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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Bacon: Die Spiritus.
men nicht für sich allein, sondern immer von den greifbaren
Körpern eingeschlossen vor und werden gewöhnlich Spiritus
genannt. Sie kommen am nächsten der Natur der Ausdünstun-
gen, welche vom Weine oder Salze aufsteigen und zerfallen in
zwei Klassen, crudi und vivi. Die Spiritus crudi finden sich in
allen Körpern, die vivi nur in den belebten. Die dritte Klasse
der Pneumatica endlich, die pura, enthält nur die Luft und die
Flamme.

Kein Körper ist ohne spiritus, der an ihn gebunden ist.1
Denn die greifbaren Körper enthalten keinen leeren Raum,2
sondern entweder Luft oder einen ihnen eigentümlichen Spiri-
tus. Dieser Spiritus ist aber nicht irgend eine Fähigkeit (virtus)
oder Energie oder Entelechie oder dergleichen Unfug; sondern
durchaus ein dünner, unsichtbarer Körper, der aber
einen bestimmten Ort, Ausdehnung und Realität besitzt. Auch
ist dieser Körper nicht etwa wieder Luft, obwohl ein dünner,
der Luft verwandter Körper, dennoch aber weit von dieser
verschieden. Er ist unsichtbar und ungreifbar.3 Jedoch sind
die Spiritus selbst bald warm, bald kalt, thätig oder stumpf,
wäßrig oder ölig.

Diese Spiritus sind nun die eigentlichen Werkmeister der
materiellen Vorgänge, sie bewirken alles, was in den Körpern
vorgeht, die Ausdörrung und Zerbrechlichkeit derselben, die
Verflüssigung, das Verfaulen, die Zeugung. Wenn die Spiritus
aus dem Körper entweichen, so wird der Körper dadurch
dichter und härter, indem die greifbaren Teile sich zusammen-
ziehen, teils aus Scheu vor dem Vacuum, teils durch Ver-
einigung des Gleichartigen.4 Solche Körper sind dann aller-
dings leichter zerbrechlich, weil sie sich wegen der geringen
Menge an Spiritus nicht gut ausdehnen können. Bei der Er-
wärmung können sich aber auch die Spiritus ausdehnen, ohne
den Körper zu verlassen, und unter diesen Umständen bewir-
ken sie die Schmelzung der Körper.

Wir folgen Bacon nicht weiter in seinen Betrachtungen
über die Wirksamkeit der Spiritus, weil dieselben zu viel des

1 Hist. densi et rari p. 127. Canones mobiles 12.
2 Hist. vitae et mortis T. III. p. 180.
3 N. O. II, 40. T. II p. 256.
4 Nov. Org. II, 48. T. II. p. 298, 299.

Bacon: Die Spiritus.
men nicht für sich allein, sondern immer von den greifbaren
Körpern eingeschlossen vor und werden gewöhnlich Spiritus
genannt. Sie kommen am nächsten der Natur der Ausdünstun-
gen, welche vom Weine oder Salze aufsteigen und zerfallen in
zwei Klassen, crudi und vivi. Die Spiritus crudi finden sich in
allen Körpern, die vivi nur in den belebten. Die dritte Klasse
der Pneumatica endlich, die pura, enthält nur die Luft und die
Flamme.

Kein Körper ist ohne spiritus, der an ihn gebunden ist.1
Denn die greifbaren Körper enthalten keinen leeren Raum,2
sondern entweder Luft oder einen ihnen eigentümlichen Spiri-
tus. Dieser Spiritus ist aber nicht irgend eine Fähigkeit (virtus)
oder Energie oder Entelechie oder dergleichen Unfug; sondern
durchaus ein dünner, unsichtbarer Körper, der aber
einen bestimmten Ort, Ausdehnung und Realität besitzt. Auch
ist dieser Körper nicht etwa wieder Luft, obwohl ein dünner,
der Luft verwandter Körper, dennoch aber weit von dieser
verschieden. Er ist unsichtbar und ungreifbar.3 Jedoch sind
die Spiritus selbst bald warm, bald kalt, thätig oder stumpf,
wäßrig oder ölig.

Diese Spiritus sind nun die eigentlichen Werkmeister der
materiellen Vorgänge, sie bewirken alles, was in den Körpern
vorgeht, die Ausdörrung und Zerbrechlichkeit derselben, die
Verflüssigung, das Verfaulen, die Zeugung. Wenn die Spiritus
aus dem Körper entweichen, so wird der Körper dadurch
dichter und härter, indem die greifbaren Teile sich zusammen-
ziehen, teils aus Scheu vor dem Vacuum, teils durch Ver-
einigung des Gleichartigen.4 Solche Körper sind dann aller-
dings leichter zerbrechlich, weil sie sich wegen der geringen
Menge an Spiritus nicht gut ausdehnen können. Bei der Er-
wärmung können sich aber auch die Spiritus ausdehnen, ohne
den Körper zu verlassen, und unter diesen Umständen bewir-
ken sie die Schmelzung der Körper.

Wir folgen Bacon nicht weiter in seinen Betrachtungen
über die Wirksamkeit der Spiritus, weil dieselben zu viel des

1 Hist. densi et rari p. 127. Canones mobiles 12.
2 Hist. vitae et mortis T. III. p. 180.
3 N. O. II, 40. T. II p. 256.
4 Nov. Org. II, 48. T. II. p. 298, 299.
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[432/0450] Bacon: Die Spiritus. men nicht für sich allein, sondern immer von den greifbaren Körpern eingeschlossen vor und werden gewöhnlich Spiritus genannt. Sie kommen am nächsten der Natur der Ausdünstun- gen, welche vom Weine oder Salze aufsteigen und zerfallen in zwei Klassen, crudi und vivi. Die Spiritus crudi finden sich in allen Körpern, die vivi nur in den belebten. Die dritte Klasse der Pneumatica endlich, die pura, enthält nur die Luft und die Flamme. Kein Körper ist ohne spiritus, der an ihn gebunden ist. 1 Denn die greifbaren Körper enthalten keinen leeren Raum, 2 sondern entweder Luft oder einen ihnen eigentümlichen Spiri- tus. Dieser Spiritus ist aber nicht irgend eine Fähigkeit (virtus) oder Energie oder Entelechie oder dergleichen Unfug; sondern durchaus ein dünner, unsichtbarer Körper, der aber einen bestimmten Ort, Ausdehnung und Realität besitzt. Auch ist dieser Körper nicht etwa wieder Luft, obwohl ein dünner, der Luft verwandter Körper, dennoch aber weit von dieser verschieden. Er ist unsichtbar und ungreifbar. 3 Jedoch sind die Spiritus selbst bald warm, bald kalt, thätig oder stumpf, wäßrig oder ölig. Diese Spiritus sind nun die eigentlichen Werkmeister der materiellen Vorgänge, sie bewirken alles, was in den Körpern vorgeht, die Ausdörrung und Zerbrechlichkeit derselben, die Verflüssigung, das Verfaulen, die Zeugung. Wenn die Spiritus aus dem Körper entweichen, so wird der Körper dadurch dichter und härter, indem die greifbaren Teile sich zusammen- ziehen, teils aus Scheu vor dem Vacuum, teils durch Ver- einigung des Gleichartigen. 4 Solche Körper sind dann aller- dings leichter zerbrechlich, weil sie sich wegen der geringen Menge an Spiritus nicht gut ausdehnen können. Bei der Er- wärmung können sich aber auch die Spiritus ausdehnen, ohne den Körper zu verlassen, und unter diesen Umständen bewir- ken sie die Schmelzung der Körper. Wir folgen Bacon nicht weiter in seinen Betrachtungen über die Wirksamkeit der Spiritus, weil dieselben zu viel des 1 Hist. densi et rari p. 127. Canones mobiles 12. 2 Hist. vitae et mortis T. III. p. 180. 3 N. O. II, 40. T. II p. 256. 4 Nov. Org. II, 48. T. II. p. 298, 299.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/450>, abgerufen am 25.11.2024.