schrieben, und nur innerhalb derselben ist die Quantität variabel.1
Was nun die Qualitäten der Dinge anbetrifft, so kann man in der ganzen Natur nur zwei Haupteigenschaften unter- scheiden, nämlich irdische und himmlische. Die irdische Qua- lität ist die Feuchtigkeit, die himmlische ist die Wärme. Von der himmlischen Wärme stammt alle übrige Wärme her. Erzeugungsfähig wird die himmlische Wärme erst durch die Verbindung mit der Materie. Indem sie sich vom Himmel her durch die ganze Welt ausbreitet, wird sie in der Verbindung mit einem Trockenen zur Wärme des Feuers, in der Verbin- dung mit einem Feuchten aber zur Lebenswärme. In letzterer Form wirkt sie als Weltseele, anima mundi, und verursacht alles Entstehen und Vergehen. In diesem Sinne muß man die ganze Welt als belebt auffassen.2
Ein Element ist dasjenige, was keiner Nahrung bedarf, nicht selbst vergeht, nicht unstet umherschweift, sondern einen bestimmten Platz behauptet, seiner Natur gemäß eine große Masse besitzt und zur Erzeugung geeignet ist.3 Daraus folgt, daß es nur drei Elemente gibt, nämlich Erde, Wasser und Luft. Diese drei sind sublunarischer Natur und besitzen alle drei die Eigenschaft der Feuchtigkeit. Die Wärme kommt keinem Elemente an sich zu, sondern stammt überall, wie gesagt, von der himmlischen Wärme. Trockenheit und Kälte sind überhaupt keine selbständigen Eigenschaften, son- dern lediglich die Privation der Feuchtigkeit und der Wärme. Daß es nur drei Elemente gibt, beweist auch der chemische Prozeß der Sublimation; denn bei demselben ergeben sich stets nur drei Substanzen, nämlich Wasser, Öl und Erde, welche als Bodensatz zurückbleibt. Von diesen repräsentieren Wasser und Erde die betreffenden Elemente, während das Öl die Stelle der Luft vertritt.4 Das Feuer dagegen gehört nicht zu den Elementen, es ist überhaupt keine Substanz, sondern
1Hieronymi Cardani medici Mediolanensis De subtilitate Libri XXI. Lugduni 1551. 8. Lib. I p. 5--7.
2 Vgl. Rixner und Siber. 2. H. S. 25 f.
3De subtil. 1. 3. p. 44.
4 A. a. O. 1. 3. p. 40. Sublimationes etiam tres substantias tantum docent, aquam pro aqua, oleum vice aeris, et terram, quae in imo subsidet.
Cardano: Qualitäten. Nur drei Elemente.
schrieben, und nur innerhalb derselben ist die Quantität variabel.1
Was nun die Qualitäten der Dinge anbetrifft, so kann man in der ganzen Natur nur zwei Haupteigenschaften unter- scheiden, nämlich irdische und himmlische. Die irdische Qua- lität ist die Feuchtigkeit, die himmlische ist die Wärme. Von der himmlischen Wärme stammt alle übrige Wärme her. Erzeugungsfähig wird die himmlische Wärme erst durch die Verbindung mit der Materie. Indem sie sich vom Himmel her durch die ganze Welt ausbreitet, wird sie in der Verbindung mit einem Trockenen zur Wärme des Feuers, in der Verbin- dung mit einem Feuchten aber zur Lebenswärme. In letzterer Form wirkt sie als Weltseele, anima mundi, und verursacht alles Entstehen und Vergehen. In diesem Sinne muß man die ganze Welt als belebt auffassen.2
Ein Element ist dasjenige, was keiner Nahrung bedarf, nicht selbst vergeht, nicht unstet umherschweift, sondern einen bestimmten Platz behauptet, seiner Natur gemäß eine große Masse besitzt und zur Erzeugung geeignet ist.3 Daraus folgt, daß es nur drei Elemente gibt, nämlich Erde, Wasser und Luft. Diese drei sind sublunarischer Natur und besitzen alle drei die Eigenschaft der Feuchtigkeit. Die Wärme kommt keinem Elemente an sich zu, sondern stammt überall, wie gesagt, von der himmlischen Wärme. Trockenheit und Kälte sind überhaupt keine selbständigen Eigenschaften, son- dern lediglich die Privation der Feuchtigkeit und der Wärme. Daß es nur drei Elemente gibt, beweist auch der chemische Prozeß der Sublimation; denn bei demselben ergeben sich stets nur drei Substanzen, nämlich Wasser, Öl und Erde, welche als Bodensatz zurückbleibt. Von diesen repräsentieren Wasser und Erde die betreffenden Elemente, während das Öl die Stelle der Luft vertritt.4 Das Feuer dagegen gehört nicht zu den Elementen, es ist überhaupt keine Substanz, sondern
1Hieronymi Cardani medici Mediolanensis De subtilitate Libri XXI. Lugduni 1551. 8. Lib. I p. 5—7.
2 Vgl. Rixner und Siber. 2. H. S. 25 f.
3De subtil. 1. 3. p. 44.
4 A. a. O. 1. 3. p. 40. Sublimationes etiam tres substantias tantum docent, aquam pro aqua, oleum vice aëris, et terram, quae in imo subsidet.
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Cardano: Qualitäten. Nur drei Elemente.
schrieben, und nur innerhalb derselben ist die Quantität
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Was nun die Qualitäten der Dinge anbetrifft, so kann
man in der ganzen Natur nur zwei Haupteigenschaften unter-
scheiden, nämlich irdische und himmlische. Die irdische Qua-
lität ist die Feuchtigkeit, die himmlische ist die Wärme. Von
der himmlischen Wärme stammt alle übrige Wärme her.
Erzeugungsfähig wird die himmlische Wärme erst durch die
Verbindung mit der Materie. Indem sie sich vom Himmel her
durch die ganze Welt ausbreitet, wird sie in der Verbindung
mit einem Trockenen zur Wärme des Feuers, in der Verbin-
dung mit einem Feuchten aber zur Lebenswärme. In letzterer
Form wirkt sie als Weltseele, anima mundi, und verursacht alles
Entstehen und Vergehen. In diesem Sinne muß man die
ganze Welt als belebt auffassen. 2
Ein Element ist dasjenige, was keiner Nahrung bedarf,
nicht selbst vergeht, nicht unstet umherschweift, sondern einen
bestimmten Platz behauptet, seiner Natur gemäß eine große
Masse besitzt und zur Erzeugung geeignet ist. 3 Daraus folgt,
daß es nur drei Elemente gibt, nämlich Erde, Wasser und
Luft. Diese drei sind sublunarischer Natur und besitzen alle
drei die Eigenschaft der Feuchtigkeit. Die Wärme
kommt keinem Elemente an sich zu, sondern stammt überall,
wie gesagt, von der himmlischen Wärme. Trockenheit und
Kälte sind überhaupt keine selbständigen Eigenschaften, son-
dern lediglich die Privation der Feuchtigkeit und der Wärme.
Daß es nur drei Elemente gibt, beweist auch der chemische
Prozeß der Sublimation; denn bei demselben ergeben sich
stets nur drei Substanzen, nämlich Wasser, Öl und Erde,
welche als Bodensatz zurückbleibt. Von diesen repräsentieren
Wasser und Erde die betreffenden Elemente, während das Öl
die Stelle der Luft vertritt. 4 Das Feuer dagegen gehört nicht
zu den Elementen, es ist überhaupt keine Substanz, sondern
1 Hieronymi Cardani medici Mediolanensis De subtilitate Libri XXI.
Lugduni 1551. 8. Lib. I p. 5—7.
2 Vgl. Rixner und Siber. 2. H. S. 25 f.
3 De subtil. 1. 3. p. 44.
4 A. a. O. 1. 3. p. 40. Sublimationes etiam tres substantias tantum docent,
aquam pro aqua, oleum vice aëris, et terram, quae in imo subsidet.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/327>, abgerufen am 22.11.2024.
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