Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.Telesio: Erhaltung der Materie. eine Einwirkung stattfinden kann. Ein leerer Raum ist nurdurch Zwang, z. B. durch Verdichten von Dünsten in einem geschlossenen Gefäße mittels Abkühlung, herzustellen. Die Wärme dehnt die Körper aus, die Kälte zieht sie zusammen; durch Verdichtung und Verdünnung erklären sich alle Er- scheinungen. Damit aber eine gegenseitige Einwirkung und ein Erhalten des Gleichgewichtes in der Körperwelt möglich werde, ist es notwendig, daß auch diese beseelt sei. Sollen die Körper durch gegenseitige Berührung einander beeinflussen, so müssen sie Empfindung besitzen; in der That beobachtet man, daß gewisse Körper sich anziehen, andere sich verabscheuen. So ist die ganze Welt voll Empfindung und keine Materie ohne Kraft. Während diese Vorstellungen mehr dichterisch-phantastischer Dieser Satz ist eine notwendige Vorbedingung aller Natur- Telesio: Erhaltung der Materie. eine Einwirkung stattfinden kann. Ein leerer Raum ist nurdurch Zwang, z. B. durch Verdichten von Dünsten in einem geschlossenen Gefäße mittels Abkühlung, herzustellen. Die Wärme dehnt die Körper aus, die Kälte zieht sie zusammen; durch Verdichtung und Verdünnung erklären sich alle Er- scheinungen. Damit aber eine gegenseitige Einwirkung und ein Erhalten des Gleichgewichtes in der Körperwelt möglich werde, ist es notwendig, daß auch diese beseelt sei. Sollen die Körper durch gegenseitige Berührung einander beeinflussen, so müssen sie Empfindung besitzen; in der That beobachtet man, daß gewisse Körper sich anziehen, andere sich verabscheuen. So ist die ganze Welt voll Empfindung und keine Materie ohne Kraft. Während diese Vorstellungen mehr dichterisch-phantastischer Dieser Satz ist eine notwendige Vorbedingung aller Natur- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0331" n="331[313]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Telesio</hi>: Erhaltung der Materie.</fw><lb/> eine Einwirkung stattfinden kann. Ein leerer Raum ist nur<lb/> durch Zwang, z. B. durch Verdichten von Dünsten in einem<lb/> geschlossenen Gefäße mittels Abkühlung, herzustellen. Die<lb/> Wärme dehnt die Körper aus, die Kälte zieht sie zusammen;<lb/> durch Verdichtung und Verdünnung erklären sich alle Er-<lb/> scheinungen. Damit aber eine gegenseitige Einwirkung und<lb/> ein Erhalten des Gleichgewichtes in der Körperwelt möglich<lb/> werde, ist es notwendig, daß auch diese beseelt sei. Sollen<lb/> die Körper durch gegenseitige Berührung einander beeinflussen,<lb/> so müssen sie Empfindung besitzen; in der That beobachtet man,<lb/> daß gewisse Körper sich anziehen, andere sich verabscheuen.<lb/> So ist die ganze Welt voll Empfindung und keine Materie<lb/> ohne Kraft.</p><lb/> <p>Während diese Vorstellungen mehr dichterisch-phantastischer<lb/> Natur als der Entwickelung exakter Naturwissenschaft günstig<lb/> sind, beruht die Bedeutung des <hi rendition="#k">Telesio</hi> in der Betonung eines<lb/> Gedankens, der für die Naturwissenschaft unentbehrlich ist.<lb/> Er schreibt der Materie einen Trieb zu, <hi rendition="#g">sich selbst zu er-<lb/> halten;</hi> sie setzt ihrer Überwindung durch die entgegen-<lb/> gesetzten Kräfte einen Widerstand entgegen. Bei aller Ver-<lb/> dichtung und Verdünnung bleibt doch stets die Masse der<lb/> Materie unverändert; kein Stoff kann in den andren eindringen,<lb/> keiner vernichtet werden. Wärme und Kälte sind so an den<lb/> Stoff gebunden, daß <hi rendition="#g">die Größe der Welt weder ver-<lb/> mehrt noch vermindert werden kann</hi>.</p><lb/> <p>Dieser Satz ist eine notwendige Vorbedingung aller Natur-<lb/> forschung, welche auf eine Untersuchung der quantitativen<lb/> Beziehung ausgeht. Es ist daher ein besonderes Verdienst des<lb/><hi rendition="#k">Telesio</hi>, daß er auf die Erhaltung der Materie und der an sie<lb/> gebundenen Kraft als eines konstant Gegebenen aufmerksam<lb/> macht, wenn es auch an einer festen Begriffsbestimmung des<lb/> Maßes derselben naturgemäß fehlt. Er erklärt diese Erhaltung<lb/> mit Hilfe der verschiedenen Orte, von welchen aus Wärme und<lb/> Kälte wirken; die erstere von der Peripherie, die letztere vom<lb/> Zentrum aus. Nur an den Grenzen ihrer Berührung entwickelt<lb/> sich der Weltprozeß in Werden und Vergehen, und es kann<lb/> nicht geschehen, daß beide Kräfte sich völlig ausgleichen und<lb/> die Welt somit vernichtet würde. Die Welt ist von Gott so<lb/> erschaffen und eingerichtet, daß sie sich selbst dauernd erhält<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [331[313]/0331]
Telesio: Erhaltung der Materie.
eine Einwirkung stattfinden kann. Ein leerer Raum ist nur
durch Zwang, z. B. durch Verdichten von Dünsten in einem
geschlossenen Gefäße mittels Abkühlung, herzustellen. Die
Wärme dehnt die Körper aus, die Kälte zieht sie zusammen;
durch Verdichtung und Verdünnung erklären sich alle Er-
scheinungen. Damit aber eine gegenseitige Einwirkung und
ein Erhalten des Gleichgewichtes in der Körperwelt möglich
werde, ist es notwendig, daß auch diese beseelt sei. Sollen
die Körper durch gegenseitige Berührung einander beeinflussen,
so müssen sie Empfindung besitzen; in der That beobachtet man,
daß gewisse Körper sich anziehen, andere sich verabscheuen.
So ist die ganze Welt voll Empfindung und keine Materie
ohne Kraft.
Während diese Vorstellungen mehr dichterisch-phantastischer
Natur als der Entwickelung exakter Naturwissenschaft günstig
sind, beruht die Bedeutung des Telesio in der Betonung eines
Gedankens, der für die Naturwissenschaft unentbehrlich ist.
Er schreibt der Materie einen Trieb zu, sich selbst zu er-
halten; sie setzt ihrer Überwindung durch die entgegen-
gesetzten Kräfte einen Widerstand entgegen. Bei aller Ver-
dichtung und Verdünnung bleibt doch stets die Masse der
Materie unverändert; kein Stoff kann in den andren eindringen,
keiner vernichtet werden. Wärme und Kälte sind so an den
Stoff gebunden, daß die Größe der Welt weder ver-
mehrt noch vermindert werden kann.
Dieser Satz ist eine notwendige Vorbedingung aller Natur-
forschung, welche auf eine Untersuchung der quantitativen
Beziehung ausgeht. Es ist daher ein besonderes Verdienst des
Telesio, daß er auf die Erhaltung der Materie und der an sie
gebundenen Kraft als eines konstant Gegebenen aufmerksam
macht, wenn es auch an einer festen Begriffsbestimmung des
Maßes derselben naturgemäß fehlt. Er erklärt diese Erhaltung
mit Hilfe der verschiedenen Orte, von welchen aus Wärme und
Kälte wirken; die erstere von der Peripherie, die letztere vom
Zentrum aus. Nur an den Grenzen ihrer Berührung entwickelt
sich der Weltprozeß in Werden und Vergehen, und es kann
nicht geschehen, daß beide Kräfte sich völlig ausgleichen und
die Welt somit vernichtet würde. Die Welt ist von Gott so
erschaffen und eingerichtet, daß sie sich selbst dauernd erhält
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