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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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G. Bruno: Erkennen durch die Einheit.
aber sie macht das Wesen nicht zu mehr als Einem, sondern
nur zu einem vielartigen und vielgestaltigen Wesen. Die
Vielheit und Mannigfaltigkeit der Dinge ist daher nur ein
Accidens, eine Komplexion der einheitlichen Substanz; die
Unterschiede der Körper in Form, Beschaffenheit, Gestalt,
Farbe u. s. w. sind nichts andres als eine verschiedene und
wechselnde Erscheinung der einen und unveränderlichen Sub-
stanz.1 Die Accidentien bewirken die Vielheit der absoluten
Einheit. Es ist also die unendliche Einheit, welche sich zur
Vielheit der Welt entwickelt, welche sich selbst zu unendlich
vielen Einheiten entfaltet, wie ein einziger Funke, wenn ihm
zureichender Stoff gewährt ist, zur unaufhaltsam lodernden
Flamme anwächst.2

Dieselbe Stufenleiter, auf welcher die Natur zur Hervor-
bringung der Dinge herabsteigt, führt die Vernunft zur Er-
kenntnis derselben empor,3 die Natur entwickelt sich aus der
Einheit zur Vielheit, die Vernunft sucht die Einheit auf, um
die Vielheit der Dinge zu begreifen.4 Dieses Begreifen ist
nur möglich durch ein Zurückführen des zu Begreifenden auf
die zu Grunde liegende Einheit. Die Mathematik, die Logik
würden um so vollkommener sein, je mehr ihre Sätze auf
wenige oder auf einen einzigen zusammengezogen wären.5
Das Aufsuchen der Einheit ist also eine notwendige Bedingung
des Erkennens. Darum muß es in allen Dingen ein letztes
und kleinstes, eine unteilbare Einheit, ein Minimum geben,
von welchem aus alle Größe und jedes Ding entsteht, ohne
welches es auch kein Maß und kein Erkennen gäbe.6

1 A. a. O. Wagner p. 282 f. Lasson S. 122 f.
2 De min. II, 1. p. 54.
3 De la causa etc. Wagner p. 285. Lasson S. 128.
4 A. a. O. Wagner 285. Prima dunque voglio, che notiate, essere una
e medesima scala, per la quale la natura discende a la produzion de le cose,
e l'inteletto ascende a la cognizion di quelle, e che l'uno e l'altra da l'unita
procede a l'unita, passando per la moltitudine di mezzi.
5 A. a. O. Wagner 287. Lasson 130, 131. Daselbst auch: Giammai cre-
demo esser gionti al primo ente et universal substanza, siu che non siamo
arrivati a quell'uno individuo, in cui tutto si comprende: tra tanto non piu
credemo comprendere di sustanza e d'essenza, che sappiamo comprendere
d'indivisibilita.
6 Die Belege dafür weiter unten.

G. Bruno: Erkennen durch die Einheit.
aber sie macht das Wesen nicht zu mehr als Einem, sondern
nur zu einem vielartigen und vielgestaltigen Wesen. Die
Vielheit und Mannigfaltigkeit der Dinge ist daher nur ein
Accidens, eine Komplexion der einheitlichen Substanz; die
Unterschiede der Körper in Form, Beschaffenheit, Gestalt,
Farbe u. s. w. sind nichts andres als eine verschiedene und
wechselnde Erscheinung der einen und unveränderlichen Sub-
stanz.1 Die Accidentien bewirken die Vielheit der absoluten
Einheit. Es ist also die unendliche Einheit, welche sich zur
Vielheit der Welt entwickelt, welche sich selbst zu unendlich
vielen Einheiten entfaltet, wie ein einziger Funke, wenn ihm
zureichender Stoff gewährt ist, zur unaufhaltsam lodernden
Flamme anwächst.2

Dieselbe Stufenleiter, auf welcher die Natur zur Hervor-
bringung der Dinge herabsteigt, führt die Vernunft zur Er-
kenntnis derselben empor,3 die Natur entwickelt sich aus der
Einheit zur Vielheit, die Vernunft sucht die Einheit auf, um
die Vielheit der Dinge zu begreifen.4 Dieses Begreifen ist
nur möglich durch ein Zurückführen des zu Begreifenden auf
die zu Grunde liegende Einheit. Die Mathematik, die Logik
würden um so vollkommener sein, je mehr ihre Sätze auf
wenige oder auf einen einzigen zusammengezogen wären.5
Das Aufsuchen der Einheit ist also eine notwendige Bedingung
des Erkennens. Darum muß es in allen Dingen ein letztes
und kleinstes, eine unteilbare Einheit, ein Minimum geben,
von welchem aus alle Größe und jedes Ding entsteht, ohne
welches es auch kein Maß und kein Erkennen gäbe.6

1 A. a. O. Wagner p. 282 f. Lasson S. 122 f.
2 De min. II, 1. p. 54.
3 De la causa etc. Wagner p. 285. Lasson S. 128.
4 A. a. O. Wagner 285. Prima dunque voglio, che notiate, essere una
e medesima scala, per la quale la natura discende a la produzion de le cose,
e l’inteletto ascende a la cognizion di quelle, e che l’uno e l’altra da l’unità
procede a l’unità, passando per la moltitudine di mezzi.
5 A. a. O. Wagner 287. Lasson 130, 131. Daselbst auch: Giammai cre-
demo esser gionti al primo ente et universal substanza, siu che non siamo
arrivati a quell’uno individuo, in cui tutto si comprende: tra tanto non più
credemo comprendere di sustanza e d’essenza, che sappiamo comprendere
d’indivisibilità.
6 Die Belege dafür weiter unten.
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[364/0382] G. Bruno: Erkennen durch die Einheit. aber sie macht das Wesen nicht zu mehr als Einem, sondern nur zu einem vielartigen und vielgestaltigen Wesen. Die Vielheit und Mannigfaltigkeit der Dinge ist daher nur ein Accidens, eine Komplexion der einheitlichen Substanz; die Unterschiede der Körper in Form, Beschaffenheit, Gestalt, Farbe u. s. w. sind nichts andres als eine verschiedene und wechselnde Erscheinung der einen und unveränderlichen Sub- stanz. 1 Die Accidentien bewirken die Vielheit der absoluten Einheit. Es ist also die unendliche Einheit, welche sich zur Vielheit der Welt entwickelt, welche sich selbst zu unendlich vielen Einheiten entfaltet, wie ein einziger Funke, wenn ihm zureichender Stoff gewährt ist, zur unaufhaltsam lodernden Flamme anwächst. 2 Dieselbe Stufenleiter, auf welcher die Natur zur Hervor- bringung der Dinge herabsteigt, führt die Vernunft zur Er- kenntnis derselben empor, 3 die Natur entwickelt sich aus der Einheit zur Vielheit, die Vernunft sucht die Einheit auf, um die Vielheit der Dinge zu begreifen. 4 Dieses Begreifen ist nur möglich durch ein Zurückführen des zu Begreifenden auf die zu Grunde liegende Einheit. Die Mathematik, die Logik würden um so vollkommener sein, je mehr ihre Sätze auf wenige oder auf einen einzigen zusammengezogen wären. 5 Das Aufsuchen der Einheit ist also eine notwendige Bedingung des Erkennens. Darum muß es in allen Dingen ein letztes und kleinstes, eine unteilbare Einheit, ein Minimum geben, von welchem aus alle Größe und jedes Ding entsteht, ohne welches es auch kein Maß und kein Erkennen gäbe. 6 1 A. a. O. Wagner p. 282 f. Lasson S. 122 f. 2 De min. II, 1. p. 54. 3 De la causa etc. Wagner p. 285. Lasson S. 128. 4 A. a. O. Wagner 285. Prima dunque voglio, che notiate, essere una e medesima scala, per la quale la natura discende a la produzion de le cose, e l’inteletto ascende a la cognizion di quelle, e che l’uno e l’altra da l’unità procede a l’unità, passando per la moltitudine di mezzi. 5 A. a. O. Wagner 287. Lasson 130, 131. Daselbst auch: Giammai cre- demo esser gionti al primo ente et universal substanza, siu che non siamo arrivati a quell’uno individuo, in cui tutto si comprende: tra tanto non più credemo comprendere di sustanza e d’essenza, che sappiamo comprendere d’indivisibilità. 6 Die Belege dafür weiter unten.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/382>, abgerufen am 22.11.2024.