Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Van Helmont: Chemische Kenntnisse. Gase.
pagnet wird das Wasser in der Atmosphäre von dem Wasser
auf der Erdoberfläche unterschieden und angedeutet, daß die
Luft die Rolle des trennenden Agens zwischen diesen beiden
Wassermassen spielt; ebenso ist der Himmel mit dem Luftele-
ment identisch gesetzt.

Ein wesentlicher Fortschritt ist jedoch bei Helmont vor-
handen. Seine theoretischen Ansichten sind nämlich getragen
von ausgezeichneten chemischen Kenntnissen. Er ist dadurch
in die Lage gesetzt, die Erhaltung bestimmter chemischer Sub-
stanzen im Wechsel der Verbindungen empirisch nachzuweisen.
Namentlich zeigt er, daß die Metalle in den Lösungen, insbe-
sondere das Silber in der Salpetersäure, substanziell erhalten
bleiben, obwohl die Flüssigkeit von den Eigenschaften des
Metalls nichts erkennen lasse.1 In einzelnen Fällen weist er
nach, daß das Gewicht der Substanzen nach dem Ausscheiden
aus der Verbindung sich nicht geändert habe und wirkt da-
durch für den Gebrauch der Wage als des unentbehrlichen
Hilfsmittels einer wissenschaftlichen Chemie.2 So trägt er, ob-
wohl seine Theorie sich vom Begriff der Form noch nicht ganz
frei machen kann, doch durch seine experimentelle Thätigkeit
wesentlich bei zur quantitativen Betrachtung der Natur.

Er scheint der erste zu sein, welcher verschiedene Gase
gekannt und sie einerseits von der Luft, anderseits von den
Dämpfen unterschieden hat; insbesondere ist er der Entdecker
der Kohlensäure. Jedenfalls kommt ihm das Verdienst zu,
den Namen für einen Begriff in die Wissenschaft eingeführt
zu haben, welcher für die weitere Entwickelung unentbehrlich
ist. Von den vielen Kunstausdrücken, welche Helmont ge-
brauchte, hat sich das Wort Gas (von dem holländischen
Gahst, Geist) als Bezeichnung für den dritten Aggregatzustand
erhalten. Allerdings hat dieser Begriff erst später die jetzige
allgemeine Bedeutung gewonnen; Helmont ist es noch nicht
gelungen, ihm völlige Klarheit zu verleihen. Es fehlte ihm
der Begriff des chemischen Stoffes, ohne welchen von der
physikalischen Aggregatform nicht abstrahiert werden kann.
Daher erkennt er nicht, daß die Luft der eigentliche Reprä-

1 S. Kopp, Beitr. 3. St. S. 154.
2 A. a. O. S. 154, 155.

Van Helmont: Chemische Kenntnisse. Gase.
pagnet wird das Wasser in der Atmosphäre von dem Wasser
auf der Erdoberfläche unterschieden und angedeutet, daß die
Luft die Rolle des trennenden Agens zwischen diesen beiden
Wassermassen spielt; ebenso ist der Himmel mit dem Luftele-
ment identisch gesetzt.

Ein wesentlicher Fortschritt ist jedoch bei Helmont vor-
handen. Seine theoretischen Ansichten sind nämlich getragen
von ausgezeichneten chemischen Kenntnissen. Er ist dadurch
in die Lage gesetzt, die Erhaltung bestimmter chemischer Sub-
stanzen im Wechsel der Verbindungen empirisch nachzuweisen.
Namentlich zeigt er, daß die Metalle in den Lösungen, insbe-
sondere das Silber in der Salpetersäure, substanziell erhalten
bleiben, obwohl die Flüssigkeit von den Eigenschaften des
Metalls nichts erkennen lasse.1 In einzelnen Fällen weist er
nach, daß das Gewicht der Substanzen nach dem Ausscheiden
aus der Verbindung sich nicht geändert habe und wirkt da-
durch für den Gebrauch der Wage als des unentbehrlichen
Hilfsmittels einer wissenschaftlichen Chemie.2 So trägt er, ob-
wohl seine Theorie sich vom Begriff der Form noch nicht ganz
frei machen kann, doch durch seine experimentelle Thätigkeit
wesentlich bei zur quantitativen Betrachtung der Natur.

Er scheint der erste zu sein, welcher verschiedene Gase
gekannt und sie einerseits von der Luft, anderseits von den
Dämpfen unterschieden hat; insbesondere ist er der Entdecker
der Kohlensäure. Jedenfalls kommt ihm das Verdienst zu,
den Namen für einen Begriff in die Wissenschaft eingeführt
zu haben, welcher für die weitere Entwickelung unentbehrlich
ist. Von den vielen Kunstausdrücken, welche Helmont ge-
brauchte, hat sich das Wort Gas (von dem holländischen
Gahst, Geist) als Bezeichnung für den dritten Aggregatzustand
erhalten. Allerdings hat dieser Begriff erst später die jetzige
allgemeine Bedeutung gewonnen; Helmont ist es noch nicht
gelungen, ihm völlige Klarheit zu verleihen. Es fehlte ihm
der Begriff des chemischen Stoffes, ohne welchen von der
physikalischen Aggregatform nicht abstrahiert werden kann.
Daher erkennt er nicht, daß die Luft der eigentliche Reprä-

1 S. Kopp, Beitr. 3. St. S. 154.
2 A. a. O. S. 154, 155.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0367" n="349"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Van Helmont</hi>: Chemische Kenntnisse. Gase.</fw><lb/><hi rendition="#k">pagnet</hi> wird das Wasser in der Atmosphäre von dem Wasser<lb/>
auf der Erdoberfläche unterschieden und angedeutet, daß die<lb/>
Luft die Rolle des trennenden Agens zwischen diesen beiden<lb/>
Wassermassen spielt; ebenso ist der Himmel mit dem Luftele-<lb/>
ment identisch gesetzt.</p><lb/>
            <p>Ein wesentlicher Fortschritt ist jedoch bei <hi rendition="#k">Helmont</hi> vor-<lb/>
handen. Seine theoretischen Ansichten sind nämlich getragen<lb/>
von ausgezeichneten chemischen Kenntnissen. Er ist dadurch<lb/>
in die Lage gesetzt, die Erhaltung bestimmter chemischer Sub-<lb/>
stanzen im Wechsel der Verbindungen empirisch nachzuweisen.<lb/>
Namentlich zeigt er, daß die Metalle in den Lösungen, insbe-<lb/>
sondere das Silber in der Salpetersäure, substanziell erhalten<lb/>
bleiben, obwohl die Flüssigkeit von den Eigenschaften des<lb/>
Metalls nichts erkennen lasse.<note place="foot" n="1">S. <hi rendition="#k">Kopp</hi>, <hi rendition="#i">Beitr.</hi> 3. St. S. 154.</note> In einzelnen Fällen weist er<lb/>
nach, daß das Gewicht der Substanzen nach dem Ausscheiden<lb/>
aus der Verbindung sich nicht geändert habe und wirkt da-<lb/>
durch für den Gebrauch der Wage als des unentbehrlichen<lb/>
Hilfsmittels einer wissenschaftlichen Chemie.<note place="foot" n="2">A. a. O. S. 154, 155.</note> So trägt er, ob-<lb/>
wohl seine Theorie sich vom Begriff der Form noch nicht ganz<lb/>
frei machen kann, doch durch seine experimentelle Thätigkeit<lb/>
wesentlich bei zur <hi rendition="#g">quantitativen</hi> Betrachtung der Natur.</p><lb/>
            <p>Er scheint der erste zu sein, welcher <hi rendition="#g">verschiedene</hi> Gase<lb/>
gekannt und sie einerseits von der Luft, anderseits von den<lb/>
Dämpfen unterschieden hat; insbesondere ist er der Entdecker<lb/>
der Kohlensäure. Jedenfalls kommt ihm das Verdienst zu,<lb/>
den Namen für einen Begriff in die Wissenschaft eingeführt<lb/>
zu haben, welcher für die weitere Entwickelung unentbehrlich<lb/>
ist. Von den vielen Kunstausdrücken, welche <hi rendition="#k">Helmont</hi> ge-<lb/>
brauchte, hat sich das Wort <hi rendition="#g">Gas</hi> (von dem holländischen<lb/><hi rendition="#i">Gahst</hi>, Geist) als Bezeichnung für den dritten Aggregatzustand<lb/>
erhalten. Allerdings hat dieser Begriff erst später die jetzige<lb/>
allgemeine Bedeutung gewonnen; <hi rendition="#k">Helmont</hi> ist es noch nicht<lb/>
gelungen, ihm völlige Klarheit zu verleihen. Es fehlte ihm<lb/>
der Begriff des <hi rendition="#g">chemischen Stoffes,</hi> ohne welchen von der<lb/>
physikalischen Aggregatform nicht abstrahiert werden kann.<lb/>
Daher erkennt er nicht, daß die Luft der eigentliche Reprä-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0367] Van Helmont: Chemische Kenntnisse. Gase. pagnet wird das Wasser in der Atmosphäre von dem Wasser auf der Erdoberfläche unterschieden und angedeutet, daß die Luft die Rolle des trennenden Agens zwischen diesen beiden Wassermassen spielt; ebenso ist der Himmel mit dem Luftele- ment identisch gesetzt. Ein wesentlicher Fortschritt ist jedoch bei Helmont vor- handen. Seine theoretischen Ansichten sind nämlich getragen von ausgezeichneten chemischen Kenntnissen. Er ist dadurch in die Lage gesetzt, die Erhaltung bestimmter chemischer Sub- stanzen im Wechsel der Verbindungen empirisch nachzuweisen. Namentlich zeigt er, daß die Metalle in den Lösungen, insbe- sondere das Silber in der Salpetersäure, substanziell erhalten bleiben, obwohl die Flüssigkeit von den Eigenschaften des Metalls nichts erkennen lasse. 1 In einzelnen Fällen weist er nach, daß das Gewicht der Substanzen nach dem Ausscheiden aus der Verbindung sich nicht geändert habe und wirkt da- durch für den Gebrauch der Wage als des unentbehrlichen Hilfsmittels einer wissenschaftlichen Chemie. 2 So trägt er, ob- wohl seine Theorie sich vom Begriff der Form noch nicht ganz frei machen kann, doch durch seine experimentelle Thätigkeit wesentlich bei zur quantitativen Betrachtung der Natur. Er scheint der erste zu sein, welcher verschiedene Gase gekannt und sie einerseits von der Luft, anderseits von den Dämpfen unterschieden hat; insbesondere ist er der Entdecker der Kohlensäure. Jedenfalls kommt ihm das Verdienst zu, den Namen für einen Begriff in die Wissenschaft eingeführt zu haben, welcher für die weitere Entwickelung unentbehrlich ist. Von den vielen Kunstausdrücken, welche Helmont ge- brauchte, hat sich das Wort Gas (von dem holländischen Gahst, Geist) als Bezeichnung für den dritten Aggregatzustand erhalten. Allerdings hat dieser Begriff erst später die jetzige allgemeine Bedeutung gewonnen; Helmont ist es noch nicht gelungen, ihm völlige Klarheit zu verleihen. Es fehlte ihm der Begriff des chemischen Stoffes, ohne welchen von der physikalischen Aggregatform nicht abstrahiert werden kann. Daher erkennt er nicht, daß die Luft der eigentliche Reprä- 1 S. Kopp, Beitr. 3. St. S. 154. 2 A. a. O. S. 154, 155.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/367
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/367>, abgerufen am 22.11.2024.