Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.Übergangszeit. Cusanus. aufgefaßt wird. Die Umwandlung dieses Gedankens in sol-chem Sinne, daß derselbe zum Träger der Kausalität wird und damit die Bedingung zur wissenschaftlichen Erkennbarkeit des Naturgeschehens darbietet, ist die Arbeit der Übergangs- zeit, welche von der unbestimmten, phantastisch-poetischen Vorstellungsweise einer nach immanentem Gesetze sich ent- faltenden Welt zu der mathematisch darstellbaren Kausalge- setzlichkeit der räumlichen Veränderung der Körper fort- schreitet. Die Art und Weise und die Ursache der Weltge- staltung wird in der mechanischen Physik gerade der Gegen- satz zum Neuplatonismus, aber sie kann nur dort zum Ziele gelangen, wo das Denkmittel der Variabilität erhalten bleibt. Es ist die unentbehrliche Bedingung, das kausale Weltgeschehen begreiflich zu machen. Sein Fehlen hatte die antike Atomistik an der Entwickelung verhindert. Seine Aufnahme unter das Rüstzeug des Geistes hat die moderne Naturwissenschaft er- möglicht. 3. Nicolas von Cues. Der erste, welcher an den Grundgedanken der Atomistik Gott ist die absolute, unendliche Einheit, die Welt dagegen 1 Seine allgemeine Bedeutung für die Erneuerung der Philosophie ist
wiederholt gewürdigt und ins Licht gestellt worden. S. Eucken, Untersuchungen zur Geschichte der älteren deutschen Philosophie. II. Philosophische Monats- hefte Bd. XIV S. 449 ff. Leipz. 1878 und "Beiträge". -- Falckenberg, Nico- laus Cusanus. -- Vgl. auch Ritter, Gesch. d. Phil. Bd. 9. S. 141 ff. Übergangszeit. Cusanus. aufgefaßt wird. Die Umwandlung dieses Gedankens in sol-chem Sinne, daß derselbe zum Träger der Kausalität wird und damit die Bedingung zur wissenschaftlichen Erkennbarkeit des Naturgeschehens darbietet, ist die Arbeit der Übergangs- zeit, welche von der unbestimmten, phantastisch-poetischen Vorstellungsweise einer nach immanentem Gesetze sich ent- faltenden Welt zu der mathematisch darstellbaren Kausalge- setzlichkeit der räumlichen Veränderung der Körper fort- schreitet. Die Art und Weise und die Ursache der Weltge- staltung wird in der mechanischen Physik gerade der Gegen- satz zum Neuplatonismus, aber sie kann nur dort zum Ziele gelangen, wo das Denkmittel der Variabilität erhalten bleibt. Es ist die unentbehrliche Bedingung, das kausale Weltgeschehen begreiflich zu machen. Sein Fehlen hatte die antike Atomistik an der Entwickelung verhindert. Seine Aufnahme unter das Rüstzeug des Geistes hat die moderne Naturwissenschaft er- möglicht. 3. Nicolas von Cues. Der erste, welcher an den Grundgedanken der Atomistik Gott ist die absolute, unendliche Einheit, die Welt dagegen 1 Seine allgemeine Bedeutung für die Erneuerung der Philosophie ist
wiederholt gewürdigt und ins Licht gestellt worden. S. Eucken, Untersuchungen zur Geschichte der älteren deutschen Philosophie. II. Philosophische Monats- hefte Bd. XIV S. 449 ff. Leipz. 1878 und „Beiträge‟. — Falckenberg, Nico- laus Cusanus. — Vgl. auch Ritter, Gesch. d. Phil. Bd. 9. S. 141 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0292" n="274"/><fw place="top" type="header">Übergangszeit. <hi rendition="#k">Cusanus</hi>.</fw><lb/> aufgefaßt wird. Die Umwandlung dieses Gedankens in sol-<lb/> chem Sinne, daß derselbe zum Träger der Kausalität wird und<lb/> damit die Bedingung zur wissenschaftlichen Erkennbarkeit des<lb/> Naturgeschehens darbietet, ist die <hi rendition="#g">Arbeit der Übergangs-<lb/> zeit,</hi> welche von der unbestimmten, phantastisch-poetischen<lb/> Vorstellungsweise einer nach immanentem Gesetze sich ent-<lb/> faltenden Welt zu der mathematisch darstellbaren Kausalge-<lb/> setzlichkeit der räumlichen Veränderung der Körper fort-<lb/> schreitet. Die Art und Weise und die Ursache der Weltge-<lb/> staltung wird in der mechanischen Physik gerade der Gegen-<lb/> satz zum Neuplatonismus, aber sie kann nur dort zum Ziele<lb/> gelangen, wo das Denkmittel der Variabilität erhalten bleibt. Es<lb/> ist die unentbehrliche Bedingung, das kausale Weltgeschehen<lb/> begreiflich zu machen. Sein Fehlen hatte die antike Atomistik<lb/> an der Entwickelung verhindert. Seine Aufnahme unter das<lb/> Rüstzeug des Geistes hat die moderne Naturwissenschaft er-<lb/> möglicht.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">3. Nicolas von Cues.</hi> </head><lb/> <p>Der erste, welcher an den Grundgedanken der Atomistik<lb/> wieder erinnert und durch die Begründung desselben aus er-<lb/> kenntnistheoretischem Gesichtspunkte für die Folge bedeutungs-<lb/> voll anregend wirkt, ist <hi rendition="#k">Nicolaus Cusanus</hi>, geboren 1401 zu<lb/> Cues an der Mosel, später Kardinal und Bischof von Brixen,<lb/> gestorben zu Todi 1464.<note place="foot" n="1">Seine allgemeine Bedeutung für die Erneuerung der Philosophie ist<lb/> wiederholt gewürdigt und ins Licht gestellt worden. S. <hi rendition="#k">Eucken</hi>, <hi rendition="#i">Untersuchungen<lb/> zur Geschichte der älteren deutschen Philosophie.</hi> II. Philosophische Monats-<lb/> hefte Bd. XIV S. 449 ff. Leipz. 1878 und „<hi rendition="#i">Beiträge</hi>‟. — <hi rendition="#k">Falckenberg</hi>, <hi rendition="#i">Nico-<lb/> laus Cusanus.</hi> — Vgl. auch <hi rendition="#k">Ritter</hi>, <hi rendition="#i">Gesch. d. Phil.</hi> Bd. 9. S. 141 ff.</note></p><lb/> <p>Gott ist die absolute, unendliche Einheit, die Welt dagegen<lb/> stellt sich dar als der endliche Gott, als die Entfaltung der<lb/> unendlichen Einheit in Vielheit; hier herrscht Verschiedenheit<lb/> und Gegensätzlichkeit des konkreten Einzelnen. Die unend-<lb/> liche Einheit Gottes, in welcher alle Gegensätze verschwinden,<lb/> kann <hi rendition="#g">erscheinen</hi> nur in der Vielheit der Welt, welche das-<lb/> jenige expliziert enthält, was die Einheit Gottes in der Kom-<lb/> plikation umfaßt. Daher ist auch die Welt, obwohl sie nicht<lb/> die absolute Unendlichkeit Gottes besitzen kann, doch <hi rendition="#g">priva-</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [274/0292]
Übergangszeit. Cusanus.
aufgefaßt wird. Die Umwandlung dieses Gedankens in sol-
chem Sinne, daß derselbe zum Träger der Kausalität wird und
damit die Bedingung zur wissenschaftlichen Erkennbarkeit des
Naturgeschehens darbietet, ist die Arbeit der Übergangs-
zeit, welche von der unbestimmten, phantastisch-poetischen
Vorstellungsweise einer nach immanentem Gesetze sich ent-
faltenden Welt zu der mathematisch darstellbaren Kausalge-
setzlichkeit der räumlichen Veränderung der Körper fort-
schreitet. Die Art und Weise und die Ursache der Weltge-
staltung wird in der mechanischen Physik gerade der Gegen-
satz zum Neuplatonismus, aber sie kann nur dort zum Ziele
gelangen, wo das Denkmittel der Variabilität erhalten bleibt. Es
ist die unentbehrliche Bedingung, das kausale Weltgeschehen
begreiflich zu machen. Sein Fehlen hatte die antike Atomistik
an der Entwickelung verhindert. Seine Aufnahme unter das
Rüstzeug des Geistes hat die moderne Naturwissenschaft er-
möglicht.
3. Nicolas von Cues.
Der erste, welcher an den Grundgedanken der Atomistik
wieder erinnert und durch die Begründung desselben aus er-
kenntnistheoretischem Gesichtspunkte für die Folge bedeutungs-
voll anregend wirkt, ist Nicolaus Cusanus, geboren 1401 zu
Cues an der Mosel, später Kardinal und Bischof von Brixen,
gestorben zu Todi 1464. 1
Gott ist die absolute, unendliche Einheit, die Welt dagegen
stellt sich dar als der endliche Gott, als die Entfaltung der
unendlichen Einheit in Vielheit; hier herrscht Verschiedenheit
und Gegensätzlichkeit des konkreten Einzelnen. Die unend-
liche Einheit Gottes, in welcher alle Gegensätze verschwinden,
kann erscheinen nur in der Vielheit der Welt, welche das-
jenige expliziert enthält, was die Einheit Gottes in der Kom-
plikation umfaßt. Daher ist auch die Welt, obwohl sie nicht
die absolute Unendlichkeit Gottes besitzen kann, doch priva-
1 Seine allgemeine Bedeutung für die Erneuerung der Philosophie ist
wiederholt gewürdigt und ins Licht gestellt worden. S. Eucken, Untersuchungen
zur Geschichte der älteren deutschen Philosophie. II. Philosophische Monats-
hefte Bd. XIV S. 449 ff. Leipz. 1878 und „Beiträge‟. — Falckenberg, Nico-
laus Cusanus. — Vgl. auch Ritter, Gesch. d. Phil. Bd. 9. S. 141 ff.
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