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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Dionysius: Interesse nur theologisch.
des Herrn die Erde segnete, mit Verständnis betrachtet, noch
je das Auge in Andacht zum Himmel erhoben, um jene deut-
liche Stimme zu vernehmen: "Die Himmel erzählen die Ehre
Gottes und die Feste verkündiget seiner Hände Werk."1

Wirklich physikalische Einwürfe gegen die Atomistik
werden von Dionysius kaum gestreift; denn wenn er auch davon
spricht, daß die Verschiedenartigkeit der Körper nach Art
und Dauer ebensowenig wie die Regelmäßigkeit der Welt-
ordnung durch Atome erklärt werden könne, die in ihrer Sub-
stanz gleichartig, in ihrer Bewegung zwecklos und verworren
seien, so fällt es ihm doch nicht ein, jene naturwissenschaft-
lichen Thatsachen etwa durch eine andere physikalische Hypo-
these für besser erklärbar zu halten. Er sieht vielmehr nur
den einen Ausweg, einen allweisen und allgütigen Schöpfer als
Ursache der Welt und ihrer Ordnung anzunehmen. Die Natur
betrachtet er unter keinem andren Gesichtspunkte, als dem,
daraus Beweise für Gottes Schöpfermacht zu gewinnen. Das
Interesse seines Erkennens ist ein metaphysisches, welches im
theologischen gipfelt.

Von demselben Interesse geleitet hat Eusebius das Bruch-
stück des Dionysius in seine Praeparatio evangelica aufge-
nommen, um zu zeigen, wie hoch die christliche Weltan-
schauung in ihrem fest gegründeten Glauben über den zur
Lächerlichkeit führenden Hirngespinsten der Philosophen stehe.

3. Lactantius.

Die ausführliche Erwähnung, welche Lactantius der antiken
Atomistik zu teil werden läßt, entspringt ebenfalls aus der
Absicht, die Meinung derer zurückzuweisen, welche die gött-
liche Vorsehung als schöpferische und leitende Kraft der Welt
nicht anerkennen wollen. Er unterscheidet die Ansicht, daß
die Welt aus dem willkürlichen Zusammentreffen ursprünglicher
Anfänge (principia) sich verdichtet habe, von derjenigen, daß
sie plötzlich von Natur hervorgetreten sei, jedoch ohne Hilfe

1 Psalm 19, 2.

Dionysius: Interesse nur theologisch.
des Herrn die Erde segnete, mit Verständnis betrachtet, noch
je das Auge in Andacht zum Himmel erhoben, um jene deut-
liche Stimme zu vernehmen: „Die Himmel erzählen die Ehre
Gottes und die Feste verkündiget seiner Hände Werk.‟1

Wirklich physikalische Einwürfe gegen die Atomistik
werden von Dionysius kaum gestreift; denn wenn er auch davon
spricht, daß die Verschiedenartigkeit der Körper nach Art
und Dauer ebensowenig wie die Regelmäßigkeit der Welt-
ordnung durch Atome erklärt werden könne, die in ihrer Sub-
stanz gleichartig, in ihrer Bewegung zwecklos und verworren
seien, so fällt es ihm doch nicht ein, jene naturwissenschaft-
lichen Thatsachen etwa durch eine andere physikalische Hypo-
these für besser erklärbar zu halten. Er sieht vielmehr nur
den einen Ausweg, einen allweisen und allgütigen Schöpfer als
Ursache der Welt und ihrer Ordnung anzunehmen. Die Natur
betrachtet er unter keinem andren Gesichtspunkte, als dem,
daraus Beweise für Gottes Schöpfermacht zu gewinnen. Das
Interesse seines Erkennens ist ein metaphysisches, welches im
theologischen gipfelt.

Von demselben Interesse geleitet hat Eusebius das Bruch-
stück des Dionysius in seine Praeparatio evangelica aufge-
nommen, um zu zeigen, wie hoch die christliche Weltan-
schauung in ihrem fest gegründeten Glauben über den zur
Lächerlichkeit führenden Hirngespinsten der Philosophen stehe.

3. Lactantius.

Die ausführliche Erwähnung, welche Lactantius der antiken
Atomistik zu teil werden läßt, entspringt ebenfalls aus der
Absicht, die Meinung derer zurückzuweisen, welche die gött-
liche Vorsehung als schöpferische und leitende Kraft der Welt
nicht anerkennen wollen. Er unterscheidet die Ansicht, daß
die Welt aus dem willkürlichen Zusammentreffen ursprünglicher
Anfänge (principia) sich verdichtet habe, von derjenigen, daß
sie plötzlich von Natur hervorgetreten sei, jedoch ohne Hilfe

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[18/0036] Dionysius: Interesse nur theologisch. des Herrn die Erde segnete, mit Verständnis betrachtet, noch je das Auge in Andacht zum Himmel erhoben, um jene deut- liche Stimme zu vernehmen: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Feste verkündiget seiner Hände Werk.‟ 1 Wirklich physikalische Einwürfe gegen die Atomistik werden von Dionysius kaum gestreift; denn wenn er auch davon spricht, daß die Verschiedenartigkeit der Körper nach Art und Dauer ebensowenig wie die Regelmäßigkeit der Welt- ordnung durch Atome erklärt werden könne, die in ihrer Sub- stanz gleichartig, in ihrer Bewegung zwecklos und verworren seien, so fällt es ihm doch nicht ein, jene naturwissenschaft- lichen Thatsachen etwa durch eine andere physikalische Hypo- these für besser erklärbar zu halten. Er sieht vielmehr nur den einen Ausweg, einen allweisen und allgütigen Schöpfer als Ursache der Welt und ihrer Ordnung anzunehmen. Die Natur betrachtet er unter keinem andren Gesichtspunkte, als dem, daraus Beweise für Gottes Schöpfermacht zu gewinnen. Das Interesse seines Erkennens ist ein metaphysisches, welches im theologischen gipfelt. Von demselben Interesse geleitet hat Eusebius das Bruch- stück des Dionysius in seine Praeparatio evangelica aufge- nommen, um zu zeigen, wie hoch die christliche Weltan- schauung in ihrem fest gegründeten Glauben über den zur Lächerlichkeit führenden Hirngespinsten der Philosophen stehe. 3. Lactantius. Die ausführliche Erwähnung, welche Lactantius der antiken Atomistik zu teil werden läßt, entspringt ebenfalls aus der Absicht, die Meinung derer zurückzuweisen, welche die gött- liche Vorsehung als schöpferische und leitende Kraft der Welt nicht anerkennen wollen. Er unterscheidet die Ansicht, daß die Welt aus dem willkürlichen Zusammentreffen ursprünglicher Anfänge (principia) sich verdichtet habe, von derjenigen, daß sie plötzlich von Natur hervorgetreten sei, jedoch ohne Hilfe 1 Psalm 19, 2.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/36>, abgerufen am 23.11.2024.