sonst auch nicht zu erklären, daß die Sonnenstrahlen auf Erde und Mond dringen und die Himmelskörper sich frei bewegen können.1 Durch den leeren Raum gelangen die Lichtstrahlen ohne Zeit zu gebrauchen, dagegen geht die Fortpflanzung des Lichtes durch die Luft und durchsichtige Körper in der Zeit vor sich.2 Wäre der Raum zwischen Erde und Mond ganz von Elementen erfüllt, so müßte man auf denselben den Schattenkegel der Erde projiziert sehen. Auch die Kometen erfordern für ihre Bewegung ein Vacuum.3 Durch die An- nahme des Vacuums erledigt sich zugleich die Kontroverse über die Endlichkeit oder Unendlichkeit der Welt, da das Vacuum weder als endlich noch als unendlich angesehen werden kann.4
Die Wärme ist keine Eigenschaft, sondern ein Actus, und zwar der Actus der verfeinerten Flüssigkeit, etwa als ein sehr feiner aber körperlicher Äther vorzustellen. Die Kälte ist nichts als das Fehlen der Wärme; kalte Körper wirken abkühlend nur dadurch, daß sie die Wärme dem menschlichen Körper ent- ziehen. Auch das Vacuum ist wegen des Fehlens der Wärme kalt zu denken.5
Außer dieser Polemik gegen die aristotelische Physik, in welcher sich überall das fortgeschrittene Wissen des exakten Beobachters dokumentiert, zeichnet sich Gilbert noch besonders durch seine Auffassung von der Ursache der Schwere aus. Von der Erde stammt ja alles Irdische; daher behalten die Kör- per auch eine Neigung zu diesem ihrem Ursprunge hin; was von der Erde ausgegangen, strebt wieder zur Erde. Nicht nach einem bestimmten Orte oder einer bestimmten Lage in der Welt gravitieren die Körper, sondern die Teile der Welt- kugeln streben nach ihren eigenen Massen und werden von ihnen angezogen; und das gilt nicht nur von der Erde, sondern auch von den übrigen in der Welt existierenden Himmelskörpern. Es ist dies der Zug des Körpers zum Körper, der Teile zum Ganzen, der Bruchstücke zu ihrer eigenen Kugel, nicht zu dem räumlichen Orte dieser Kugel. Und die Bewe- gung ist um so stärker und heftiger, je enger und dichter die
1 A. a. O. p. 72.
2 A. a. O. p. 53.
3 A. a. O. p. 65, 66.
4 A. a. O. p. 72.
5 A. a. O. p. 79, 83, 86, 88, 90 f., 92, 95.
Gilbert: Vacuum. Wärme. Schwere.
sonst auch nicht zu erklären, daß die Sonnenstrahlen auf Erde und Mond dringen und die Himmelskörper sich frei bewegen können.1 Durch den leeren Raum gelangen die Lichtstrahlen ohne Zeit zu gebrauchen, dagegen geht die Fortpflanzung des Lichtes durch die Luft und durchsichtige Körper in der Zeit vor sich.2 Wäre der Raum zwischen Erde und Mond ganz von Elementen erfüllt, so müßte man auf denselben den Schattenkegel der Erde projiziert sehen. Auch die Kometen erfordern für ihre Bewegung ein Vacuum.3 Durch die An- nahme des Vacuums erledigt sich zugleich die Kontroverse über die Endlichkeit oder Unendlichkeit der Welt, da das Vacuum weder als endlich noch als unendlich angesehen werden kann.4
Die Wärme ist keine Eigenschaft, sondern ein Actus, und zwar der Actus der verfeinerten Flüssigkeit, etwa als ein sehr feiner aber körperlicher Äther vorzustellen. Die Kälte ist nichts als das Fehlen der Wärme; kalte Körper wirken abkühlend nur dadurch, daß sie die Wärme dem menschlichen Körper ent- ziehen. Auch das Vacuum ist wegen des Fehlens der Wärme kalt zu denken.5
Außer dieser Polemik gegen die aristotelische Physik, in welcher sich überall das fortgeschrittene Wissen des exakten Beobachters dokumentiert, zeichnet sich Gilbert noch besonders durch seine Auffassung von der Ursache der Schwere aus. Von der Erde stammt ja alles Irdische; daher behalten die Kör- per auch eine Neigung zu diesem ihrem Ursprunge hin; was von der Erde ausgegangen, strebt wieder zur Erde. Nicht nach einem bestimmten Orte oder einer bestimmten Lage in der Welt gravitieren die Körper, sondern die Teile der Welt- kugeln streben nach ihren eigenen Massen und werden von ihnen angezogen; und das gilt nicht nur von der Erde, sondern auch von den übrigen in der Welt existierenden Himmelskörpern. Es ist dies der Zug des Körpers zum Körper, der Teile zum Ganzen, der Bruchstücke zu ihrer eigenen Kugel, nicht zu dem räumlichen Orte dieser Kugel. Und die Bewe- gung ist um so stärker und heftiger, je enger und dichter die
1 A. a. O. p. 72.
2 A. a. O. p. 53.
3 A. a. O. p. 65, 66.
4 A. a. O. p. 72.
5 A. a. O. p. 79, 83, 86, 88, 90 f., 92, 95.
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[319/0337]
Gilbert: Vacuum. Wärme. Schwere.
sonst auch nicht zu erklären, daß die Sonnenstrahlen auf Erde
und Mond dringen und die Himmelskörper sich frei bewegen
können. 1 Durch den leeren Raum gelangen die Lichtstrahlen
ohne Zeit zu gebrauchen, dagegen geht die Fortpflanzung des
Lichtes durch die Luft und durchsichtige Körper in der Zeit
vor sich. 2 Wäre der Raum zwischen Erde und Mond ganz
von Elementen erfüllt, so müßte man auf denselben den
Schattenkegel der Erde projiziert sehen. Auch die Kometen
erfordern für ihre Bewegung ein Vacuum. 3 Durch die An-
nahme des Vacuums erledigt sich zugleich die Kontroverse
über die Endlichkeit oder Unendlichkeit der Welt, da das
Vacuum weder als endlich noch als unendlich angesehen
werden kann. 4
Die Wärme ist keine Eigenschaft, sondern ein Actus, und
zwar der Actus der verfeinerten Flüssigkeit, etwa als ein sehr
feiner aber körperlicher Äther vorzustellen. Die Kälte ist nichts
als das Fehlen der Wärme; kalte Körper wirken abkühlend nur
dadurch, daß sie die Wärme dem menschlichen Körper ent-
ziehen. Auch das Vacuum ist wegen des Fehlens der Wärme
kalt zu denken. 5
Außer dieser Polemik gegen die aristotelische Physik, in
welcher sich überall das fortgeschrittene Wissen des exakten
Beobachters dokumentiert, zeichnet sich Gilbert noch besonders
durch seine Auffassung von der Ursache der Schwere aus.
Von der Erde stammt ja alles Irdische; daher behalten die Kör-
per auch eine Neigung zu diesem ihrem Ursprunge hin; was
von der Erde ausgegangen, strebt wieder zur Erde. Nicht
nach einem bestimmten Orte oder einer bestimmten Lage in
der Welt gravitieren die Körper, sondern die Teile der Welt-
kugeln streben nach ihren eigenen Massen und werden
von ihnen angezogen; und das gilt nicht nur von der
Erde, sondern auch von den übrigen in der Welt existierenden
Himmelskörpern. Es ist dies der Zug des Körpers zum Körper,
der Teile zum Ganzen, der Bruchstücke zu ihrer eigenen Kugel,
nicht zu dem räumlichen Orte dieser Kugel. Und die Bewe-
gung ist um so stärker und heftiger, je enger und dichter die
1 A. a. O. p. 72.
2 A. a. O. p. 53.
3 A. a. O. p. 65, 66.
4 A. a. O. p. 72.
5 A. a. O. p. 79, 83, 86, 88, 90 f., 92, 95.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/337>, abgerufen am 16.02.2025.
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