Eigenschaften der Körper aus körperlichen Veränderungen zu erklären, sie nicht mehr in psychischen, übergeordneten Formen, sondern in räumlichen Verhältnissen der Körper selbst zu finden.
Es wurde bereits im Beginn dieses Abschnitts auf die Be- deutung hingewiesen, welche in dieser Hinsicht die Annahme unveränderlicher Grundstoffe als Substanzialisierung der Aus- dehnung besitzt. Die Körperwelt hat Raumgröße; schließt man dieselbe von den Elementen aus, durch welche die Veränderun- gen der Körperwelt erklärt werden sollen, so ist es nicht mög- lich, wieder zu den im Raume ausgedehnten Körpern zu ge- langen. Das Denkmittel der Substanzialität blieb unfruchtbar, so lange das Substanzielle des Körpers von der Raumgröße getrennt war. Wird aber die räumliche Ausdehnung des Kör- pers selbst als dasjenige betrachtet, worin das substanzielle Wesen des Körpers besteht, so ist dies zwar, wie sich zeigen wird, noch keine ausreichende Lösung des Problems, aber es ist eine wichtige Stufe im Fortschritt des physikalischen Er- kennens. Die Quantität wird damit an das Denkmittel der Substanzialität gebunden. Wir haben es jetzt mit Körpern im Raume zu thun, die sich messen und wägen lassen; und da diese Größenausdehnung für sie wesentlich ist, so kann die Veränderung der Körperwelt im letzten Grunde nur auf räum- liche Bewegung, auf Verschiebung der Körperteile zurückge- führt werden. Deswegen finden wir an dieser Stelle die Er- neuerung der Korpuskulartheorie.
Eine konsequente Durchführung der Korpuskulartheorie erfordert freilich, daß nicht bloß die quantitative Konstanz des Körperlichen im Raume erkannt, sondern auch die Veränderung im Raume, die Bewegung, als eine Größe, welche erforsch- baren Gesetzen unterworfen ist, dem Bewußtsein faßbar werde. Daher kann die Korpuskulartheorie erst mit der Ausbildung einer wissenschaftlichen Mechanik zu höherer Vollen- dung gelangen. Die ersten Versuche, denen wir begegnen, sind noch weit entfernt, sich ausreichender mechanischer Be- griffe bedienen zu können. Sie stellen vielmehr Übergangs- formen vor, in denen das Denken sich versucht, um die mecha- nische Vorstellungsweise der Atomistik für die Erklärung der Natur zu Hilfe zu ziehen, ohne sich darüber klar zu sein, in-
Quantität und Körperlichkeit der Substanzen.
Eigenschaften der Körper aus körperlichen Veränderungen zu erklären, sie nicht mehr in psychischen, übergeordneten Formen, sondern in räumlichen Verhältnissen der Körper selbst zu finden.
Es wurde bereits im Beginn dieses Abschnitts auf die Be- deutung hingewiesen, welche in dieser Hinsicht die Annahme unveränderlicher Grundstoffe als Substanzialisierung der Aus- dehnung besitzt. Die Körperwelt hat Raumgröße; schließt man dieselbe von den Elementen aus, durch welche die Veränderun- gen der Körperwelt erklärt werden sollen, so ist es nicht mög- lich, wieder zu den im Raume ausgedehnten Körpern zu ge- langen. Das Denkmittel der Substanzialität blieb unfruchtbar, so lange das Substanzielle des Körpers von der Raumgröße getrennt war. Wird aber die räumliche Ausdehnung des Kör- pers selbst als dasjenige betrachtet, worin das substanzielle Wesen des Körpers besteht, so ist dies zwar, wie sich zeigen wird, noch keine ausreichende Lösung des Problems, aber es ist eine wichtige Stufe im Fortschritt des physikalischen Er- kennens. Die Quantität wird damit an das Denkmittel der Substanzialität gebunden. Wir haben es jetzt mit Körpern im Raume zu thun, die sich messen und wägen lassen; und da diese Größenausdehnung für sie wesentlich ist, so kann die Veränderung der Körperwelt im letzten Grunde nur auf räum- liche Bewegung, auf Verschiebung der Körperteile zurückge- führt werden. Deswegen finden wir an dieser Stelle die Er- neuerung der Korpuskulartheorie.
Eine konsequente Durchführung der Korpuskulartheorie erfordert freilich, daß nicht bloß die quantitative Konstanz des Körperlichen im Raume erkannt, sondern auch die Veränderung im Raume, die Bewegung, als eine Größe, welche erforsch- baren Gesetzen unterworfen ist, dem Bewußtsein faßbar werde. Daher kann die Korpuskulartheorie erst mit der Ausbildung einer wissenschaftlichen Mechanik zu höherer Vollen- dung gelangen. Die ersten Versuche, denen wir begegnen, sind noch weit entfernt, sich ausreichender mechanischer Be- griffe bedienen zu können. Sie stellen vielmehr Übergangs- formen vor, in denen das Denken sich versucht, um die mecha- nische Vorstellungsweise der Atomistik für die Erklärung der Natur zu Hilfe zu ziehen, ohne sich darüber klar zu sein, in-
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Quantität und Körperlichkeit der Substanzen.
Eigenschaften der Körper aus körperlichen Veränderungen zu
erklären, sie nicht mehr in psychischen, übergeordneten Formen,
sondern in räumlichen Verhältnissen der Körper selbst zu
finden.
Es wurde bereits im Beginn dieses Abschnitts auf die Be-
deutung hingewiesen, welche in dieser Hinsicht die Annahme
unveränderlicher Grundstoffe als Substanzialisierung der Aus-
dehnung besitzt. Die Körperwelt hat Raumgröße; schließt man
dieselbe von den Elementen aus, durch welche die Veränderun-
gen der Körperwelt erklärt werden sollen, so ist es nicht mög-
lich, wieder zu den im Raume ausgedehnten Körpern zu ge-
langen. Das Denkmittel der Substanzialität blieb unfruchtbar,
so lange das Substanzielle des Körpers von der Raumgröße
getrennt war. Wird aber die räumliche Ausdehnung des Kör-
pers selbst als dasjenige betrachtet, worin das substanzielle
Wesen des Körpers besteht, so ist dies zwar, wie sich zeigen
wird, noch keine ausreichende Lösung des Problems, aber es
ist eine wichtige Stufe im Fortschritt des physikalischen Er-
kennens. Die Quantität wird damit an das Denkmittel der
Substanzialität gebunden. Wir haben es jetzt mit Körpern im
Raume zu thun, die sich messen und wägen lassen; und da
diese Größenausdehnung für sie wesentlich ist, so kann die
Veränderung der Körperwelt im letzten Grunde nur auf räum-
liche Bewegung, auf Verschiebung der Körperteile zurückge-
führt werden. Deswegen finden wir an dieser Stelle die Er-
neuerung der Korpuskulartheorie.
Eine konsequente Durchführung der Korpuskulartheorie
erfordert freilich, daß nicht bloß die quantitative Konstanz des
Körperlichen im Raume erkannt, sondern auch die Veränderung
im Raume, die Bewegung, als eine Größe, welche erforsch-
baren Gesetzen unterworfen ist, dem Bewußtsein faßbar werde.
Daher kann die Korpuskulartheorie erst mit der Ausbildung
einer wissenschaftlichen Mechanik zu höherer Vollen-
dung gelangen. Die ersten Versuche, denen wir begegnen,
sind noch weit entfernt, sich ausreichender mechanischer Be-
griffe bedienen zu können. Sie stellen vielmehr Übergangs-
formen vor, in denen das Denken sich versucht, um die mecha-
nische Vorstellungsweise der Atomistik für die Erklärung der
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/376>, abgerufen am 22.11.2024.
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