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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Paracelsus: Die Entwickelung.
Hier ist der Übergang zur Physik durch die Chemie gegeben.
Das Gesetz der Veränderlichkeit läßt das Studium an der Er-
fahrung zu, und dadurch führt es auf die kausale Ergründung
dieser Veränderlichkeit. Ursache und Wirkung werden nun-
mehr in den Dingen selbst aufgesucht, denn in der chemischen
Analyse und der organischen Synthese ist eine Handhabe ge-
geben, an welcher die Erkenntnis in das geheimnisvolle Walten
der Naturkräfte eindringen kann. Das Vertrauen ist neu ge-
kräftigt, es werde die Enthüllung der Natur gelingen. Schei-
dung und Zusammensetzung umfaßt den ganzen Weltlauf, von
der Schöpfung bis zum jüngsten Gericht. Dieser Weltlauf
trägt das Gesetz seines Werdens in sich selbst und muß daher
dem Verständnis als der Lebensprozeß eines Organismus sich er-
öffnen. Aus aller Bizarrerie und Phantastik der paracelsischen
Schriften leuchtet dieser eine Gedanke hervor, daß die Welt
sich erklären lassen müsse, weil ihr lebendiges Geschehen in
Zersetzung und neuer Zusammensetzung verläuft. Dadurch
hat Paracelsus seinen eingreifenden Einfluß auf Medizin und Phi-
losophie geübt und zugleich der Chemie einen neuen Aufschwung
gegeben. Es kommt dazu, daß er mit der Schärfe und Schlag-
fertigkeit des Reformators auftritt, der aus der Einfachheit
des Volksgeistes heraus neues Leben in das verdorrte Schrift-
tum der Wissenschaft bringt, und daß er mit aller Energie
auf die empirische Methode hinweist.

So wie Paracelsus die alchymistisch-neuplatonische Welt-
seelenlehre zu einem Grundprinzipe naturwissenschaftlicher
Welterklärung macht, so erweitert er in der speziellen Theorie
der Materie die Lehre von den drei Grundsubstanzen zu einer
neuen Elementenlehre.

Auch die Annahme der drei Grundsubstanzen, welche Para-
celsus
mit der Trinität des Schöpfers in Beziehung setzt, weist
auf neuplatonischen Einfluß zurück, wenngleich ihr Ursprung
in den meist aus platonisch-pythagoreischer Schule stammenden
hermetischen Schriften liegt. Die Alchymisten berufen sich
auf Hermes Trismegistus.

Nach dieser mysteriösen Autorität bestehen die Metalle
aus zwei Extremen, Corpus und Anima, welche zu ihrer Ver-
bindung der Vermittelung durch einen Spiritus bedürfen. Jene
Anima habe nun Basilius mit dem Namen Sulfur belegt und

Paracelsus: Die Entwickelung.
Hier ist der Übergang zur Physik durch die Chemie gegeben.
Das Gesetz der Veränderlichkeit läßt das Studium an der Er-
fahrung zu, und dadurch führt es auf die kausale Ergründung
dieser Veränderlichkeit. Ursache und Wirkung werden nun-
mehr in den Dingen selbst aufgesucht, denn in der chemischen
Analyse und der organischen Synthese ist eine Handhabe ge-
geben, an welcher die Erkenntnis in das geheimnisvolle Walten
der Naturkräfte eindringen kann. Das Vertrauen ist neu ge-
kräftigt, es werde die Enthüllung der Natur gelingen. Schei-
dung und Zusammensetzung umfaßt den ganzen Weltlauf, von
der Schöpfung bis zum jüngsten Gericht. Dieser Weltlauf
trägt das Gesetz seines Werdens in sich selbst und muß daher
dem Verständnis als der Lebensprozeß eines Organismus sich er-
öffnen. Aus aller Bizarrerie und Phantastik der paracelsischen
Schriften leuchtet dieser eine Gedanke hervor, daß die Welt
sich erklären lassen müsse, weil ihr lebendiges Geschehen in
Zersetzung und neuer Zusammensetzung verläuft. Dadurch
hat Paracelsus seinen eingreifenden Einfluß auf Medizin und Phi-
losophie geübt und zugleich der Chemie einen neuen Aufschwung
gegeben. Es kommt dazu, daß er mit der Schärfe und Schlag-
fertigkeit des Reformators auftritt, der aus der Einfachheit
des Volksgeistes heraus neues Leben in das verdorrte Schrift-
tum der Wissenschaft bringt, und daß er mit aller Energie
auf die empirische Methode hinweist.

So wie Paracelsus die alchymistisch-neuplatonische Welt-
seelenlehre zu einem Grundprinzipe naturwissenschaftlicher
Welterklärung macht, so erweitert er in der speziellen Theorie
der Materie die Lehre von den drei Grundsubstanzen zu einer
neuen Elementenlehre.

Auch die Annahme der drei Grundsubstanzen, welche Para-
celsus
mit der Trinität des Schöpfers in Beziehung setzt, weist
auf neuplatonischen Einfluß zurück, wenngleich ihr Ursprung
in den meist aus platonisch-pythagoreischer Schule stammenden
hermetischen Schriften liegt. Die Alchymisten berufen sich
auf Hermes Trismegistus.

Nach dieser mysteriösen Autorität bestehen die Metalle
aus zwei Extremen, Corpus und Anima, welche zu ihrer Ver-
bindung der Vermittelung durch einen Spiritus bedürfen. Jene
Anima habe nun Basilius mit dem Namen Sulfur belegt und

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[302/0320] Paracelsus: Die Entwickelung. Hier ist der Übergang zur Physik durch die Chemie gegeben. Das Gesetz der Veränderlichkeit läßt das Studium an der Er- fahrung zu, und dadurch führt es auf die kausale Ergründung dieser Veränderlichkeit. Ursache und Wirkung werden nun- mehr in den Dingen selbst aufgesucht, denn in der chemischen Analyse und der organischen Synthese ist eine Handhabe ge- geben, an welcher die Erkenntnis in das geheimnisvolle Walten der Naturkräfte eindringen kann. Das Vertrauen ist neu ge- kräftigt, es werde die Enthüllung der Natur gelingen. Schei- dung und Zusammensetzung umfaßt den ganzen Weltlauf, von der Schöpfung bis zum jüngsten Gericht. Dieser Weltlauf trägt das Gesetz seines Werdens in sich selbst und muß daher dem Verständnis als der Lebensprozeß eines Organismus sich er- öffnen. Aus aller Bizarrerie und Phantastik der paracelsischen Schriften leuchtet dieser eine Gedanke hervor, daß die Welt sich erklären lassen müsse, weil ihr lebendiges Geschehen in Zersetzung und neuer Zusammensetzung verläuft. Dadurch hat Paracelsus seinen eingreifenden Einfluß auf Medizin und Phi- losophie geübt und zugleich der Chemie einen neuen Aufschwung gegeben. Es kommt dazu, daß er mit der Schärfe und Schlag- fertigkeit des Reformators auftritt, der aus der Einfachheit des Volksgeistes heraus neues Leben in das verdorrte Schrift- tum der Wissenschaft bringt, und daß er mit aller Energie auf die empirische Methode hinweist. So wie Paracelsus die alchymistisch-neuplatonische Welt- seelenlehre zu einem Grundprinzipe naturwissenschaftlicher Welterklärung macht, so erweitert er in der speziellen Theorie der Materie die Lehre von den drei Grundsubstanzen zu einer neuen Elementenlehre. Auch die Annahme der drei Grundsubstanzen, welche Para- celsus mit der Trinität des Schöpfers in Beziehung setzt, weist auf neuplatonischen Einfluß zurück, wenngleich ihr Ursprung in den meist aus platonisch-pythagoreischer Schule stammenden hermetischen Schriften liegt. Die Alchymisten berufen sich auf Hermes Trismegistus. Nach dieser mysteriösen Autorität bestehen die Metalle aus zwei Extremen, Corpus und Anima, welche zu ihrer Ver- bindung der Vermittelung durch einen Spiritus bedürfen. Jene Anima habe nun Basilius mit dem Namen Sulfur belegt und

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/320>, abgerufen am 22.11.2024.