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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Basso: Bewegung.
Dinge bester und edelster Teil, durch welchen das All eins ist.1
Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß derselbe
Gedankengang, welchen Basso hier klar legt, auch Francis
Bacons
eigentümliche Stellung zur Atomistik beherrschte.

Mit Hilfe dieses Spiritus als Bindemittels der Atome und
mit Hilfe der aus Elementaratomen zusammengesetzten Molekeln
vollendet sich nun die atomistische Erklärung der Natur. Der
allgemeine Äther, welcher mit den Elementen verbunden ist,
teilt ihnen einen doppelten Trieb mit, einerseits das Bestreben
nach Verbindung des Ähnlichen, andrerseits den Antrieb, den
ihrer Natur zukommenden Raum und Ort zu bewahren und zu
erreichen. Dadurch entstehen zwei Arten der Bewegung, die
Anziehung des Ähnlichen (durch Zuneigung, nicht Gewalt) und
die Vertreibung des Fremden. Diese Bewegungen finden so-
wohl unter den großen Körpern als unter ihren kleinsten
Teilchen statt.2 So wird z. B. das Fließen des Wassers erklärt
durch ein Zusammenziehen und dadurch hervorgerufenes Aus-
einanderschnellen der Teilchen in den Molekeln, so daß die
Fortbewegung ähnlich wie bei den Würmern und Schlangen
geschieht.3 Indem sich Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und
Trockenheit, diese vier primären Qualitäten, lediglich auf diese
Ortsbewegung der Teile zurückführen lassen, ist nunmehr ge-
zeigt, daß überhaupt alle Vorgänge auf einer solchen Orts-
bewegung beruhen
.4

Dies ist die Atomistik Bassos, das erste vollständig aus-
gebildete System der Korpuskularphilosophie insofern, als die
Korpuskulartheorie Sennerts von 1619 an Ausführlichkeit und
Konsequenz hinter der bassonischen zurückbleibt. Bevor jedoch
über den Charakter derselben geurteilt wird, ist noch einiges
nachzutragen über das Bestreben Bassos, die sogenannten ma-
thematischen Einwände gegen die Atomistik zu widerlegen,
ein Bestreben, das wir auch bei Bruno und Lubin wahrge-
nommen haben.

Seine Kenntnis dieser Einwände hat Basso aus dem Kom-
mentar des Toletus zur aristotelischen Physik geschöpft. Da
dieselben schon wiederholt zu besprechen waren, beschränken

1 A. a. O. p. 306.
2 A. a. O. De actione et quatuor primis qualitatibus liber. p. 391.
3 A. a. O. p. 384.
4 A. a. O. p. 387.

Basso: Bewegung.
Dinge bester und edelster Teil, durch welchen das All eins ist.1
Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß derselbe
Gedankengang, welchen Basso hier klar legt, auch Francis
Bacons
eigentümliche Stellung zur Atomistik beherrschte.

Mit Hilfe dieses Spiritus als Bindemittels der Atome und
mit Hilfe der aus Elementaratomen zusammengesetzten Molekeln
vollendet sich nun die atomistische Erklärung der Natur. Der
allgemeine Äther, welcher mit den Elementen verbunden ist,
teilt ihnen einen doppelten Trieb mit, einerseits das Bestreben
nach Verbindung des Ähnlichen, andrerseits den Antrieb, den
ihrer Natur zukommenden Raum und Ort zu bewahren und zu
erreichen. Dadurch entstehen zwei Arten der Bewegung, die
Anziehung des Ähnlichen (durch Zuneigung, nicht Gewalt) und
die Vertreibung des Fremden. Diese Bewegungen finden so-
wohl unter den großen Körpern als unter ihren kleinsten
Teilchen statt.2 So wird z. B. das Fließen des Wassers erklärt
durch ein Zusammenziehen und dadurch hervorgerufenes Aus-
einanderschnellen der Teilchen in den Molekeln, so daß die
Fortbewegung ähnlich wie bei den Würmern und Schlangen
geschieht.3 Indem sich Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und
Trockenheit, diese vier primären Qualitäten, lediglich auf diese
Ortsbewegung der Teile zurückführen lassen, ist nunmehr ge-
zeigt, daß überhaupt alle Vorgänge auf einer solchen Orts-
bewegung beruhen
.4

Dies ist die Atomistik Bassos, das erste vollständig aus-
gebildete System der Korpuskularphilosophie insofern, als die
Korpuskulartheorie Sennerts von 1619 an Ausführlichkeit und
Konsequenz hinter der bassonischen zurückbleibt. Bevor jedoch
über den Charakter derselben geurteilt wird, ist noch einiges
nachzutragen über das Bestreben Bassos, die sogenannten ma-
thematischen Einwände gegen die Atomistik zu widerlegen,
ein Bestreben, das wir auch bei Bruno und Lubin wahrge-
nommen haben.

Seine Kenntnis dieser Einwände hat Basso aus dem Kom-
mentar des Toletus zur aristotelischen Physik geschöpft. Da
dieselben schon wiederholt zu besprechen waren, beschränken

1 A. a. O. p. 306.
2 A. a. O. De actione et quatuor primis qualitatibus liber. p. 391.
3 A. a. O. p. 384.
4 A. a. O. p. 387.
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[476/0494] Basso: Bewegung. Dinge bester und edelster Teil, durch welchen das All eins ist. 1 Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß derselbe Gedankengang, welchen Basso hier klar legt, auch Francis Bacons eigentümliche Stellung zur Atomistik beherrschte. Mit Hilfe dieses Spiritus als Bindemittels der Atome und mit Hilfe der aus Elementaratomen zusammengesetzten Molekeln vollendet sich nun die atomistische Erklärung der Natur. Der allgemeine Äther, welcher mit den Elementen verbunden ist, teilt ihnen einen doppelten Trieb mit, einerseits das Bestreben nach Verbindung des Ähnlichen, andrerseits den Antrieb, den ihrer Natur zukommenden Raum und Ort zu bewahren und zu erreichen. Dadurch entstehen zwei Arten der Bewegung, die Anziehung des Ähnlichen (durch Zuneigung, nicht Gewalt) und die Vertreibung des Fremden. Diese Bewegungen finden so- wohl unter den großen Körpern als unter ihren kleinsten Teilchen statt. 2 So wird z. B. das Fließen des Wassers erklärt durch ein Zusammenziehen und dadurch hervorgerufenes Aus- einanderschnellen der Teilchen in den Molekeln, so daß die Fortbewegung ähnlich wie bei den Würmern und Schlangen geschieht. 3 Indem sich Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit, diese vier primären Qualitäten, lediglich auf diese Ortsbewegung der Teile zurückführen lassen, ist nunmehr ge- zeigt, daß überhaupt alle Vorgänge auf einer solchen Orts- bewegung beruhen. 4 Dies ist die Atomistik Bassos, das erste vollständig aus- gebildete System der Korpuskularphilosophie insofern, als die Korpuskulartheorie Sennerts von 1619 an Ausführlichkeit und Konsequenz hinter der bassonischen zurückbleibt. Bevor jedoch über den Charakter derselben geurteilt wird, ist noch einiges nachzutragen über das Bestreben Bassos, die sogenannten ma- thematischen Einwände gegen die Atomistik zu widerlegen, ein Bestreben, das wir auch bei Bruno und Lubin wahrge- nommen haben. Seine Kenntnis dieser Einwände hat Basso aus dem Kom- mentar des Toletus zur aristotelischen Physik geschöpft. Da dieselben schon wiederholt zu besprechen waren, beschränken 1 A. a. O. p. 306. 2 A. a. O. De actione et quatuor primis qualitatibus liber. p. 391. 3 A. a. O. p. 384. 4 A. a. O. p. 387.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/494>, abgerufen am 25.11.2024.