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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Die Mischung: Ibn Roschd gegen Ibn Sina.
Ihre Formen aber bleiben unverletzt und unverändert in den
Verbindungen bestehen, während nur ihre Eigenschaften auf
einander wirken und Veränderungen erleiden.1 Die zusammen-
gesetzten Körper enthalten also die Elemente in actu. Die
Hervorhebung des substanziellen Beharrens der Elemente durch
Ibn Sina hatte die Behandlung dieser Frage durch Ibn Roschd
zur Folge, und des letzteren Widerspruch gegen Ibn Sinas
Ansicht bezeichnet den Beginn des langdauernden Streites.
Averroes ist der erste, welcher das Beharren der Formen der Be-
standteile in den Verbindungen in Zweifel zieht und die ganze
Frage einer eingehenden Untersuchung würdigt. Er erkennt,
daß die Annahme, nach welcher bloß die Eigenschaften der
Elemente eine Veränderung erleiden, während ihre substan-
ziellen Formen nach der Verbindung dieselben sind wie vorher,
dem Einwurfe nicht entgehen kann, daß im Grunde genommen
alsdann doch keine Verbindung, sondern nur ein Zusammen-
treten der Elemente stattfinde. Wenn die Elemente allein mit
ihren Eigenschaften und nicht mit ihren Formen sich beein-
flussen, meint Averroes, so bleiben sie aktuell in den Verbin-
dungen; dann aber hätte die Verbindung als solche keine
substanzielle Form, weil diese ja noch den Elementen zukäme,
sie wäre überhaupt nicht Eins, und es könnte demnach keine
Verschmelzung der Eigenschaften der aktuellen Elemente ein-
treten.2 Er nimmt also an, daß die Formen der Bestandteile
nicht aktuell erhalten bleiben; aber er kann auch wieder nicht
behaupten, daß sie ganz und gar verloren gehen. Denn in
diesem Falle würde die Form des Kompositums unmittelbar

et sunt partes primae corporis humani et aliorum, quae in corpora diversarum
formarum dividi minime possunt; ex quorum commixtione species diversae
generatorum fiunt. Medicus autem physico credere debet, quod sunt quatuor
et non plura.
1 Avic. Canon. f. 11 b. 7. Vgl. insbesondere die Annotationes zu dieser
Stelle von Costaeus, f. 14 b 16 ff. -- Averroes, De gen. et corr. comm. 90, in
Arist. op.
, Venetiis 1560, Tom. V. p. 297 c.: Avicenna voluit dicere, quod
modus Aristotelis est, quod miscibilia sunt in potentia in mixto, et illa esse in
suis essentiis, quas habebant separata; et dixit essentiam esse potentiam, qua
quis potest multa, et istam esse in rebus causam caliditatis et frigiditatis, et
materiam esse principium humiditatis et siccitatis.
2 Aristotelis opera, Venetiis 1560. c. comm. Averrois. T V. De coelo
lib. 3. comm. 67, p. 232 A. -- S. auch f. Anm.
Laßwitz. 16

Die Mischung: Ibn Roschd gegen Ibn Sina.
Ihre Formen aber bleiben unverletzt und unverändert in den
Verbindungen bestehen, während nur ihre Eigenschaften auf
einander wirken und Veränderungen erleiden.1 Die zusammen-
gesetzten Körper enthalten also die Elemente in actu. Die
Hervorhebung des substanziellen Beharrens der Elemente durch
Ibn Sina hatte die Behandlung dieser Frage durch Ibn Roschd
zur Folge, und des letzteren Widerspruch gegen Ibn Sinas
Ansicht bezeichnet den Beginn des langdauernden Streites.
Averroes ist der erste, welcher das Beharren der Formen der Be-
standteile in den Verbindungen in Zweifel zieht und die ganze
Frage einer eingehenden Untersuchung würdigt. Er erkennt,
daß die Annahme, nach welcher bloß die Eigenschaften der
Elemente eine Veränderung erleiden, während ihre substan-
ziellen Formen nach der Verbindung dieselben sind wie vorher,
dem Einwurfe nicht entgehen kann, daß im Grunde genommen
alsdann doch keine Verbindung, sondern nur ein Zusammen-
treten der Elemente stattfinde. Wenn die Elemente allein mit
ihren Eigenschaften und nicht mit ihren Formen sich beein-
flussen, meint Averroes, so bleiben sie aktuell in den Verbin-
dungen; dann aber hätte die Verbindung als solche keine
substanzielle Form, weil diese ja noch den Elementen zukäme,
sie wäre überhaupt nicht Eins, und es könnte demnach keine
Verschmelzung der Eigenschaften der aktuellen Elemente ein-
treten.2 Er nimmt also an, daß die Formen der Bestandteile
nicht aktuell erhalten bleiben; aber er kann auch wieder nicht
behaupten, daß sie ganz und gar verloren gehen. Denn in
diesem Falle würde die Form des Kompositums unmittelbar

et sunt partes primae corporis humani et aliorum, quae in corpora diversarum
formarum dividi minime possunt; ex quorum commixtione species diversae
generatorum fiunt. Medicus autem physico credere debet, quod sunt quatuor
et non plura.
1 Avic. Canon. f. 11 b. 7. Vgl. insbesondere die Annotationes zu dieser
Stelle von Costaeus, f. 14 b 16 ff. — Averroes, De gen. et corr. comm. 90, in
Arist. op.
, Venetiis 1560, Tom. V. p. 297 c.: Avicenna voluit dicere, quod
modus Aristotelis est, quod miscibilia sunt in potentia in mixto, et illa esse in
suis essentiis, quas habebant separata; et dixit essentiam esse potentiam, qua
quis potest multa, et istam esse in rebus causam caliditatis et frigiditatis, et
materiam esse principium humiditatis et siccitatis.
2 Aristotelis opera, Venetiis 1560. c. comm. Averrois. T V. De coelo
lib. 3. comm. 67, p. 232 A. — S. auch f. Anm.
Laßwitz. 16
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[241/0259] Die Mischung: Ibn Roschd gegen Ibn Sina. Ihre Formen aber bleiben unverletzt und unverändert in den Verbindungen bestehen, während nur ihre Eigenschaften auf einander wirken und Veränderungen erleiden. 1 Die zusammen- gesetzten Körper enthalten also die Elemente in actu. Die Hervorhebung des substanziellen Beharrens der Elemente durch Ibn Sina hatte die Behandlung dieser Frage durch Ibn Roschd zur Folge, und des letzteren Widerspruch gegen Ibn Sinas Ansicht bezeichnet den Beginn des langdauernden Streites. Averroes ist der erste, welcher das Beharren der Formen der Be- standteile in den Verbindungen in Zweifel zieht und die ganze Frage einer eingehenden Untersuchung würdigt. Er erkennt, daß die Annahme, nach welcher bloß die Eigenschaften der Elemente eine Veränderung erleiden, während ihre substan- ziellen Formen nach der Verbindung dieselben sind wie vorher, dem Einwurfe nicht entgehen kann, daß im Grunde genommen alsdann doch keine Verbindung, sondern nur ein Zusammen- treten der Elemente stattfinde. Wenn die Elemente allein mit ihren Eigenschaften und nicht mit ihren Formen sich beein- flussen, meint Averroes, so bleiben sie aktuell in den Verbin- dungen; dann aber hätte die Verbindung als solche keine substanzielle Form, weil diese ja noch den Elementen zukäme, sie wäre überhaupt nicht Eins, und es könnte demnach keine Verschmelzung der Eigenschaften der aktuellen Elemente ein- treten. 2 Er nimmt also an, daß die Formen der Bestandteile nicht aktuell erhalten bleiben; aber er kann auch wieder nicht behaupten, daß sie ganz und gar verloren gehen. Denn in diesem Falle würde die Form des Kompositums unmittelbar 4 1 Avic. Canon. f. 11 b. 7. Vgl. insbesondere die Annotationes zu dieser Stelle von Costaeus, f. 14 b 16 ff. — Averroes, De gen. et corr. comm. 90, in Arist. op., Venetiis 1560, Tom. V. p. 297 c.: Avicenna voluit dicere, quod modus Aristotelis est, quod miscibilia sunt in potentia in mixto, et illa esse in suis essentiis, quas habebant separata; et dixit essentiam esse potentiam, qua quis potest multa, et istam esse in rebus causam caliditatis et frigiditatis, et materiam esse principium humiditatis et siccitatis. 2 Aristotelis opera, Venetiis 1560. c. comm. Averrois. T V. De coelo lib. 3. comm. 67, p. 232 A. — S. auch f. Anm. 4 et sunt partes primae corporis humani et aliorum, quae in corpora diversarum formarum dividi minime possunt; ex quorum commixtione species diversae generatorum fiunt. Medicus autem physico credere debet, quod sunt quatuor et non plura. Laßwitz. 16

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/259>, abgerufen am 28.11.2024.