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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Wirkungen des Verbots der Atomistik.
übertriebenen Drohungen1 konnten freilich die Überzeugung
der Denker nicht beugen, aber wohl hinderten sie vorläufig die
öffentliche Verteidigung und damit auch in gewisser Hinsicht
die Ausbreitung und den rascheren Ausbau der antiperipate-
tischen Lehrsätze und Systeme. Vermutlich hätte ohne diese
offizielle Hemmung die Erneuerung der Korpuskularphilosophie
um ein Vierteljahrhundert sich beschleunigt und wäre als eine
unmittelbare Folge des Buches von Basso aufgetreten, unter
dessen Einflusse die Thesen von de Claves sichtlich stehen.
So aber sahen die Anhänger der Korpuskulartheorie sich ge-
nötigt, ihre Ansichten im stillen und nur im Gespräch mit den
nächsten Freunden zu entwickeln. Berigard (1578--1663),
dessen Neigungen entschieden auf dieser Seite lagen, verließ
1628 Paris, um einem Rufe nach Pisa zu folgen, wo er aller-
dings seine von Aristoteles abweichenden Ansichten noch
sorgfältiger verbergen mußte und nur unter der Maske des
Dialoges2 aussprechen konnte. In demselben Jahre schied
Descartes, welcher sich 1623 nur vorübergehend, dann wieder
1626 in Paris aufhielt, aus dem Zentrum des wissenschaftlichen
Lebens, um seine weitgehenden reformatorischen Pläne lang-
sam reifen zu lassen. Auch Gassendi unterdrückte auf den
Rat seiner Freunde den größten Teil seiner Bemerkungen
gegen Aristoteles und ließ 1624 nur die beiden ersten Bücher
seiner "paradoxen Übungen" erscheinen.3

Schon hier ist Gassendi vermutlich für die Atomistik ein-
getreten, wenn uns auch gerade die für unsren Zweck in Be-

1 Es wäre interessant festzustellen, ob noch weitere Strafmandate auf
Grund jenes Verbots ergangen sind. Harsdörffer, der Fortsetzer von
Schwenters Math.-philosophischen Erquickstunden (II. Teil zuerst Nürnberg 1651),
sagt daselbst (Nürnberg 1677, 11. T. Vorrede 430), es werde im Mercure francois
gelesen, daß zu Paris 1627 Einer des Landes verwiesen worden, weil er
öffentlich verfocht, das Feuer sei kein Element. Es soll der gelehrte Gaffarel
gewesen sein. (Jacques Gaffarel 1601--1681.) Ich habe die Stelle im Mercure
francois
nicht gefunden. Vielleicht liegt eine Verwechslung mit de Claves
vor. Vgl. auch Schneider, Z. Gesch. d. Phys. im 17. Jhdt., G.-Pr. Ellwangen,
1884/85 S. 12.
2 Circuli Pisani, Utini 1643. Näheres im folgenden Abschnitt, S. 488 ff.
3 Exercitationes paradoxicae adversus Aristoteleos. In quibus praecipue
totius Peripateticae doctrinae fundamenta excutiantur. Opiniones vero aut
Novae aut ex vetustioribus obsoletae stabiliuntur. 1. Ed. 1624.

Wirkungen des Verbots der Atomistik.
übertriebenen Drohungen1 konnten freilich die Überzeugung
der Denker nicht beugen, aber wohl hinderten sie vorläufig die
öffentliche Verteidigung und damit auch in gewisser Hinsicht
die Ausbreitung und den rascheren Ausbau der antiperipate-
tischen Lehrsätze und Systeme. Vermutlich hätte ohne diese
offizielle Hemmung die Erneuerung der Korpuskularphilosophie
um ein Vierteljahrhundert sich beschleunigt und wäre als eine
unmittelbare Folge des Buches von Basso aufgetreten, unter
dessen Einflusse die Thesen von de Claves sichtlich stehen.
So aber sahen die Anhänger der Korpuskulartheorie sich ge-
nötigt, ihre Ansichten im stillen und nur im Gespräch mit den
nächsten Freunden zu entwickeln. Berigard (1578—1663),
dessen Neigungen entschieden auf dieser Seite lagen, verließ
1628 Paris, um einem Rufe nach Pisa zu folgen, wo er aller-
dings seine von Aristoteles abweichenden Ansichten noch
sorgfältiger verbergen mußte und nur unter der Maske des
Dialoges2 aussprechen konnte. In demselben Jahre schied
Descartes, welcher sich 1623 nur vorübergehend, dann wieder
1626 in Paris aufhielt, aus dem Zentrum des wissenschaftlichen
Lebens, um seine weitgehenden reformatorischen Pläne lang-
sam reifen zu lassen. Auch Gassendi unterdrückte auf den
Rat seiner Freunde den größten Teil seiner Bemerkungen
gegen Aristoteles und ließ 1624 nur die beiden ersten Bücher
seiner „paradoxen Übungen‟ erscheinen.3

Schon hier ist Gassendi vermutlich für die Atomistik ein-
getreten, wenn uns auch gerade die für unsren Zweck in Be-

1 Es wäre interessant festzustellen, ob noch weitere Strafmandate auf
Grund jenes Verbots ergangen sind. Harsdörffer, der Fortsetzer von
Schwenters Math.-philosophischen Erquickstunden (II. Teil zuerst Nürnberg 1651),
sagt daselbst (Nürnberg 1677, 11. T. Vorrede 430), es werde im Mercure françois
gelesen, daß zu Paris 1627 Einer des Landes verwiesen worden, weil er
öffentlich verfocht, das Feuer sei kein Element. Es soll der gelehrte Gaffarel
gewesen sein. (Jacques Gaffarel 1601—1681.) Ich habe die Stelle im Mercure
françois
nicht gefunden. Vielleicht liegt eine Verwechslung mit de Claves
vor. Vgl. auch Schneider, Z. Gesch. d. Phys. im 17. Jhdt., G.-Pr. Ellwangen,
1884/85 S. 12.
2 Circuli Pisani, Utini 1643. Näheres im folgenden Abschnitt, S. 488 ff.
3 Exercitationes paradoxicae adversus Aristoteleos. In quibus praecipue
totius Peripateticae doctrinae fundamenta excutiantur. Opiniones vero aut
Novae aut ex vetustioribus obsoletae stabiliuntur. 1. Ed. 1624.
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[485/0503] Wirkungen des Verbots der Atomistik. übertriebenen Drohungen 1 konnten freilich die Überzeugung der Denker nicht beugen, aber wohl hinderten sie vorläufig die öffentliche Verteidigung und damit auch in gewisser Hinsicht die Ausbreitung und den rascheren Ausbau der antiperipate- tischen Lehrsätze und Systeme. Vermutlich hätte ohne diese offizielle Hemmung die Erneuerung der Korpuskularphilosophie um ein Vierteljahrhundert sich beschleunigt und wäre als eine unmittelbare Folge des Buches von Basso aufgetreten, unter dessen Einflusse die Thesen von de Claves sichtlich stehen. So aber sahen die Anhänger der Korpuskulartheorie sich ge- nötigt, ihre Ansichten im stillen und nur im Gespräch mit den nächsten Freunden zu entwickeln. Berigard (1578—1663), dessen Neigungen entschieden auf dieser Seite lagen, verließ 1628 Paris, um einem Rufe nach Pisa zu folgen, wo er aller- dings seine von Aristoteles abweichenden Ansichten noch sorgfältiger verbergen mußte und nur unter der Maske des Dialoges 2 aussprechen konnte. In demselben Jahre schied Descartes, welcher sich 1623 nur vorübergehend, dann wieder 1626 in Paris aufhielt, aus dem Zentrum des wissenschaftlichen Lebens, um seine weitgehenden reformatorischen Pläne lang- sam reifen zu lassen. Auch Gassendi unterdrückte auf den Rat seiner Freunde den größten Teil seiner Bemerkungen gegen Aristoteles und ließ 1624 nur die beiden ersten Bücher seiner „paradoxen Übungen‟ erscheinen. 3 Schon hier ist Gassendi vermutlich für die Atomistik ein- getreten, wenn uns auch gerade die für unsren Zweck in Be- 1 Es wäre interessant festzustellen, ob noch weitere Strafmandate auf Grund jenes Verbots ergangen sind. Harsdörffer, der Fortsetzer von Schwenters Math.-philosophischen Erquickstunden (II. Teil zuerst Nürnberg 1651), sagt daselbst (Nürnberg 1677, 11. T. Vorrede 430), es werde im Mercure françois gelesen, daß zu Paris 1627 Einer des Landes verwiesen worden, weil er öffentlich verfocht, das Feuer sei kein Element. Es soll der gelehrte Gaffarel gewesen sein. (Jacques Gaffarel 1601—1681.) Ich habe die Stelle im Mercure françois nicht gefunden. Vielleicht liegt eine Verwechslung mit de Claves vor. Vgl. auch Schneider, Z. Gesch. d. Phys. im 17. Jhdt., G.-Pr. Ellwangen, 1884/85 S. 12. 2 Circuli Pisani, Utini 1643. Näheres im folgenden Abschnitt, S. 488 ff. 3 Exercitationes paradoxicae adversus Aristoteleos. In quibus praecipue totius Peripateticae doctrinae fundamenta excutiantur. Opiniones vero aut Novae aut ex vetustioribus obsoletae stabiliuntur. 1. Ed. 1624.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/503>, abgerufen am 23.11.2024.