Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Bacon: Aufgabe der Physik.
krete" und eine "abstrakte" Physik unterscheidet, hat es doch
auch die abstrakte Physik nur mit Spezialproblemen zu thun
und kann nicht bis zur Erkenntnis der Formen vorschreiten.
Sie zerfällt in die Lehre von den Schematismen der Materie
und von den Antrieben (appetitibus) und Bewegungen.1 Auf
dem Standpunkte, auf welchem Bacon die Physik vorfand, be-
durfte es allerdings erst einer Orientierung in der scheinbaren
Zusammenhangslosigkeit der Einzelvorgänge, und wie er 39
Grundeigenschaften aufzählt, so unterscheidet er auch nicht
weniger als 19 verschiedene Bewegungsarten. Je weiter aber
die Physik vorschreitet, um so mehr schmilzt die Zahl der hier
als verschieden aufgefaßten Ursachen zusammen, indem sie auf
gemeinschaftliche Ursachen zurückgeführt werden; und wenn es
gelingt, in ihnen die gemeinsame Grundform der Wirkung zu
erkennen, so ist die Arbeit der Physik erledigt und das geleistet,
was Bacon von seiner Metaphysik verlangt. Materie, Form
und erstes Bewegungsprinzip sollen als so verbunden aufge-
funden werden, daß aus ihnen alle natürliche Wesenheit, Wir-
kung und Bewegung sich als Ausfluß ergibt.2

B. Die Korpuskulartheorie.

Die Lösung der Aufgabe der Metaphysik erfordert, wie
oben bereits erwähnt, die Entdeckung der Schematismen.
Die verborgenen Schematismen sowohl wie die verborgenen
Prozesse betrachtet Bacon als das korpuskulare Gefüge der
zusammengesetzten Körper, und die Umwandlung derselben
nach inneren Gesetzen als Anordnung und Veränderung der
räumlichen Verteilung der dichten Materie und der zwischen
den Teilen derselben hin- und herströmenden Spiritus. Aber
nicht nur die komplizierten konkreten Körper, sowohl die or-

1 Unter den Schematismen versteht B. folgende Eigenschaften: densum
rarum, grave, leve, calidum, frigidum, tangibile, pneumaticum, volabile, fixum,
determinatum, fluidum, humidum, siccum, pingue, crudum, durum, molle,
fragile, tensile, porosum, unitum, spirituosum, jejunum, simplex, compositum,
absolutum, imperfecte mixtum, fibrosum atque venosum, simplicis positurae sive
aequum; similare, dissimilare; specificatum, non specificatum; organicum, inor-
ganicum; animatum, inanimatum. De augm. scient. III, 4. T. I. p. 186.
2 Parm., Tel. et Dem. phil. T. III p. 176. (Amst. 1685.)

Bacon: Aufgabe der Physik.
krete‟ und eine „abstrakte‟ Physik unterscheidet, hat es doch
auch die abstrakte Physik nur mit Spezialproblemen zu thun
und kann nicht bis zur Erkenntnis der Formen vorschreiten.
Sie zerfällt in die Lehre von den Schematismen der Materie
und von den Antrieben (appetitibus) und Bewegungen.1 Auf
dem Standpunkte, auf welchem Bacon die Physik vorfand, be-
durfte es allerdings erst einer Orientierung in der scheinbaren
Zusammenhangslosigkeit der Einzelvorgänge, und wie er 39
Grundeigenschaften aufzählt, so unterscheidet er auch nicht
weniger als 19 verschiedene Bewegungsarten. Je weiter aber
die Physik vorschreitet, um so mehr schmilzt die Zahl der hier
als verschieden aufgefaßten Ursachen zusammen, indem sie auf
gemeinschaftliche Ursachen zurückgeführt werden; und wenn es
gelingt, in ihnen die gemeinsame Grundform der Wirkung zu
erkennen, so ist die Arbeit der Physik erledigt und das geleistet,
was Bacon von seiner Metaphysik verlangt. Materie, Form
und erstes Bewegungsprinzip sollen als so verbunden aufge-
funden werden, daß aus ihnen alle natürliche Wesenheit, Wir-
kung und Bewegung sich als Ausfluß ergibt.2

B. Die Korpuskulartheorie.

Die Lösung der Aufgabe der Metaphysik erfordert, wie
oben bereits erwähnt, die Entdeckung der Schematismen.
Die verborgenen Schematismen sowohl wie die verborgenen
Prozesse betrachtet Bacon als das korpuskulare Gefüge der
zusammengesetzten Körper, und die Umwandlung derselben
nach inneren Gesetzen als Anordnung und Veränderung der
räumlichen Verteilung der dichten Materie und der zwischen
den Teilen derselben hin- und herströmenden Spiritus. Aber
nicht nur die komplizierten konkreten Körper, sowohl die or-

1 Unter den Schematismen versteht B. folgende Eigenschaften: densum
rarum, grave, leve, calidum, frigidum, tangibile, pneumaticum, volabile, fixum,
determinatum, fluidum, humidum, siccum, pingue, crudum, durum, molle,
fragile, tensile, porosum, unitum, spirituosum, jejunum, simplex, compositum,
absolutum, imperfecte mixtum, fibrosum atque venosum, simplicis positurae sive
aequum; similare, dissimilare; specificatum, non specificatum; organicum, inor-
ganicum; animatum, inanimatum. De augm. scient. III, 4. T. I. p. 186.
2 Parm., Tel. et Dem. phil. T. III p. 176. (Amst. 1685.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0439" n="421"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Bacon</hi>: Aufgabe der Physik.</fw><lb/>
krete&#x201F; und eine &#x201E;abstrakte&#x201F; Physik unterscheidet, hat es doch<lb/>
auch die abstrakte Physik nur mit Spezialproblemen zu thun<lb/>
und kann nicht bis zur Erkenntnis der Formen vorschreiten.<lb/>
Sie zerfällt in die Lehre von den Schematismen der Materie<lb/>
und von den Antrieben (appetitibus) und Bewegungen.<note place="foot" n="1">Unter den Schematismen versteht B. folgende Eigenschaften: densum<lb/>
rarum, grave, leve, calidum, frigidum, tangibile, pneumaticum, volabile, fixum,<lb/>
determinatum, fluidum, humidum, siccum, pingue, crudum, durum, molle,<lb/>
fragile, tensile, porosum, unitum, spirituosum, jejunum, simplex, compositum,<lb/>
absolutum, imperfecte mixtum, fibrosum atque venosum, simplicis positurae sive<lb/>
aequum; similare, dissimilare; specificatum, non specificatum; organicum, inor-<lb/>
ganicum; animatum, inanimatum. <hi rendition="#i">De augm. scient.</hi> III, 4. T. I. p. 186.</note> Auf<lb/>
dem Standpunkte, auf welchem <hi rendition="#k">Bacon</hi> die Physik vorfand, be-<lb/>
durfte es allerdings erst einer Orientierung in der scheinbaren<lb/>
Zusammenhangslosigkeit der Einzelvorgänge, und wie er 39<lb/>
Grundeigenschaften aufzählt, so unterscheidet er auch nicht<lb/>
weniger als 19 verschiedene Bewegungsarten. Je weiter aber<lb/>
die Physik vorschreitet, um so mehr schmilzt die Zahl der hier<lb/>
als verschieden aufgefaßten Ursachen zusammen, indem sie auf<lb/>
gemeinschaftliche Ursachen zurückgeführt werden; und wenn es<lb/>
gelingt, in ihnen die gemeinsame Grundform der Wirkung zu<lb/>
erkennen, so ist die Arbeit der Physik erledigt und das geleistet,<lb/>
was <hi rendition="#k">Bacon</hi> von seiner Metaphysik verlangt. Materie, Form<lb/>
und erstes Bewegungsprinzip sollen als so verbunden aufge-<lb/>
funden werden, daß aus ihnen alle natürliche Wesenheit, Wir-<lb/>
kung und Bewegung sich als Ausfluß ergibt.<note place="foot" n="2"><hi rendition="#i">Parm., Tel. et Dem. phil.</hi> T. III p. 176. (Amst. 1685.)</note></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>B. <hi rendition="#g">Die Korpuskulartheorie</hi>.</head><lb/>
              <p>Die Lösung der Aufgabe der Metaphysik erfordert, wie<lb/>
oben bereits erwähnt, die Entdeckung der <hi rendition="#g">Schematismen</hi>.<lb/>
Die verborgenen Schematismen sowohl wie die verborgenen<lb/>
Prozesse betrachtet <hi rendition="#k">Bacon</hi> als das korpuskulare Gefüge der<lb/>
zusammengesetzten Körper, und die Umwandlung derselben<lb/>
nach inneren Gesetzen als Anordnung und Veränderung der<lb/>
räumlichen Verteilung der dichten Materie und der zwischen<lb/>
den Teilen derselben hin- und herströmenden <hi rendition="#i">Spiritus.</hi> Aber<lb/>
nicht nur die komplizierten konkreten Körper, sowohl die or-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[421/0439] Bacon: Aufgabe der Physik. krete‟ und eine „abstrakte‟ Physik unterscheidet, hat es doch auch die abstrakte Physik nur mit Spezialproblemen zu thun und kann nicht bis zur Erkenntnis der Formen vorschreiten. Sie zerfällt in die Lehre von den Schematismen der Materie und von den Antrieben (appetitibus) und Bewegungen. 1 Auf dem Standpunkte, auf welchem Bacon die Physik vorfand, be- durfte es allerdings erst einer Orientierung in der scheinbaren Zusammenhangslosigkeit der Einzelvorgänge, und wie er 39 Grundeigenschaften aufzählt, so unterscheidet er auch nicht weniger als 19 verschiedene Bewegungsarten. Je weiter aber die Physik vorschreitet, um so mehr schmilzt die Zahl der hier als verschieden aufgefaßten Ursachen zusammen, indem sie auf gemeinschaftliche Ursachen zurückgeführt werden; und wenn es gelingt, in ihnen die gemeinsame Grundform der Wirkung zu erkennen, so ist die Arbeit der Physik erledigt und das geleistet, was Bacon von seiner Metaphysik verlangt. Materie, Form und erstes Bewegungsprinzip sollen als so verbunden aufge- funden werden, daß aus ihnen alle natürliche Wesenheit, Wir- kung und Bewegung sich als Ausfluß ergibt. 2 B. Die Korpuskulartheorie. Die Lösung der Aufgabe der Metaphysik erfordert, wie oben bereits erwähnt, die Entdeckung der Schematismen. Die verborgenen Schematismen sowohl wie die verborgenen Prozesse betrachtet Bacon als das korpuskulare Gefüge der zusammengesetzten Körper, und die Umwandlung derselben nach inneren Gesetzen als Anordnung und Veränderung der räumlichen Verteilung der dichten Materie und der zwischen den Teilen derselben hin- und herströmenden Spiritus. Aber nicht nur die komplizierten konkreten Körper, sowohl die or- 1 Unter den Schematismen versteht B. folgende Eigenschaften: densum rarum, grave, leve, calidum, frigidum, tangibile, pneumaticum, volabile, fixum, determinatum, fluidum, humidum, siccum, pingue, crudum, durum, molle, fragile, tensile, porosum, unitum, spirituosum, jejunum, simplex, compositum, absolutum, imperfecte mixtum, fibrosum atque venosum, simplicis positurae sive aequum; similare, dissimilare; specificatum, non specificatum; organicum, inor- ganicum; animatum, inanimatum. De augm. scient. III, 4. T. I. p. 186. 2 Parm., Tel. et Dem. phil. T. III p. 176. (Amst. 1685.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/439
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/439>, abgerufen am 25.11.2024.