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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Grundsubstanzen der Chemiker.
auch der mechanischen Naturauffassung und der Atomistik
Bahn geschafft; denn obwohl die vitalistische Spiritualtheorie
letzteren Richtungen ebenfalls entgegengesetzt ist, so kam es
doch zunächst darauf an zu erkennen, daß die scholastische
Physik nicht die einzig mögliche sei. Den substanziellen Formen
gegenüber galt es, der irdischen Welt ihre Unabhängigkeit zu
erobern, und hierzu war die Annahme eines selbständigen
Lebens in derselben der erste Schritt. Es wurden dadurch die
Vorstellungen über die Elemente ins Schwanken gebracht, die
Weltseele erhält einen chemischen Charakter und es bildet
sich eine eigene Physik der "Spagiriker", d. i. der Chemiker
heraus.

5. Die chemischen Grundsubstanzen.

Die Alchymisten gingen, wie wir früher sahen, nicht auf
die vier Elemente zurück, sondern bedienten sich, obwohl sie
jene als die ursprünglichen Stoffe anerkannten, zur Erklärung
ihrer Operationen nur zweier Prinzipien, des Mercurius und des
Sulfur. Offenbar waren sie auf diese Annahme durch die
Beobachtung geführt worden, daß sie bei ihren Analysen
nicht auf die Elemente, sondern auf Substanzen stießen, welche
sich unter die Begriffe eines flüchtigen und eines mehr kon-
sistenten Prinzips, Mercurius und Sulfur, einreihen ließen. Bei
Geber findet sich daneben Arsenicum als ein drittes Prinzip.
In der weiteren Entwickelung der Chemie treten die vier Ele-
mente immer mehr in den Hintergrund, aber auch die Bedeu-
tung von Merkur und Sulfur ist nicht als eine völlig klare
und feststehende zu erkennen. Im allgemeinen bleibt jedoch,
gestützt durch Autoritäten wie Raymund Lull (1235--1315)
und Arnold Villanovanus (1235--1312), die Ansicht in Gel-
tung, nach welcher Sulfur und Merkur zwar substanziell aus
den Elementen bestehen, aber die allein der Analyse zugäng-
lichen Grundformen aller Körper sind, die man daher in der
Chemie lediglich in Betracht zu ziehen habe.

Der Begriff des Sal als Bezeichnung für das Feuerbestän-
dige in den Körpern verdankt seine allgemeine Gültigkeit als
chemisches Grundprinzip sicherlich Paracelsus; inwieweit jener
bereits vor ihm in der alchymistischen Tradition gebräuchlich
war, läßt sich schwer entscheiden, da über die Echtheit und

Grundsubstanzen der Chemiker.
auch der mechanischen Naturauffassung und der Atomistik
Bahn geschafft; denn obwohl die vitalistische Spiritualtheorie
letzteren Richtungen ebenfalls entgegengesetzt ist, so kam es
doch zunächst darauf an zu erkennen, daß die scholastische
Physik nicht die einzig mögliche sei. Den substanziellen Formen
gegenüber galt es, der irdischen Welt ihre Unabhängigkeit zu
erobern, und hierzu war die Annahme eines selbständigen
Lebens in derselben der erste Schritt. Es wurden dadurch die
Vorstellungen über die Elemente ins Schwanken gebracht, die
Weltseele erhält einen chemischen Charakter und es bildet
sich eine eigene Physik der „Spagiriker‟, d. i. der Chemiker
heraus.

5. Die chemischen Grundsubstanzen.

Die Alchymisten gingen, wie wir früher sahen, nicht auf
die vier Elemente zurück, sondern bedienten sich, obwohl sie
jene als die ursprünglichen Stoffe anerkannten, zur Erklärung
ihrer Operationen nur zweier Prinzipien, des Mercurius und des
Sulfur. Offenbar waren sie auf diese Annahme durch die
Beobachtung geführt worden, daß sie bei ihren Analysen
nicht auf die Elemente, sondern auf Substanzen stießen, welche
sich unter die Begriffe eines flüchtigen und eines mehr kon-
sistenten Prinzips, Mercurius und Sulfur, einreihen ließen. Bei
Geber findet sich daneben Arsenicum als ein drittes Prinzip.
In der weiteren Entwickelung der Chemie treten die vier Ele-
mente immer mehr in den Hintergrund, aber auch die Bedeu-
tung von Merkur und Sulfur ist nicht als eine völlig klare
und feststehende zu erkennen. Im allgemeinen bleibt jedoch,
gestützt durch Autoritäten wie Raymund Lull (1235—1315)
und Arnold Villanovanus (1235—1312), die Ansicht in Gel-
tung, nach welcher Sulfur und Merkur zwar substanziell aus
den Elementen bestehen, aber die allein der Analyse zugäng-
lichen Grundformen aller Körper sind, die man daher in der
Chemie lediglich in Betracht zu ziehen habe.

Der Begriff des Sal als Bezeichnung für das Feuerbestän-
dige in den Körpern verdankt seine allgemeine Gültigkeit als
chemisches Grundprinzip sicherlich Paracelsus; inwieweit jener
bereits vor ihm in der alchymistischen Tradition gebräuchlich
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[294/0312] Grundsubstanzen der Chemiker. auch der mechanischen Naturauffassung und der Atomistik Bahn geschafft; denn obwohl die vitalistische Spiritualtheorie letzteren Richtungen ebenfalls entgegengesetzt ist, so kam es doch zunächst darauf an zu erkennen, daß die scholastische Physik nicht die einzig mögliche sei. Den substanziellen Formen gegenüber galt es, der irdischen Welt ihre Unabhängigkeit zu erobern, und hierzu war die Annahme eines selbständigen Lebens in derselben der erste Schritt. Es wurden dadurch die Vorstellungen über die Elemente ins Schwanken gebracht, die Weltseele erhält einen chemischen Charakter und es bildet sich eine eigene Physik der „Spagiriker‟, d. i. der Chemiker heraus. 5. Die chemischen Grundsubstanzen. Die Alchymisten gingen, wie wir früher sahen, nicht auf die vier Elemente zurück, sondern bedienten sich, obwohl sie jene als die ursprünglichen Stoffe anerkannten, zur Erklärung ihrer Operationen nur zweier Prinzipien, des Mercurius und des Sulfur. Offenbar waren sie auf diese Annahme durch die Beobachtung geführt worden, daß sie bei ihren Analysen nicht auf die Elemente, sondern auf Substanzen stießen, welche sich unter die Begriffe eines flüchtigen und eines mehr kon- sistenten Prinzips, Mercurius und Sulfur, einreihen ließen. Bei Geber findet sich daneben Arsenicum als ein drittes Prinzip. In der weiteren Entwickelung der Chemie treten die vier Ele- mente immer mehr in den Hintergrund, aber auch die Bedeu- tung von Merkur und Sulfur ist nicht als eine völlig klare und feststehende zu erkennen. Im allgemeinen bleibt jedoch, gestützt durch Autoritäten wie Raymund Lull (1235—1315) und Arnold Villanovanus (1235—1312), die Ansicht in Gel- tung, nach welcher Sulfur und Merkur zwar substanziell aus den Elementen bestehen, aber die allein der Analyse zugäng- lichen Grundformen aller Körper sind, die man daher in der Chemie lediglich in Betracht zu ziehen habe. Der Begriff des Sal als Bezeichnung für das Feuerbestän- dige in den Körpern verdankt seine allgemeine Gültigkeit als chemisches Grundprinzip sicherlich Paracelsus; inwieweit jener bereits vor ihm in der alchymistischen Tradition gebräuchlich war, läßt sich schwer entscheiden, da über die Echtheit und

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/312>, abgerufen am 25.11.2024.