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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Campanella: Unklarheiten.
allen Seiten (extensio absque discontinuatione), bei welcher nur
eine scheinbare Teilung (divisio absque discontinuatione) statt-
finde. Die Verdichtung ist dann wieder (wie bei den Stoikern)
eine innere Spannung (intensio seu tensio interna). Hierbei
beruft sich Campanella direkt auf Seneca.1 Er gibt zu, daß
jener Vorgang allerdings schwer zu begreifen ist, inwiefern in
einer verdünnten Materie kein leerer Zwischenraum enthalten
sein solle. Aber zur Annahme von leeren Zwischenräumen
kann er sich, obwohl er die mangelnde Anschaulichkeit seiner
Theorie einsieht, doch nicht entschließen; er tröstet sich da-
mit, daß die Kunst die Natur nie ganz und vollkommen nach-
ahmen kann; und wenn wir daher durch Verdickung und Ver-
dünnung der Teile nie Luft in Wasser und umgekehrt
verwandeln können, so vermögen es doch thatsächlich Wärme
und Kälte. Campanella begnügt sich hier mit der Annahme
einer qualitas occulta. Über solche Schwierigkeiten hilft er
sich indessen durch die allgemeine Belebung der Welt hin-
weg. Alles kommt nämlich zustande durch die Triebe, welche in
den Dingen selbst liegen. Die Elemente wie alle Körper haben
Empfindung und wirken aufeinander durch Liebe und Abscheu;
daraus erklären sich die Eigenschaften schwer und leicht und
was sonst irgend dem Physiker bedenklich ist. Wie Telesio
legt auch Campanella in die Materie den Trieb der Selbster-
haltung, zu dessen Erklärung eben die Beseeltheit herhalten
muß. Er zeigt aber gegen Telesio einen bedeutenden Rückschritt,
insofern er die von Telesio glücklich festgehaltene Abgrenzung
der Physik wieder aufgibt und gerade das Fehlen metaphysischer
Begründung und Spekulation seinem Lehrer als Mangel an-
rechnet; für den Zeitgenossen Galileis keine gute Empfehlung.
Daß Campanella für die Unveränderlichkeit seiner beiden Ele-
mente eintritt, bleibt schließlich für die Geschichte der Physik
sein bestes Verdienst. Übrigens fällt seine Wirksamkeit zum
Teil bereits in die Zeit, in welcher von anderer Seite her die
Erneuerung der Korpuskulartheorie schon gesichert war. --

Den Beschluß in der hier betrachteten Reihe von Männern,
welche die Elementenlehre allmählich umformen, bis durch die
systematische Begründung der Korpuskularphysik die Theo-

1 Metaphys. l. II c. 5. art. 9. p. 213, 214.

Campanella: Unklarheiten.
allen Seiten (extensio absque discontinuatione), bei welcher nur
eine scheinbare Teilung (divisio absque discontinuatione) statt-
finde. Die Verdichtung ist dann wieder (wie bei den Stoikern)
eine innere Spannung (intensio seu tensio interna). Hierbei
beruft sich Campanella direkt auf Seneca.1 Er gibt zu, daß
jener Vorgang allerdings schwer zu begreifen ist, inwiefern in
einer verdünnten Materie kein leerer Zwischenraum enthalten
sein solle. Aber zur Annahme von leeren Zwischenräumen
kann er sich, obwohl er die mangelnde Anschaulichkeit seiner
Theorie einsieht, doch nicht entschließen; er tröstet sich da-
mit, daß die Kunst die Natur nie ganz und vollkommen nach-
ahmen kann; und wenn wir daher durch Verdickung und Ver-
dünnung der Teile nie Luft in Wasser und umgekehrt
verwandeln können, so vermögen es doch thatsächlich Wärme
und Kälte. Campanella begnügt sich hier mit der Annahme
einer qualitas occulta. Über solche Schwierigkeiten hilft er
sich indessen durch die allgemeine Belebung der Welt hin-
weg. Alles kommt nämlich zustande durch die Triebe, welche in
den Dingen selbst liegen. Die Elemente wie alle Körper haben
Empfindung und wirken aufeinander durch Liebe und Abscheu;
daraus erklären sich die Eigenschaften schwer und leicht und
was sonst irgend dem Physiker bedenklich ist. Wie Telesio
legt auch Campanella in die Materie den Trieb der Selbster-
haltung, zu dessen Erklärung eben die Beseeltheit herhalten
muß. Er zeigt aber gegen Telesio einen bedeutenden Rückschritt,
insofern er die von Telesio glücklich festgehaltene Abgrenzung
der Physik wieder aufgibt und gerade das Fehlen metaphysischer
Begründung und Spekulation seinem Lehrer als Mangel an-
rechnet; für den Zeitgenossen Galileis keine gute Empfehlung.
Daß Campanella für die Unveränderlichkeit seiner beiden Ele-
mente eintritt, bleibt schließlich für die Geschichte der Physik
sein bestes Verdienst. Übrigens fällt seine Wirksamkeit zum
Teil bereits in die Zeit, in welcher von anderer Seite her die
Erneuerung der Korpuskulartheorie schon gesichert war. —

Den Beschluß in der hier betrachteten Reihe von Männern,
welche die Elementenlehre allmählich umformen, bis durch die
systematische Begründung der Korpuskularphysik die Theo-

1 Metaphys. l. II c. 5. art. 9. p. 213, 214.
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[342/0360] Campanella: Unklarheiten. allen Seiten (extensio absque discontinuatione), bei welcher nur eine scheinbare Teilung (divisio absque discontinuatione) statt- finde. Die Verdichtung ist dann wieder (wie bei den Stoikern) eine innere Spannung (intensio seu tensio interna). Hierbei beruft sich Campanella direkt auf Seneca. 1 Er gibt zu, daß jener Vorgang allerdings schwer zu begreifen ist, inwiefern in einer verdünnten Materie kein leerer Zwischenraum enthalten sein solle. Aber zur Annahme von leeren Zwischenräumen kann er sich, obwohl er die mangelnde Anschaulichkeit seiner Theorie einsieht, doch nicht entschließen; er tröstet sich da- mit, daß die Kunst die Natur nie ganz und vollkommen nach- ahmen kann; und wenn wir daher durch Verdickung und Ver- dünnung der Teile nie Luft in Wasser und umgekehrt verwandeln können, so vermögen es doch thatsächlich Wärme und Kälte. Campanella begnügt sich hier mit der Annahme einer qualitas occulta. Über solche Schwierigkeiten hilft er sich indessen durch die allgemeine Belebung der Welt hin- weg. Alles kommt nämlich zustande durch die Triebe, welche in den Dingen selbst liegen. Die Elemente wie alle Körper haben Empfindung und wirken aufeinander durch Liebe und Abscheu; daraus erklären sich die Eigenschaften schwer und leicht und was sonst irgend dem Physiker bedenklich ist. Wie Telesio legt auch Campanella in die Materie den Trieb der Selbster- haltung, zu dessen Erklärung eben die Beseeltheit herhalten muß. Er zeigt aber gegen Telesio einen bedeutenden Rückschritt, insofern er die von Telesio glücklich festgehaltene Abgrenzung der Physik wieder aufgibt und gerade das Fehlen metaphysischer Begründung und Spekulation seinem Lehrer als Mangel an- rechnet; für den Zeitgenossen Galileis keine gute Empfehlung. Daß Campanella für die Unveränderlichkeit seiner beiden Ele- mente eintritt, bleibt schließlich für die Geschichte der Physik sein bestes Verdienst. Übrigens fällt seine Wirksamkeit zum Teil bereits in die Zeit, in welcher von anderer Seite her die Erneuerung der Korpuskulartheorie schon gesichert war. — Den Beschluß in der hier betrachteten Reihe von Männern, welche die Elementenlehre allmählich umformen, bis durch die systematische Begründung der Korpuskularphysik die Theo- 1 Metaphys. l. II c. 5. art. 9. p. 213, 214.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/360>, abgerufen am 22.11.2024.