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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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G. Bruno: Harmonie. Enthusiasmus.
bindung von Materie und innerlich wirkender Kraft. In der
Trennung im Einzelnen freilich ist Licht und Schatten, Kampf
und Leid, in Hinsicht aber auf das Ganze ist nur Harmonie
und Schönheit, da hat auch das Kleinste und Nichtigste seinen
Wert und seine ewige Bedeutung. Darum besteht die Vollen-
dung des Menschen in der Erkenntnis dieser Harmonie des
Unendlichen. Seine Seele ist ja im letzten Grunde Eins mit
der Seele des Weltganzen, mit Gott, nur ist sie von ihm ge-
trennt durch die Hülle der Sinnlichkeit, welche sie als Einzel-
wesen von den übrigen Einzelwesen scheidet. Aber der be-
geisterte Aufschwung nach oben, das Streben, alles in Einem
und Eins in allem zu schauen, trägt den Menschen aus der
Schwere der Sinnlichkeit in die freie Höhe, wo er im Abso-
luten das Schöne, Gute und Wahre anschaut. Wem dies ge-
lingt, der ist der furioso eroico, der heroische Enthusiast, welcher
die Höhe der Menschheit und des Glücks erklommen hat, von
wo er auf die neidische Anfeindung der Menschen ruhig und
vornehm hinabsieht.

Brunos enthusiastische Weltanschauung wirkt bestechend;
um so mehr muß man sich davor hüten, seiner überwundenen
Metaphysik einen Einfluß auf das moderne Denken zu ge-
statten, so groß auch immer seine historische Bedeutung bleibt.
Es wäre aussichtslos, Brunos Naturphilosophie als eine Erkenntnis
von wissenschaftlicher Geltung anzupreisen oder gar als
eine Vertiefung exakter Forschung hinzustellen, da sie nur
den Wert einer dichterischen Weltanschauung von genialer
Konzeption besitzt. Bruno steht der Naturwissenschaft nicht
anders gegenüber wie Goethe; beide wollen den Pulsschlag
des eigenen Lebens in dem unendlich-göttlichen Naturwalten
wiederfinden. Daher bleibt ihre Naturanschauung eine dauernde
Quelle der Erhebung des Gemüts in künstlerischem Genusse,
das Denken aber, welches Analysis ist, muß zum Zwecke der
Erkenntnis unser unbestimmtes Einheitsgefühl von der Natur
zergliedern, das Leben vertreiben und den Mechanismus der
Atome aufsuchen. Die Philosophie hat diese Antinomie er-
kenntnistheoretisch zu begreifen und dadurch die Versöhnung
zwischen den Forderungen des Gefühls und des Verstandes
herzustellen, nicht aber durch eine unklare Gefühlsschwärmerei,
indem sie den naturwissenschaftlichen Mechanismus für Meta-

G. Bruno: Harmonie. Enthusiasmus.
bindung von Materie und innerlich wirkender Kraft. In der
Trennung im Einzelnen freilich ist Licht und Schatten, Kampf
und Leid, in Hinsicht aber auf das Ganze ist nur Harmonie
und Schönheit, da hat auch das Kleinste und Nichtigste seinen
Wert und seine ewige Bedeutung. Darum besteht die Vollen-
dung des Menschen in der Erkenntnis dieser Harmonie des
Unendlichen. Seine Seele ist ja im letzten Grunde Eins mit
der Seele des Weltganzen, mit Gott, nur ist sie von ihm ge-
trennt durch die Hülle der Sinnlichkeit, welche sie als Einzel-
wesen von den übrigen Einzelwesen scheidet. Aber der be-
geisterte Aufschwung nach oben, das Streben, alles in Einem
und Eins in allem zu schauen, trägt den Menschen aus der
Schwere der Sinnlichkeit in die freie Höhe, wo er im Abso-
luten das Schöne, Gute und Wahre anschaut. Wem dies ge-
lingt, der ist der furioso eroico, der heroische Enthusiast, welcher
die Höhe der Menschheit und des Glücks erklommen hat, von
wo er auf die neidische Anfeindung der Menschen ruhig und
vornehm hinabsieht.

Brunos enthusiastische Weltanschauung wirkt bestechend;
um so mehr muß man sich davor hüten, seiner überwundenen
Metaphysik einen Einfluß auf das moderne Denken zu ge-
statten, so groß auch immer seine historische Bedeutung bleibt.
Es wäre aussichtslos, Brunos Naturphilosophie als eine Erkenntnis
von wissenschaftlicher Geltung anzupreisen oder gar als
eine Vertiefung exakter Forschung hinzustellen, da sie nur
den Wert einer dichterischen Weltanschauung von genialer
Konzeption besitzt. Bruno steht der Naturwissenschaft nicht
anders gegenüber wie Goethe; beide wollen den Pulsschlag
des eigenen Lebens in dem unendlich-göttlichen Naturwalten
wiederfinden. Daher bleibt ihre Naturanschauung eine dauernde
Quelle der Erhebung des Gemüts in künstlerischem Genusse,
das Denken aber, welches Analysis ist, muß zum Zwecke der
Erkenntnis unser unbestimmtes Einheitsgefühl von der Natur
zergliedern, das Leben vertreiben und den Mechanismus der
Atome aufsuchen. Die Philosophie hat diese Antinomie er-
kenntnistheoretisch zu begreifen und dadurch die Versöhnung
zwischen den Forderungen des Gefühls und des Verstandes
herzustellen, nicht aber durch eine unklare Gefühlsschwärmerei,
indem sie den naturwissenschaftlichen Mechanismus für Meta-

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[398/0416] G. Bruno: Harmonie. Enthusiasmus. bindung von Materie und innerlich wirkender Kraft. In der Trennung im Einzelnen freilich ist Licht und Schatten, Kampf und Leid, in Hinsicht aber auf das Ganze ist nur Harmonie und Schönheit, da hat auch das Kleinste und Nichtigste seinen Wert und seine ewige Bedeutung. Darum besteht die Vollen- dung des Menschen in der Erkenntnis dieser Harmonie des Unendlichen. Seine Seele ist ja im letzten Grunde Eins mit der Seele des Weltganzen, mit Gott, nur ist sie von ihm ge- trennt durch die Hülle der Sinnlichkeit, welche sie als Einzel- wesen von den übrigen Einzelwesen scheidet. Aber der be- geisterte Aufschwung nach oben, das Streben, alles in Einem und Eins in allem zu schauen, trägt den Menschen aus der Schwere der Sinnlichkeit in die freie Höhe, wo er im Abso- luten das Schöne, Gute und Wahre anschaut. Wem dies ge- lingt, der ist der furioso eroico, der heroische Enthusiast, welcher die Höhe der Menschheit und des Glücks erklommen hat, von wo er auf die neidische Anfeindung der Menschen ruhig und vornehm hinabsieht. Brunos enthusiastische Weltanschauung wirkt bestechend; um so mehr muß man sich davor hüten, seiner überwundenen Metaphysik einen Einfluß auf das moderne Denken zu ge- statten, so groß auch immer seine historische Bedeutung bleibt. Es wäre aussichtslos, Brunos Naturphilosophie als eine Erkenntnis von wissenschaftlicher Geltung anzupreisen oder gar als eine Vertiefung exakter Forschung hinzustellen, da sie nur den Wert einer dichterischen Weltanschauung von genialer Konzeption besitzt. Bruno steht der Naturwissenschaft nicht anders gegenüber wie Goethe; beide wollen den Pulsschlag des eigenen Lebens in dem unendlich-göttlichen Naturwalten wiederfinden. Daher bleibt ihre Naturanschauung eine dauernde Quelle der Erhebung des Gemüts in künstlerischem Genusse, das Denken aber, welches Analysis ist, muß zum Zwecke der Erkenntnis unser unbestimmtes Einheitsgefühl von der Natur zergliedern, das Leben vertreiben und den Mechanismus der Atome aufsuchen. Die Philosophie hat diese Antinomie er- kenntnistheoretisch zu begreifen und dadurch die Versöhnung zwischen den Forderungen des Gefühls und des Verstandes herzustellen, nicht aber durch eine unklare Gefühlsschwärmerei, indem sie den naturwissenschaftlichen Mechanismus für Meta-

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/416>, abgerufen am 22.11.2024.