Von dieser Atomistik macht Gorlaeus eine Anwendung zur Erklärung der Verdichtung und Verdünnung. Die Körper verdünnen sich, wenn die Atome sich voneinander trennen und Luft zwischen dieselben tritt. Bei der Verdichtung wird die Luft wieder ausgetrieben. Die Luft selbst werde daher irrtümlich als dünn bezeichnet, nur Erde, Wasser und die ge- mischten Körper können verdichtet und verdünnt werden. Auf diese Erklärung legt Gorlaeus besondern Wert, denn er fügt hinzu, daß er noch keine Erklärung kennen gelernt habe, wie Verdichtung und Verdünnung stattfinden könnten.1
Die Frage nach der Möglichkeit der Ausdehnung und Zu- sammenziehung der Körper gehört in der That zu den Fun- damentalproblemen, an welchen die Atomistik ansetzt, und bildet eines der Hauptmotive derselben. Daß bei Gorlaeus der Luft im Gegensatze zu den offenbaren Ergebnissen der Erfah- rung keine Verdünnbarkeit zugeschrieben wird, darauf braucht kein besonderes Gewicht gelegt zu werden, weil die Luft, welche hier die Rolle des raumausfüllenden Äthers spielt, nicht mit der empirischen atmosphärischen Luft identifiziert zu werden braucht. Spätere, so namentlich Descartes, sahen daher die Luft ebenfalls als ein Gemisch aus zwei, ja selbst aus mehreren Stoffen an. Wenn der leere Raum nicht zugegeben wird, so bedarf die Atomistik unter allen Umständen eines derartigen, die Poren der Körper ausfüllenden fluiden Stoffes. Die Schwie- rigkeit, einen solchen Stoff vorzustellen, welcher entweder kontinuierlich gedacht werden muß und damit die Atomistik aufhebt, oder, wenn er selbst aus Atomen besteht, die Frage ins Unendliche verschiebt, diese Schwierigkeit, der auch Des- cartes sich vergebens zu entziehen trachtet, tritt bei Gorlaeus noch nicht bewußt hervor. Man muß jedoch seinen allge- meinen Grundsätzen gemäß annehmen, daß er die Luft sich ebenfalls aus Atomen, aber aus kontinuierlichen Atomen, welche den Raum ganz ausfüllen, konstituiert dachte.2 Wie alsdann die Bewegung möglich sein soll, hat er nicht näher erwogen. Dagegen war er sich ganz klar darüber, daß die Frage der Verdichtung notwendig zur Atomistik führt und nur durch
1 A. a. O. p. 249. p. 31. Id. ph. p. 24.
2Id. phys. p. 33.
Gorlaeus: Verdichtung und Verdünnung.
Von dieser Atomistik macht Gorlaeus eine Anwendung zur Erklärung der Verdichtung und Verdünnung. Die Körper verdünnen sich, wenn die Atome sich voneinander trennen und Luft zwischen dieselben tritt. Bei der Verdichtung wird die Luft wieder ausgetrieben. Die Luft selbst werde daher irrtümlich als dünn bezeichnet, nur Erde, Wasser und die ge- mischten Körper können verdichtet und verdünnt werden. Auf diese Erklärung legt Gorlaeus besondern Wert, denn er fügt hinzu, daß er noch keine Erklärung kennen gelernt habe, wie Verdichtung und Verdünnung stattfinden könnten.1
Die Frage nach der Möglichkeit der Ausdehnung und Zu- sammenziehung der Körper gehört in der That zu den Fun- damentalproblemen, an welchen die Atomistik ansetzt, und bildet eines der Hauptmotive derselben. Daß bei Gorlaeus der Luft im Gegensatze zu den offenbaren Ergebnissen der Erfah- rung keine Verdünnbarkeit zugeschrieben wird, darauf braucht kein besonderes Gewicht gelegt zu werden, weil die Luft, welche hier die Rolle des raumausfüllenden Äthers spielt, nicht mit der empirischen atmosphärischen Luft identifiziert zu werden braucht. Spätere, so namentlich Descartes, sahen daher die Luft ebenfalls als ein Gemisch aus zwei, ja selbst aus mehreren Stoffen an. Wenn der leere Raum nicht zugegeben wird, so bedarf die Atomistik unter allen Umständen eines derartigen, die Poren der Körper ausfüllenden fluiden Stoffes. Die Schwie- rigkeit, einen solchen Stoff vorzustellen, welcher entweder kontinuierlich gedacht werden muß und damit die Atomistik aufhebt, oder, wenn er selbst aus Atomen besteht, die Frage ins Unendliche verschiebt, diese Schwierigkeit, der auch Des- cartes sich vergebens zu entziehen trachtet, tritt bei Gorlaeus noch nicht bewußt hervor. Man muß jedoch seinen allge- meinen Grundsätzen gemäß annehmen, daß er die Luft sich ebenfalls aus Atomen, aber aus kontinuierlichen Atomen, welche den Raum ganz ausfüllen, konstituiert dachte.2 Wie alsdann die Bewegung möglich sein soll, hat er nicht näher erwogen. Dagegen war er sich ganz klar darüber, daß die Frage der Verdichtung notwendig zur Atomistik führt und nur durch
1 A. a. O. p. 249. p. 31. Id. ph. p. 24.
2Id. phys. p. 33.
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Gorlaeus: Verdichtung und Verdünnung.
Von dieser Atomistik macht Gorlaeus eine Anwendung
zur Erklärung der Verdichtung und Verdünnung. Die Körper
verdünnen sich, wenn die Atome sich voneinander trennen
und Luft zwischen dieselben tritt. Bei der Verdichtung wird
die Luft wieder ausgetrieben. Die Luft selbst werde daher
irrtümlich als dünn bezeichnet, nur Erde, Wasser und die ge-
mischten Körper können verdichtet und verdünnt werden. Auf
diese Erklärung legt Gorlaeus besondern Wert, denn er fügt
hinzu, daß er noch keine Erklärung kennen gelernt habe, wie
Verdichtung und Verdünnung stattfinden könnten. 1
Die Frage nach der Möglichkeit der Ausdehnung und Zu-
sammenziehung der Körper gehört in der That zu den Fun-
damentalproblemen, an welchen die Atomistik ansetzt, und
bildet eines der Hauptmotive derselben. Daß bei Gorlaeus der
Luft im Gegensatze zu den offenbaren Ergebnissen der Erfah-
rung keine Verdünnbarkeit zugeschrieben wird, darauf braucht
kein besonderes Gewicht gelegt zu werden, weil die Luft,
welche hier die Rolle des raumausfüllenden Äthers spielt, nicht
mit der empirischen atmosphärischen Luft identifiziert zu werden
braucht. Spätere, so namentlich Descartes, sahen daher die
Luft ebenfalls als ein Gemisch aus zwei, ja selbst aus mehreren
Stoffen an. Wenn der leere Raum nicht zugegeben wird, so
bedarf die Atomistik unter allen Umständen eines derartigen,
die Poren der Körper ausfüllenden fluiden Stoffes. Die Schwie-
rigkeit, einen solchen Stoff vorzustellen, welcher entweder
kontinuierlich gedacht werden muß und damit die Atomistik
aufhebt, oder, wenn er selbst aus Atomen besteht, die Frage
ins Unendliche verschiebt, diese Schwierigkeit, der auch Des-
cartes sich vergebens zu entziehen trachtet, tritt bei Gorlaeus
noch nicht bewußt hervor. Man muß jedoch seinen allge-
meinen Grundsätzen gemäß annehmen, daß er die Luft sich
ebenfalls aus Atomen, aber aus kontinuierlichen Atomen, welche
den Raum ganz ausfüllen, konstituiert dachte. 2 Wie alsdann
die Bewegung möglich sein soll, hat er nicht näher erwogen.
Dagegen war er sich ganz klar darüber, daß die Frage der
Verdichtung notwendig zur Atomistik führt und nur durch
1 A. a. O. p. 249. p. 31. Id. ph. p. 24.
2 Id. phys. p. 33.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/479>, abgerufen am 22.11.2024.
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