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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Sennert: Bedeutung seiner Korpuskulartheorie.
Sennert die zusammengesetzten Korpuskeln von den Elementar-
atomen wohl unterscheidet. Nur kommt es ihm viel weniger auf
die absoluten Atome und deren Bewegung an (weil er ja über-
haupt der rein materialistischen und mechanischen Weltan-
schauung des Demokrit und Epikur fern steht), sondern auf die
relativen Minima der Teilung, auf die Molekeln, die er zur Erklärung
der chemischen Vorgänge braucht. Daher bedarf es keiner weiteren
Diskussion der Atomistik Sennerts in Bezug auf ihren philoso-
phischen Wert; vielmehr liegt die Bedeutung derselben auf
Seiten der Geschichte der theoretischen Physik und Chemie. Hier
bereitet sie eine Festigung der Vorstellung über das Wesen des
Körpers vor, wodurch der Begriff des letzteren geeignet wird, zur
Grundlage einer mechanischen Naturerklärung zu dienen. Darum
ist die Korpuskulartheorie Sennerts ein maßgebender Wende-
punkt in der Entwickelung der theoretischen Naturwissenschaft;
ihre Wirkungen erstrecken sich durch ein ganzes Jahrhundert,
bis auch sie sich als unzulänglich erwies und Newton es vor-
zog, zu einer mystischen Kraft überzugehen und eine mathe-
matische Funktion zu hypostasieren.

3. Sennerts Quellen.

Der Gedankengang, welcher Sennert zur Aufstellung seiner
Korpuskulartheorie geführt hat, liegt ziemlich klar auf der
Hand. Es war das Bedürfnis nach einer anschaulicheren Er-
klärung des Vorgangs bei der chemischen Verbindung, welches
ihn zwang, die atomistische Hypothese hervorzusuchen. Als
Arzt und Schüler des Avicenna wurde Sennert Anhänger der
Lehre vom Beharren der Elemente in der Mischung. Bei Be-
sprechung dieser Frage ist schon erwähnt worden, daß sie not-
wendig zur Korpuskulartheorie führt. Daß bei der Mischung
erst eine Teilung in sehr kleine Teile und eine innige Berührung
der Partikeln stattfände, war schon von Aristoteles gelehrt
und allgemein anerkannt. Auch hier war wieder die unter
den Medizinern verbreitete Anschauung einflußreich, daß Ele-
ment
nicht bloß der einfache Stoff, sondern der kleinste
Teil des einfachsten Stoffes hieß. Indem sich nun Sennert
nach Autoritäten für das Beharren der Elementarteile um-

Sennert: Bedeutung seiner Korpuskulartheorie.
Sennert die zusammengesetzten Korpuskeln von den Elementar-
atomen wohl unterscheidet. Nur kommt es ihm viel weniger auf
die absoluten Atome und deren Bewegung an (weil er ja über-
haupt der rein materialistischen und mechanischen Weltan-
schauung des Demokrit und Epikur fern steht), sondern auf die
relativen Minima der Teilung, auf die Molekeln, die er zur Erklärung
der chemischen Vorgänge braucht. Daher bedarf es keiner weiteren
Diskussion der Atomistik Sennerts in Bezug auf ihren philoso-
phischen Wert; vielmehr liegt die Bedeutung derselben auf
Seiten der Geschichte der theoretischen Physik und Chemie. Hier
bereitet sie eine Festigung der Vorstellung über das Wesen des
Körpers vor, wodurch der Begriff des letzteren geeignet wird, zur
Grundlage einer mechanischen Naturerklärung zu dienen. Darum
ist die Korpuskulartheorie Sennerts ein maßgebender Wende-
punkt in der Entwickelung der theoretischen Naturwissenschaft;
ihre Wirkungen erstrecken sich durch ein ganzes Jahrhundert,
bis auch sie sich als unzulänglich erwies und Newton es vor-
zog, zu einer mystischen Kraft überzugehen und eine mathe-
matische Funktion zu hypostasieren.

3. Sennerts Quellen.

Der Gedankengang, welcher Sennert zur Aufstellung seiner
Korpuskulartheorie geführt hat, liegt ziemlich klar auf der
Hand. Es war das Bedürfnis nach einer anschaulicheren Er-
klärung des Vorgangs bei der chemischen Verbindung, welches
ihn zwang, die atomistische Hypothese hervorzusuchen. Als
Arzt und Schüler des Avicenna wurde Sennert Anhänger der
Lehre vom Beharren der Elemente in der Mischung. Bei Be-
sprechung dieser Frage ist schon erwähnt worden, daß sie not-
wendig zur Korpuskulartheorie führt. Daß bei der Mischung
erst eine Teilung in sehr kleine Teile und eine innige Berührung
der Partikeln stattfände, war schon von Aristoteles gelehrt
und allgemein anerkannt. Auch hier war wieder die unter
den Medizinern verbreitete Anschauung einflußreich, daß Ele-
ment
nicht bloß der einfache Stoff, sondern der kleinste
Teil des einfachsten Stoffes hieß. Indem sich nun Sennert
nach Autoritäten für das Beharren der Elementarteile um-

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[450/0468] Sennert: Bedeutung seiner Korpuskulartheorie. Sennert die zusammengesetzten Korpuskeln von den Elementar- atomen wohl unterscheidet. Nur kommt es ihm viel weniger auf die absoluten Atome und deren Bewegung an (weil er ja über- haupt der rein materialistischen und mechanischen Weltan- schauung des Demokrit und Epikur fern steht), sondern auf die relativen Minima der Teilung, auf die Molekeln, die er zur Erklärung der chemischen Vorgänge braucht. Daher bedarf es keiner weiteren Diskussion der Atomistik Sennerts in Bezug auf ihren philoso- phischen Wert; vielmehr liegt die Bedeutung derselben auf Seiten der Geschichte der theoretischen Physik und Chemie. Hier bereitet sie eine Festigung der Vorstellung über das Wesen des Körpers vor, wodurch der Begriff des letzteren geeignet wird, zur Grundlage einer mechanischen Naturerklärung zu dienen. Darum ist die Korpuskulartheorie Sennerts ein maßgebender Wende- punkt in der Entwickelung der theoretischen Naturwissenschaft; ihre Wirkungen erstrecken sich durch ein ganzes Jahrhundert, bis auch sie sich als unzulänglich erwies und Newton es vor- zog, zu einer mystischen Kraft überzugehen und eine mathe- matische Funktion zu hypostasieren. 3. Sennerts Quellen. Der Gedankengang, welcher Sennert zur Aufstellung seiner Korpuskulartheorie geführt hat, liegt ziemlich klar auf der Hand. Es war das Bedürfnis nach einer anschaulicheren Er- klärung des Vorgangs bei der chemischen Verbindung, welches ihn zwang, die atomistische Hypothese hervorzusuchen. Als Arzt und Schüler des Avicenna wurde Sennert Anhänger der Lehre vom Beharren der Elemente in der Mischung. Bei Be- sprechung dieser Frage ist schon erwähnt worden, daß sie not- wendig zur Korpuskulartheorie führt. Daß bei der Mischung erst eine Teilung in sehr kleine Teile und eine innige Berührung der Partikeln stattfände, war schon von Aristoteles gelehrt und allgemein anerkannt. Auch hier war wieder die unter den Medizinern verbreitete Anschauung einflußreich, daß Ele- ment nicht bloß der einfache Stoff, sondern der kleinste Teil des einfachsten Stoffes hieß. Indem sich nun Sennert nach Autoritäten für das Beharren der Elementarteile um-

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/468>, abgerufen am 25.11.2024.