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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Asklepiades von Bithynien.
an Nachrichten über Heraklides annehmen müssen, daß Askle-
piades
seine Atomenlehre aufgenommen hat.

Asklepiades aus Prusa in Bithynien, welcher als Zeitgenosse
des Cicero und Pompejus genannt wird, stellte eine medizinische
Theorie auf, aus welcher später durch Themison die Schule
der sogenannten Methodiker hervorging. In der Heilkunde
ging er davon aus, daß der Körper aus unzähligen, durch die
Verbindung von Korpuskeln gebildeten Kanälen (#) bestehe,
auf deren normaler Weite mit Bezug auf die normale Größe,
Menge, Anordnung und Bewegung der Korpuskeln die Gesund-
heit beruhe. Asklepiades nannte, wie Heraklides, diese Kor-
puskeln #.1 Dieselben sind, so lange sie noch nicht zur
Bildung der Körperwelt zusammengetreten sind, ohne jede
sinnliche Qualität, nur vom Verstande zu erkennen (#),
nur nach ihrer Größe und Gestalt voneinander verschieden
(#) und nur in Bezug auf diese veränderlich (#,
#). Diese Körperchen sind zwar von Anfang an neben-
einander gelagert, aber nicht miteinander verbunden (#),2
so daß dieselben bei ihrer ewigen und unaufhörlichen Be-
wegung (#) sich gegenseitig stoßen und
durch diese Stöße in zahllose Bruchstücke (#)
zersplittert werden. Sie sind also nicht, wie die Atome des
Demokrit, unteilbar, sondern zerbrechlich, weshalb sie auch
nicht # sondern # heißen. Diese so entstandenen,
nach Gestalt und Größe verschiedenen Splitter bilden nun
durch ihr Zusammenströmen und Aneinanderhaften, je nach
ihrer Menge und Ordnung, diejenigen Körper, welche durch
die Sinne wahrnehmbar sind.

Wenn auch in dieser Theorie des Asklepiades die Konse-
quenz des atomistischen Systems durchbrochen ist, so haben

1 Die Belegstellen für die Ansicht des Asklepiades s. in m. Abh. über
Sennert, Viert. f. w. Ph. III S. 426, 427. Dazu noch Haeser, Gesch. d. Med.
I S. 265.
2 Über die Bedeutung von # s. d. in vor. Anm. citierte Abhandlung
S. 427 ff. und Zellers danach modifizierte Ansicht in d. 3. Aufl. seiner
Phil. d. Griechen III. A. S. 551 A. 5. Den von Zeller vorgeschlagenen Ausdruck
für #: "nicht miteinander verbunden" habe ich hier aufgenommen, da
derselbe als der weitgehendste das von mir früher gebrauchte "nicht zusammen-
passend" nicht ausschließt, ohne eine schwer zu fällende definitive Entscheidung
abzuschneiden.

Asklepiades von Bithynien.
an Nachrichten über Heraklides annehmen müssen, daß Askle-
piades
seine Atomenlehre aufgenommen hat.

Asklepiades aus Prusa in Bithynien, welcher als Zeitgenosse
des Cicero und Pompejus genannt wird, stellte eine medizinische
Theorie auf, aus welcher später durch Themison die Schule
der sogenannten Methodiker hervorging. In der Heilkunde
ging er davon aus, daß der Körper aus unzähligen, durch die
Verbindung von Korpuskeln gebildeten Kanälen (#) bestehe,
auf deren normaler Weite mit Bezug auf die normale Größe,
Menge, Anordnung und Bewegung der Korpuskeln die Gesund-
heit beruhe. Asklepiades nannte, wie Heraklides, diese Kor-
puskeln #.1 Dieselben sind, so lange sie noch nicht zur
Bildung der Körperwelt zusammengetreten sind, ohne jede
sinnliche Qualität, nur vom Verstande zu erkennen (#),
nur nach ihrer Größe und Gestalt voneinander verschieden
(#) und nur in Bezug auf diese veränderlich (#,
#). Diese Körperchen sind zwar von Anfang an neben-
einander gelagert, aber nicht miteinander verbunden (#),2
so daß dieselben bei ihrer ewigen und unaufhörlichen Be-
wegung (#) sich gegenseitig stoßen und
durch diese Stöße in zahllose Bruchstücke (#)
zersplittert werden. Sie sind also nicht, wie die Atome des
Demokrit, unteilbar, sondern zerbrechlich, weshalb sie auch
nicht # sondern # heißen. Diese so entstandenen,
nach Gestalt und Größe verschiedenen Splitter bilden nun
durch ihr Zusammenströmen und Aneinanderhaften, je nach
ihrer Menge und Ordnung, diejenigen Körper, welche durch
die Sinne wahrnehmbar sind.

Wenn auch in dieser Theorie des Asklepiades die Konse-
quenz des atomistischen Systems durchbrochen ist, so haben

1 Die Belegstellen für die Ansicht des Asklepiades s. in m. Abh. über
Sennert, Viert. f. w. Ph. III S. 426, 427. Dazu noch Haeser, Gesch. d. Med.
I S. 265.
2 Über die Bedeutung von # s. d. in vor. Anm. citierte Abhandlung
S. 427 ff. und Zellers danach modifizierte Ansicht in d. 3. Aufl. seiner
Phil. d. Griechen III. A. S. 551 A. 5. Den von Zeller vorgeschlagenen Ausdruck
für #: „nicht miteinander verbunden‟ habe ich hier aufgenommen, da
derselbe als der weitgehendste das von mir früher gebrauchte „nicht zusammen-
passend‟ nicht ausschließt, ohne eine schwer zu fällende definitive Entscheidung
abzuschneiden.
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[213/0231] Asklepiades von Bithynien. an Nachrichten über Heraklides annehmen müssen, daß Askle- piades seine Atomenlehre aufgenommen hat. Asklepiades aus Prusa in Bithynien, welcher als Zeitgenosse des Cicero und Pompejus genannt wird, stellte eine medizinische Theorie auf, aus welcher später durch Themison die Schule der sogenannten Methodiker hervorging. In der Heilkunde ging er davon aus, daß der Körper aus unzähligen, durch die Verbindung von Korpuskeln gebildeten Kanälen (#) bestehe, auf deren normaler Weite mit Bezug auf die normale Größe, Menge, Anordnung und Bewegung der Korpuskeln die Gesund- heit beruhe. Asklepiades nannte, wie Heraklides, diese Kor- puskeln #. 1 Dieselben sind, so lange sie noch nicht zur Bildung der Körperwelt zusammengetreten sind, ohne jede sinnliche Qualität, nur vom Verstande zu erkennen (#), nur nach ihrer Größe und Gestalt voneinander verschieden (#) und nur in Bezug auf diese veränderlich (#, #). Diese Körperchen sind zwar von Anfang an neben- einander gelagert, aber nicht miteinander verbunden (#), 2 so daß dieselben bei ihrer ewigen und unaufhörlichen Be- wegung (#) sich gegenseitig stoßen und durch diese Stöße in zahllose Bruchstücke (#) zersplittert werden. Sie sind also nicht, wie die Atome des Demokrit, unteilbar, sondern zerbrechlich, weshalb sie auch nicht # sondern # heißen. Diese so entstandenen, nach Gestalt und Größe verschiedenen Splitter bilden nun durch ihr Zusammenströmen und Aneinanderhaften, je nach ihrer Menge und Ordnung, diejenigen Körper, welche durch die Sinne wahrnehmbar sind. Wenn auch in dieser Theorie des Asklepiades die Konse- quenz des atomistischen Systems durchbrochen ist, so haben 1 Die Belegstellen für die Ansicht des Asklepiades s. in m. Abh. über Sennert, Viert. f. w. Ph. III S. 426, 427. Dazu noch Haeser, Gesch. d. Med. I S. 265. 2 Über die Bedeutung von # s. d. in vor. Anm. citierte Abhandlung S. 427 ff. und Zellers danach modifizierte Ansicht in d. 3. Aufl. seiner Phil. d. Griechen III. A. S. 551 A. 5. Den von Zeller vorgeschlagenen Ausdruck für #: „nicht miteinander verbunden‟ habe ich hier aufgenommen, da derselbe als der weitgehendste das von mir früher gebrauchte „nicht zusammen- passend‟ nicht ausschließt, ohne eine schwer zu fällende definitive Entscheidung abzuschneiden.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/231>, abgerufen am 26.11.2024.