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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Bacon: Einteilung der Naturphilosophie.
die Möglichkeit und die Begrenzung der Physik, sowie die
Klarlegung des Sinnes, welchen Naturerkenntnis überhaupt be-
sitzt. Diese Untersuchung über Methode und Einteilung der
Wissenschaften, allerdings in der praktischen Rücksicht auf
die mögliche Erweiterung der Macht des Menschen über die
Natur, ist das eigentliche Interesse des baconischen Denkens,
und deshalb zeigt sich die Stellung Bacons zur Atomistik als
eine lediglich abwägende, indem er weniger für ihren in-
haltlichen Ausbau eintritt, als für die Erörterung ihres metho-
dischen Wertes.

Bacon teilt die Naturphilosophie in eine spekulative und
eine operative.1 Die letztere, welche in die Mechanik und die
natürliche Magie, d. h. die Lehre von der praktischen Be-
herrschung der Natur durch Anwendung der erkannten Gesetze
derselben zerfällt, kommt hier nicht weiter in Betracht. Die
spekulative oder theoretische Naturphilosophie dagegen wird
von Bacon nach Maßgabe der zu berücksichtigenden Ursachen
in zwei Unterabteilungen zerlegt, welche er Physik und Me-
taphysik
nennt.2 Diese Namen decken sich jedoch nicht
mit unsrem Sprachgebrauche und ebensowenig mit dem ari-
stotelischen. Beide Disziplinen sollen es lediglich mit der Natur
zu thun haben, und zwar so, daß gerade der Gegenstand der
Metaphysik der wichtigste Teil der Natur ist. Die Metaphysik
hat sich nämlich mit dem Abstrakten und zwar dem Kon-
stanten in den Naturerscheinungen zu beschäftigen, indem sie
auch den Geist (mentem) und die Idee bei ihrer Erklärung
berücksichtigt. Die Physik dagegen behandelt das, was ganz
auf Materie und Bewegung beruht und setzt nur die Existenz,

1 De augm. scient. 1. 3. c. 3. T. I p. 169. Die Citate beziehen sich auf
Opera, Amstelod. 1694. Vgl. dazu Kuno Fischer, Fr. Bacon. -- König, Causa-
lität
S. 146 ff. -- Heussler, Bacon. Letzteres Werk konnte erst berücksichtigt
werden, als das Man. schon abgeschlossen vorlag. Ich glaube gerade mit
Heusslers Auffassung der vermittelnden Stellung Bacons (auch in Bezug auf
Platon und Demokrit, S. 119) übereinzustimmen.
2 De augm. scient. l. 3. c. 4. T. 1. p. 170, 172. Physicam ea tractare,
quae penitus in materia mersa sunt, et mobilia; metaphysicam abstracta magis,
et constantia. Rursus physicam in natura supponere existentiam tantum, et
motum, et naturalem necessitatem: at metaphysicam etiam mentem et ideam.
-- Vgl. Nov. Org. l. 2. c. 9. T. II p. 143.

Bacon: Einteilung der Naturphilosophie.
die Möglichkeit und die Begrenzung der Physik, sowie die
Klarlegung des Sinnes, welchen Naturerkenntnis überhaupt be-
sitzt. Diese Untersuchung über Methode und Einteilung der
Wissenschaften, allerdings in der praktischen Rücksicht auf
die mögliche Erweiterung der Macht des Menschen über die
Natur, ist das eigentliche Interesse des baconischen Denkens,
und deshalb zeigt sich die Stellung Bacons zur Atomistik als
eine lediglich abwägende, indem er weniger für ihren in-
haltlichen Ausbau eintritt, als für die Erörterung ihres metho-
dischen Wertes.

Bacon teilt die Naturphilosophie in eine spekulative und
eine operative.1 Die letztere, welche in die Mechanik und die
natürliche Magie, d. h. die Lehre von der praktischen Be-
herrschung der Natur durch Anwendung der erkannten Gesetze
derselben zerfällt, kommt hier nicht weiter in Betracht. Die
spekulative oder theoretische Naturphilosophie dagegen wird
von Bacon nach Maßgabe der zu berücksichtigenden Ursachen
in zwei Unterabteilungen zerlegt, welche er Physik und Me-
taphysik
nennt.2 Diese Namen decken sich jedoch nicht
mit unsrem Sprachgebrauche und ebensowenig mit dem ari-
stotelischen. Beide Disziplinen sollen es lediglich mit der Natur
zu thun haben, und zwar so, daß gerade der Gegenstand der
Metaphysik der wichtigste Teil der Natur ist. Die Metaphysik
hat sich nämlich mit dem Abstrakten und zwar dem Kon-
stanten in den Naturerscheinungen zu beschäftigen, indem sie
auch den Geist (mentem) und die Idee bei ihrer Erklärung
berücksichtigt. Die Physik dagegen behandelt das, was ganz
auf Materie und Bewegung beruht und setzt nur die Existenz,

1 De augm. scient. 1. 3. c. 3. T. I p. 169. Die Citate beziehen sich auf
Opera, Amstelod. 1694. Vgl. dazu Kuno Fischer, Fr. Bacon.König, Causa-
lität
S. 146 ff. — Heussler, Bacon. Letzteres Werk konnte erst berücksichtigt
werden, als das Man. schon abgeschlossen vorlag. Ich glaube gerade mit
Heusslers Auffassung der vermittelnden Stellung Bacons (auch in Bezug auf
Platon und Demokrit, S. 119) übereinzustimmen.
2 De augm. scient. l. 3. c. 4. T. 1. p. 170, 172. Physicam ea tractare,
quae penitus in materia mersa sunt, et mobilia; metaphysicam abstracta magis,
et constantia. Rursus physicam in natura supponere existentiam tantum, et
motum, et naturalem necessitatem: at metaphysicam etiam mentem et ideam.
— Vgl. Nov. Org. l. 2. c. 9. T. II p. 143.
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[415/0433] Bacon: Einteilung der Naturphilosophie. die Möglichkeit und die Begrenzung der Physik, sowie die Klarlegung des Sinnes, welchen Naturerkenntnis überhaupt be- sitzt. Diese Untersuchung über Methode und Einteilung der Wissenschaften, allerdings in der praktischen Rücksicht auf die mögliche Erweiterung der Macht des Menschen über die Natur, ist das eigentliche Interesse des baconischen Denkens, und deshalb zeigt sich die Stellung Bacons zur Atomistik als eine lediglich abwägende, indem er weniger für ihren in- haltlichen Ausbau eintritt, als für die Erörterung ihres metho- dischen Wertes. Bacon teilt die Naturphilosophie in eine spekulative und eine operative. 1 Die letztere, welche in die Mechanik und die natürliche Magie, d. h. die Lehre von der praktischen Be- herrschung der Natur durch Anwendung der erkannten Gesetze derselben zerfällt, kommt hier nicht weiter in Betracht. Die spekulative oder theoretische Naturphilosophie dagegen wird von Bacon nach Maßgabe der zu berücksichtigenden Ursachen in zwei Unterabteilungen zerlegt, welche er Physik und Me- taphysik nennt. 2 Diese Namen decken sich jedoch nicht mit unsrem Sprachgebrauche und ebensowenig mit dem ari- stotelischen. Beide Disziplinen sollen es lediglich mit der Natur zu thun haben, und zwar so, daß gerade der Gegenstand der Metaphysik der wichtigste Teil der Natur ist. Die Metaphysik hat sich nämlich mit dem Abstrakten und zwar dem Kon- stanten in den Naturerscheinungen zu beschäftigen, indem sie auch den Geist (mentem) und die Idee bei ihrer Erklärung berücksichtigt. Die Physik dagegen behandelt das, was ganz auf Materie und Bewegung beruht und setzt nur die Existenz, 1 De augm. scient. 1. 3. c. 3. T. I p. 169. Die Citate beziehen sich auf Opera, Amstelod. 1694. Vgl. dazu Kuno Fischer, Fr. Bacon. — König, Causa- lität S. 146 ff. — Heussler, Bacon. Letzteres Werk konnte erst berücksichtigt werden, als das Man. schon abgeschlossen vorlag. Ich glaube gerade mit Heusslers Auffassung der vermittelnden Stellung Bacons (auch in Bezug auf Platon und Demokrit, S. 119) übereinzustimmen. 2 De augm. scient. l. 3. c. 4. T. 1. p. 170, 172. Physicam ea tractare, quae penitus in materia mersa sunt, et mobilia; metaphysicam abstracta magis, et constantia. Rursus physicam in natura supponere existentiam tantum, et motum, et naturalem necessitatem: at metaphysicam etiam mentem et ideam. — Vgl. Nov. Org. l. 2. c. 9. T. II p. 143.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/433>, abgerufen am 22.11.2024.