existiert lediglich zwischen kontinuierlichen Punkten. Nach der Natur der Atome kann es nur parallele und dazu genau senk- rechte gerade Linien geben.1
Was endlich die von einem Mittelpunkte nach den Peri- pheriepunkten verschiedener konzentrischer Kreise gezogenen Radien anbetrifft, so ist zu bemerken, daß diese Radien, von außen nach der Mitte zu verfolgt, zum Teil ineinanderfallen, ehe sie das Centrum erreichen. (S. Lubin S. 409).
Ob die letzten Teile der Materie kleine Körper, wie bei Demokrit, oder Flächen, wie bei Platon sind, wagt Basso nicht mit Sicherheit zu entscheiden; jedenfalls sind sie einerseits unteilbar, andrerseits verschiedener Natur, so daß Basso sich nicht bloß mit Demokrit und Platon, sondern auch mit Empe- dokles in Übereinstimmung glaubt.2
In diesen Bemühungen Bassos, die mathematische Ato- mistik zu verteidigen, liegt dieselbe Unklarheit, wie bei Gior- dano Bruno, an dessen Atomistik die bassonische, allerdings nicht in ihrem metaphysischen Ausgangspunkte, aber in ihrem physikalischen Resultate erinnert, nur daß bei Basso eine un- gleich tiefere Kenntnis physikalischer Fragen und ein viel leb- hafteres Interesse für dieselben die ganze Entwickelung trägt. Dafür fällt bei ihm der Grund zur Übertragung des Atombe- griffs auf den Raum fort, welcher für Bruno in dem erkennt- nistheoretischen Zwang des Monadenbegriffs vorlag. Aber gemeinsam ist beiden, wie auch Bodin, die Vorstellung, daß die Atome quasi nur den großen Weltenstaub vorstellen, wel- chen die Bewegung des Äthers erst gestaltet, und daß dieser Äther zugleich als Vacuum wie als Weltseele, räumlich um- fassend und motorisch bildend zu denken ist. Wenn nun ein solcher Weltäther existiert, so existiert doch offenbar ein Kon- tinuum, und es bleibt deshalb nebensächlich und überflüssig, die mathematischen Figuren aus diskontinuierlichen Punkten zu konstruieren.
Die Konfundierung von Atomistik und Fluiditätstheorie, welche darin liegt, zwar die Partikeln der greifbaren Körper als unveränderlich, daneben aber einen kontinuierlichen, flüs- sigen Äther unter dem Namen Aer oder Spiritus anzunehmen,
1 A. a. O. p. 372--375.
2 A. a. O. p. 383.
Basso: Atome und Ather.
existiert lediglich zwischen kontinuierlichen Punkten. Nach der Natur der Atome kann es nur parallele und dazu genau senk- rechte gerade Linien geben.1
Was endlich die von einem Mittelpunkte nach den Peri- pheriepunkten verschiedener konzentrischer Kreise gezogenen Radien anbetrifft, so ist zu bemerken, daß diese Radien, von außen nach der Mitte zu verfolgt, zum Teil ineinanderfallen, ehe sie das Centrum erreichen. (S. Lubin S. 409).
Ob die letzten Teile der Materie kleine Körper, wie bei Demokrit, oder Flächen, wie bei Platon sind, wagt Basso nicht mit Sicherheit zu entscheiden; jedenfalls sind sie einerseits unteilbar, andrerseits verschiedener Natur, so daß Basso sich nicht bloß mit Demokrit und Platon, sondern auch mit Empe- dokles in Übereinstimmung glaubt.2
In diesen Bemühungen Bassos, die mathematische Ato- mistik zu verteidigen, liegt dieselbe Unklarheit, wie bei Gior- dano Bruno, an dessen Atomistik die bassonische, allerdings nicht in ihrem metaphysischen Ausgangspunkte, aber in ihrem physikalischen Resultate erinnert, nur daß bei Basso eine un- gleich tiefere Kenntnis physikalischer Fragen und ein viel leb- hafteres Interesse für dieselben die ganze Entwickelung trägt. Dafür fällt bei ihm der Grund zur Übertragung des Atombe- griffs auf den Raum fort, welcher für Bruno in dem erkennt- nistheoretischen Zwang des Monadenbegriffs vorlag. Aber gemeinsam ist beiden, wie auch Bodin, die Vorstellung, daß die Atome quasi nur den großen Weltenstaub vorstellen, wel- chen die Bewegung des Äthers erst gestaltet, und daß dieser Äther zugleich als Vacuum wie als Weltseele, räumlich um- fassend und motorisch bildend zu denken ist. Wenn nun ein solcher Weltäther existiert, so existiert doch offenbar ein Kon- tinuum, und es bleibt deshalb nebensächlich und überflüssig, die mathematischen Figuren aus diskontinuierlichen Punkten zu konstruieren.
Die Konfundierung von Atomistik und Fluiditätstheorie, welche darin liegt, zwar die Partikeln der greifbaren Körper als unveränderlich, daneben aber einen kontinuierlichen, flüs- sigen Äther unter dem Namen Aër oder Spiritus anzunehmen,
1 A. a. O. p. 372—375.
2 A. a. O. p. 383.
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Basso: Atome und Ather.
existiert lediglich zwischen kontinuierlichen Punkten. Nach der
Natur der Atome kann es nur parallele und dazu genau senk-
rechte gerade Linien geben. 1
Was endlich die von einem Mittelpunkte nach den Peri-
pheriepunkten verschiedener konzentrischer Kreise gezogenen
Radien anbetrifft, so ist zu bemerken, daß diese Radien, von
außen nach der Mitte zu verfolgt, zum Teil ineinanderfallen,
ehe sie das Centrum erreichen. (S. Lubin S. 409).
Ob die letzten Teile der Materie kleine Körper, wie bei
Demokrit, oder Flächen, wie bei Platon sind, wagt Basso nicht
mit Sicherheit zu entscheiden; jedenfalls sind sie einerseits
unteilbar, andrerseits verschiedener Natur, so daß Basso sich
nicht bloß mit Demokrit und Platon, sondern auch mit Empe-
dokles in Übereinstimmung glaubt. 2
In diesen Bemühungen Bassos, die mathematische Ato-
mistik zu verteidigen, liegt dieselbe Unklarheit, wie bei Gior-
dano Bruno, an dessen Atomistik die bassonische, allerdings
nicht in ihrem metaphysischen Ausgangspunkte, aber in ihrem
physikalischen Resultate erinnert, nur daß bei Basso eine un-
gleich tiefere Kenntnis physikalischer Fragen und ein viel leb-
hafteres Interesse für dieselben die ganze Entwickelung trägt.
Dafür fällt bei ihm der Grund zur Übertragung des Atombe-
griffs auf den Raum fort, welcher für Bruno in dem erkennt-
nistheoretischen Zwang des Monadenbegriffs vorlag. Aber
gemeinsam ist beiden, wie auch Bodin, die Vorstellung, daß
die Atome quasi nur den großen Weltenstaub vorstellen, wel-
chen die Bewegung des Äthers erst gestaltet, und daß dieser
Äther zugleich als Vacuum wie als Weltseele, räumlich um-
fassend und motorisch bildend zu denken ist. Wenn nun ein
solcher Weltäther existiert, so existiert doch offenbar ein Kon-
tinuum, und es bleibt deshalb nebensächlich und überflüssig,
die mathematischen Figuren aus diskontinuierlichen Punkten
zu konstruieren.
Die Konfundierung von Atomistik und Fluiditätstheorie,
welche darin liegt, zwar die Partikeln der greifbaren Körper
als unveränderlich, daneben aber einen kontinuierlichen, flüs-
sigen Äther unter dem Namen Aër oder Spiritus anzunehmen,
1 A. a. O. p. 372—375.
2 A. a. O. p. 383.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/496>, abgerufen am 22.11.2024.
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