nur ein Accidens. Das Feuer wird durch die Wärme, die Wärme aber durch die Bewegung erzeugt.1In der Bewe- gung besteht das Wesen der Wärme. Dies zeigt auch der Prozeß der Erzeugung, welcher zunächst der Fäulnis bedarf. Hierbei werden die Elemente der Körper durch das Hinzutreten der Wärme in Bewegung gesetzt und miteinander gemischt, wodurch die Veränderung eintritt.
Auch beim Entstehen der zusammengesetzten Körper zeigt sich mit Notwendigkeit, daß alles belebt ist; denn nur eine Lebenskraft (anima) kann die erforderliche Verfeinerung, Ver- einigung und Verwandlung bewirken.2 In den zusammenge- setzten Körpern sind die Elemente actu enthalten, jedoch so, daß die Verbindung die Form eines Elementes zeigt, während sie von den übrigen bloß die Kräfte enthält.3 Nur dreierlei Bestandteile sind in allen Körpern, nämlich Erde, Wasser und die himmlische Wärme, welche sie vereinigt.4 Die Metalle bestehen nicht, wie viele glauben, aus zwei Substanzen Sulfur und Argentum vivum; denn aus zwei schon actu existierenden Substanzen kann keine dritte entstehen.5 Die irdischen zu- sammengesetzten Körper zerfallen in vier Gattungen, Erden, Säfte, Steine und Metalle, welche sich wieder untereinander verbinden. Mischung ungleichartiger Stoffe mit Veränderung der Form heißt generatio, ohne Veränderung der Form # (bei Flüssigen), oder mistio im engern Sinne (bei Festen). Mischung gleichartiger Dinge ist coacervatio.6
Die dargelegten Grundzüge der allgemeinen Physik Car- danos stimmen, wie man sieht, vielfach mit Paracelsus über- ein, aber sie bleiben hinter dem letzteren zurück. Paracelsus ging weiter, durch keine Rücksicht der Schule gebunden und durch alchymistische Überzeugungen geleitet, Cardano war noch zu sehr im Einfluß seiner gelehrten Bildung befangen, als daß er die Fesseln der aristotelischen Philosophie rück- sichtslos hätte abwerfen können. Er nimmt allerdings eine allgemeine Weltbelebung an, er stößt das Feuer aus der Zahl der Elemente und rüttelt an den von Aristoteles aufgestellten
1 A. a. O. l. 2. p. 64.
2 A. a. O. l. V. p. 211.
3 A. a. O. l. II. p. 84. V. p. 210.
4 A. a. O. l. II. p. 77.
5 A. a. O. l. VI. p. 257.
6 A. a. O. l. V. p. 206. Vgl. Rixner und Siber a. a. O. S. 67 ff.
Cardano: Zusammengesetzte Körper.
nur ein Accidens. Das Feuer wird durch die Wärme, die Wärme aber durch die Bewegung erzeugt.1In der Bewe- gung besteht das Wesen der Wärme. Dies zeigt auch der Prozeß der Erzeugung, welcher zunächst der Fäulnis bedarf. Hierbei werden die Elemente der Körper durch das Hinzutreten der Wärme in Bewegung gesetzt und miteinander gemischt, wodurch die Veränderung eintritt.
Auch beim Entstehen der zusammengesetzten Körper zeigt sich mit Notwendigkeit, daß alles belebt ist; denn nur eine Lebenskraft (anima) kann die erforderliche Verfeinerung, Ver- einigung und Verwandlung bewirken.2 In den zusammenge- setzten Körpern sind die Elemente actu enthalten, jedoch so, daß die Verbindung die Form eines Elementes zeigt, während sie von den übrigen bloß die Kräfte enthält.3 Nur dreierlei Bestandteile sind in allen Körpern, nämlich Erde, Wasser und die himmlische Wärme, welche sie vereinigt.4 Die Metalle bestehen nicht, wie viele glauben, aus zwei Substanzen Sulfur und Argentum vivum; denn aus zwei schon actu existierenden Substanzen kann keine dritte entstehen.5 Die irdischen zu- sammengesetzten Körper zerfallen in vier Gattungen, Erden, Säfte, Steine und Metalle, welche sich wieder untereinander verbinden. Mischung ungleichartiger Stoffe mit Veränderung der Form heißt generatio, ohne Veränderung der Form # (bei Flüssigen), oder mistio im engern Sinne (bei Festen). Mischung gleichartiger Dinge ist coacervatio.6
Die dargelegten Grundzüge der allgemeinen Physik Car- danos stimmen, wie man sieht, vielfach mit Paracelsus über- ein, aber sie bleiben hinter dem letzteren zurück. Paracelsus ging weiter, durch keine Rücksicht der Schule gebunden und durch alchymistische Überzeugungen geleitet, Cardano war noch zu sehr im Einfluß seiner gelehrten Bildung befangen, als daß er die Fesseln der aristotelischen Philosophie rück- sichtslos hätte abwerfen können. Er nimmt allerdings eine allgemeine Weltbelebung an, er stößt das Feuer aus der Zahl der Elemente und rüttelt an den von Aristoteles aufgestellten
1 A. a. O. l. 2. p. 64.
2 A. a. O. l. V. p. 211.
3 A. a. O. l. II. p. 84. V. p. 210.
4 A. a. O. l. II. p. 77.
5 A. a. O. l. VI. p. 257.
6 A. a. O. l. V. p. 206. Vgl. Rixner und Siber a. a. O. S. 67 ff.
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Cardano: Zusammengesetzte Körper.
nur ein Accidens. Das Feuer wird durch die Wärme, die
Wärme aber durch die Bewegung erzeugt. 1 In der Bewe-
gung besteht das Wesen der Wärme. Dies zeigt auch
der Prozeß der Erzeugung, welcher zunächst der Fäulnis
bedarf. Hierbei werden die Elemente der Körper durch das
Hinzutreten der Wärme in Bewegung gesetzt und miteinander
gemischt, wodurch die Veränderung eintritt.
Auch beim Entstehen der zusammengesetzten Körper zeigt
sich mit Notwendigkeit, daß alles belebt ist; denn nur eine
Lebenskraft (anima) kann die erforderliche Verfeinerung, Ver-
einigung und Verwandlung bewirken. 2 In den zusammenge-
setzten Körpern sind die Elemente actu enthalten, jedoch so,
daß die Verbindung die Form eines Elementes zeigt, während
sie von den übrigen bloß die Kräfte enthält. 3 Nur dreierlei
Bestandteile sind in allen Körpern, nämlich Erde, Wasser und
die himmlische Wärme, welche sie vereinigt. 4 Die Metalle
bestehen nicht, wie viele glauben, aus zwei Substanzen Sulfur
und Argentum vivum; denn aus zwei schon actu existierenden
Substanzen kann keine dritte entstehen. 5 Die irdischen zu-
sammengesetzten Körper zerfallen in vier Gattungen, Erden,
Säfte, Steine und Metalle, welche sich wieder untereinander
verbinden. Mischung ungleichartiger Stoffe mit Veränderung
der Form heißt generatio, ohne Veränderung der Form #
(bei Flüssigen), oder mistio im engern Sinne (bei Festen).
Mischung gleichartiger Dinge ist coacervatio. 6
Die dargelegten Grundzüge der allgemeinen Physik Car-
danos stimmen, wie man sieht, vielfach mit Paracelsus über-
ein, aber sie bleiben hinter dem letzteren zurück. Paracelsus
ging weiter, durch keine Rücksicht der Schule gebunden und
durch alchymistische Überzeugungen geleitet, Cardano war
noch zu sehr im Einfluß seiner gelehrten Bildung befangen,
als daß er die Fesseln der aristotelischen Philosophie rück-
sichtslos hätte abwerfen können. Er nimmt allerdings eine
allgemeine Weltbelebung an, er stößt das Feuer aus der Zahl
der Elemente und rüttelt an den von Aristoteles aufgestellten
1 A. a. O. l. 2. p. 64.
2 A. a. O. l. V. p. 211.
3 A. a. O. l. II. p.
84. V. p. 210.
4 A. a. O. l. II. p. 77.
5 A. a. O. l. VI. p. 257.
6 A. a. O. l. V. p. 206. Vgl. Rixner und Siber a. a. O. S. 67 ff.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/328>, abgerufen am 16.02.2025.
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