qualitäten und nur ihre Zusammensetzung bildet die Eigenschaften der sinnlichen Welt. Diese Lehre hat offenbar einen Vorzug; sie gestattet die Erklärung der sinnlichen Qualitäten, ohne jenes Sprunges zu bedürfen, der von dem bloßen Stoß der Atome zur sinnlichen Eigenschaft der Farbe, des Tones, der Tempe- ratur etc. führt; die umgebende Welt ist in ihrem Grunde ein Chaos unendlich vieler solcher einzelner Eigenschaften, deren Kombination den Inhalt unsres Bewußtseins ausmacht. Man darf vielleicht annehmen, daß Berigards System die Ausführung eines Gedankens auf konsequenterer atomistischer Grundlage ist, wie er Francis Bacon ähnlich vorschweben mochte, als dieser die Dinge als einen Schematismus aufzufassen suchte, der im Grunde durch Qualitäten zusammenhing. Aber jener Vorzug verschwindet, sobald man zu der Einsicht fortschreitet, daß nur die Zurückführung auf Quantitäten eine objektive Natur- wissenschaft zu begründen vermag. Denn wie will man eine
1 A. a. O. XVIII. p. 115 ff.
Laßwitz. 32
Berigard: Qualitative Atomistik.
stanzen sind flüssig.1 Natürlich sind die Bestandteile substan- ziell in den Verbindungen, und zwar gibt es im allgemeinen in jedem Körper unzählige Grundsubstanzen, wie dies aus der bereits erörterten Annahme Berigards von unendlich vielen körperlichen Qualitäten folgt.
Man kann Berigards Theorie der Körper als eine quali- tative Atomistik bezeichnen. Die korpuskulare Auffassung der Materie ist klar erkennbar, aber die einzelnen Teilchen sind nicht eigenschaftslos, so daß sie zur Erklärung der Kör- pereigenschaften selbst dienen sollen, sondern sie besitzen ihrer- seits schon Qualität. Die komplizierten Eigenschaften der Körper werden aufgelöst in zahllose einfache Grundeigenschaften, und jede solche Grundeigenschaft wird hypostasiert als körperliche Substanz. Die Veränderungen der Körper kommen durch Be- wegung zustande, aber nicht durch Bewegung nur der Gestalt nach unterschiedener Atome, sondern der Qualität nach ver- schiedener Grundsubstanzen. Obgleich also die Materie als konti- nuierlich gedacht ist, da ein Vacuum nicht existiert, so unter- scheidet sich diese Ansicht doch gänzlich von der aristotelischen Physik, indem sie die Veränderung der Qualitäten ver- wirft; die Grundsubstanzen haben unveränderliche Qualitäten und nur ihre Zusammensetzung bildet die Eigenschaften der sinnlichen Welt. Diese Lehre hat offenbar einen Vorzug; sie gestattet die Erklärung der sinnlichen Qualitäten, ohne jenes Sprunges zu bedürfen, der von dem bloßen Stoß der Atome zur sinnlichen Eigenschaft der Farbe, des Tones, der Tempe- ratur etc. führt; die umgebende Welt ist in ihrem Grunde ein Chaos unendlich vieler solcher einzelner Eigenschaften, deren Kombination den Inhalt unsres Bewußtseins ausmacht. Man darf vielleicht annehmen, daß Berigards System die Ausführung eines Gedankens auf konsequenterer atomistischer Grundlage ist, wie er Francis Bacon ähnlich vorschweben mochte, als dieser die Dinge als einen Schematismus aufzufassen suchte, der im Grunde durch Qualitäten zusammenhing. Aber jener Vorzug verschwindet, sobald man zu der Einsicht fortschreitet, daß nur die Zurückführung auf Quantitäten eine objektive Natur- wissenschaft zu begründen vermag. Denn wie will man eine
1 A. a. O. XVIII. p. 115 ff.
Laßwitz. 32
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Berigard: Qualitative Atomistik.
stanzen sind flüssig. 1 Natürlich sind die Bestandteile substan-
ziell in den Verbindungen, und zwar gibt es im allgemeinen
in jedem Körper unzählige Grundsubstanzen, wie dies aus der
bereits erörterten Annahme Berigards von unendlich vielen
körperlichen Qualitäten folgt.
Man kann Berigards Theorie der Körper als eine quali-
tative Atomistik bezeichnen. Die korpuskulare Auffassung
der Materie ist klar erkennbar, aber die einzelnen Teilchen
sind nicht eigenschaftslos, so daß sie zur Erklärung der Kör-
pereigenschaften selbst dienen sollen, sondern sie besitzen ihrer-
seits schon Qualität. Die komplizierten Eigenschaften der Körper
werden aufgelöst in zahllose einfache Grundeigenschaften, und
jede solche Grundeigenschaft wird hypostasiert als körperliche
Substanz. Die Veränderungen der Körper kommen durch Be-
wegung zustande, aber nicht durch Bewegung nur der Gestalt
nach unterschiedener Atome, sondern der Qualität nach ver-
schiedener Grundsubstanzen. Obgleich also die Materie als konti-
nuierlich gedacht ist, da ein Vacuum nicht existiert, so unter-
scheidet sich diese Ansicht doch gänzlich von der aristotelischen
Physik, indem sie die Veränderung der Qualitäten ver-
wirft; die Grundsubstanzen haben unveränderliche Qualitäten
und nur ihre Zusammensetzung bildet die Eigenschaften der
sinnlichen Welt. Diese Lehre hat offenbar einen Vorzug; sie
gestattet die Erklärung der sinnlichen Qualitäten, ohne jenes
Sprunges zu bedürfen, der von dem bloßen Stoß der Atome
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ratur etc. führt; die umgebende Welt ist in ihrem Grunde ein
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Kombination den Inhalt unsres Bewußtseins ausmacht. Man
darf vielleicht annehmen, daß Berigards System die Ausführung
eines Gedankens auf konsequenterer atomistischer Grundlage
ist, wie er Francis Bacon ähnlich vorschweben mochte, als
dieser die Dinge als einen Schematismus aufzufassen suchte,
der im Grunde durch Qualitäten zusammenhing. Aber jener
Vorzug verschwindet, sobald man zu der Einsicht fortschreitet,
daß nur die Zurückführung auf Quantitäten eine objektive Natur-
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/515>, abgerufen am 24.11.2024.
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