Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.Gassendi: Exercitationes paradoxicae. tracht kommenden auf die Physik sich beziehenden Büchernur in ganz kurzer Inhaltsangabe erhalten sind.1 Es waren dies das dritte, vierte und fünfte Buch. Im dritten wurde von Gassendi das Vacuum eingeführt "oder vielmehr in die Natur zurückgeführt". Im vierten wird u. a. die aristotelische Ele- mentenlehre bekämpft, sowohl was Zahl, Eigenschaften und Verwandelbarkeit der Elemente, als was die Zusammensetzung der Mixta betrifft; über die letzteren handelt auch das fünfte Buch. Ein Hinweis auf die physikalischen Prinzipien Gassen- dis zu jener Zeit findet sich in Liber I, Exerc. V, c. 8, wo es heißt, Aristoteles beschuldige in De gen. et corr. I, 1 Empedokles ohne zureichenden Grund, daß er gesagt habe, die Elemente entstünden nicht wechselweise auseinander, und daß er die Komposita in die Elemente aufgelöst wissen wollte. "Aristoteles glaubt nämlich, daß hieraus der Übergang von Wasser in Erde folge. Aber warum?" In cap. 2, fährt Gassendi fort, beur- teile er den Demokrit und Leukipp unzureichend, ebenso wie andre Philosophen, welche das Entstehen durch Ansammlung geschehen lassen, wenn er als Grund angibt, daß das Konti- nuum nicht aus Unteilbaren zusammengesetzt werden könnte; denn während jene von der Unmöglichkeit physikalischer Tei- lung sprächen, streite Aristoteles über die mathematische. Und was in aller Welt soll jene Vierteilung der primären Qua- litäten?! Wie unpassend und unzureichend sind die Definitio- nen derselben! Wie lächerlich, die Vierzahl der Elemente auf die vierfache Kombination der Qualitäten zu gründen!" In dieser lebhaften und energischen Weise eifert Gassendi weiter, doch beruft er sich für eingehendere Begründung seiner Ein- würfe immer auf spätere Ausführungen, die uns leider nicht erhalten worden sind. Seinen Freunden sind dieselben offenbar bekannt gewesen und sie werden unter der Hand ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Die Veröffentlichung der systematischen Erneuerung der Atomistik Epikurs durch Gassendi ist allerdings streng genommen erst vom Jahre 1649 zu datieren, obwohl schon lange vorher Gassendis Stellung in allen wissenschaft- lichen Kreisen bekannt und einflußreich war. Der wichtigste 1 Exerc. parad. Lib. I, Hagae com. 1646, Praefatio. Vgl. Gassendis Briefe
vom April und Juni 1621, Op. T. VI, 2. Gassendi: Exercitationes paradoxicae. tracht kommenden auf die Physik sich beziehenden Büchernur in ganz kurzer Inhaltsangabe erhalten sind.1 Es waren dies das dritte, vierte und fünfte Buch. Im dritten wurde von Gassendi das Vacuum eingeführt „oder vielmehr in die Natur zurückgeführt‟. Im vierten wird u. a. die aristotelische Ele- mentenlehre bekämpft, sowohl was Zahl, Eigenschaften und Verwandelbarkeit der Elemente, als was die Zusammensetzung der Mixta betrifft; über die letzteren handelt auch das fünfte Buch. Ein Hinweis auf die physikalischen Prinzipien Gassen- dis zu jener Zeit findet sich in Liber I, Exerc. V, c. 8, wo es heißt, Aristoteles beschuldige in De gen. et corr. I, 1 Empedokles ohne zureichenden Grund, daß er gesagt habe, die Elemente entstünden nicht wechselweise auseinander, und daß er die Komposita in die Elemente aufgelöst wissen wollte. „Aristoteles glaubt nämlich, daß hieraus der Übergang von Wasser in Erde folge. Aber warum?‟ In cap. 2, fährt Gassendi fort, beur- teile er den Demokrit und Leukipp unzureichend, ebenso wie andre Philosophen, welche das Entstehen durch Ansammlung geschehen lassen, wenn er als Grund angibt, daß das Konti- nuum nicht aus Unteilbaren zusammengesetzt werden könnte; denn während jene von der Unmöglichkeit physikalischer Tei- lung sprächen, streite Aristoteles über die mathematische. Und was in aller Welt soll jene Vierteilung der primären Qua- litäten?! Wie unpassend und unzureichend sind die Definitio- nen derselben! Wie lächerlich, die Vierzahl der Elemente auf die vierfache Kombination der Qualitäten zu gründen!‟ In dieser lebhaften und energischen Weise eifert Gassendi weiter, doch beruft er sich für eingehendere Begründung seiner Ein- würfe immer auf spätere Ausführungen, die uns leider nicht erhalten worden sind. Seinen Freunden sind dieselben offenbar bekannt gewesen und sie werden unter der Hand ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Die Veröffentlichung der systematischen Erneuerung der Atomistik Epikurs durch Gassendi ist allerdings streng genommen erst vom Jahre 1649 zu datieren, obwohl schon lange vorher Gassendis Stellung in allen wissenschaft- lichen Kreisen bekannt und einflußreich war. Der wichtigste 1 Exerc. parad. Lib. I, Hagae com. 1646, Praefatio. Vgl. Gassendis Briefe
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Gassendi: Exercitationes paradoxicae.
tracht kommenden auf die Physik sich beziehenden Bücher
nur in ganz kurzer Inhaltsangabe erhalten sind. 1 Es waren
dies das dritte, vierte und fünfte Buch. Im dritten wurde von
Gassendi das Vacuum eingeführt „oder vielmehr in die Natur
zurückgeführt‟. Im vierten wird u. a. die aristotelische Ele-
mentenlehre bekämpft, sowohl was Zahl, Eigenschaften und
Verwandelbarkeit der Elemente, als was die Zusammensetzung
der Mixta betrifft; über die letzteren handelt auch das fünfte
Buch. Ein Hinweis auf die physikalischen Prinzipien Gassen-
dis zu jener Zeit findet sich in Liber I, Exerc. V, c. 8, wo es
heißt, Aristoteles beschuldige in De gen. et corr. I, 1 Empedokles
ohne zureichenden Grund, daß er gesagt habe, die Elemente
entstünden nicht wechselweise auseinander, und daß er die
Komposita in die Elemente aufgelöst wissen wollte. „Aristoteles
glaubt nämlich, daß hieraus der Übergang von Wasser in Erde
folge. Aber warum?‟ In cap. 2, fährt Gassendi fort, beur-
teile er den Demokrit und Leukipp unzureichend, ebenso wie
andre Philosophen, welche das Entstehen durch Ansammlung
geschehen lassen, wenn er als Grund angibt, daß das Konti-
nuum nicht aus Unteilbaren zusammengesetzt werden könnte;
denn während jene von der Unmöglichkeit physikalischer Tei-
lung sprächen, streite Aristoteles über die mathematische.
Und was in aller Welt soll jene Vierteilung der primären Qua-
litäten?! Wie unpassend und unzureichend sind die Definitio-
nen derselben! Wie lächerlich, die Vierzahl der Elemente auf
die vierfache Kombination der Qualitäten zu gründen!‟ In
dieser lebhaften und energischen Weise eifert Gassendi weiter,
doch beruft er sich für eingehendere Begründung seiner Ein-
würfe immer auf spätere Ausführungen, die uns leider nicht
erhalten worden sind. Seinen Freunden sind dieselben offenbar
bekannt gewesen und sie werden unter der Hand ihre Wirkung
nicht verfehlt haben. Die Veröffentlichung der systematischen
Erneuerung der Atomistik Epikurs durch Gassendi ist allerdings
streng genommen erst vom Jahre 1649 zu datieren, obwohl
schon lange vorher Gassendis Stellung in allen wissenschaft-
lichen Kreisen bekannt und einflußreich war. Der wichtigste
1 Exerc. parad. Lib. I, Hagae com. 1646, Praefatio. Vgl. Gassendis Briefe
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