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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Scholastik: Bewegung im Vacuum.
über Aristoteles hinausginge, welcher die Lehre von den Poren
ausführlich bekämpfte. Auch R. Baco gibt in seinen Beweisen
dafür, daß zur Ernährung Poren und Vacuum nicht nötig
seien, nichts Neues von Bedeutung.1 Obwohl die Erinnerung
an die Poren durch die Mediziner aus der Schule der Metho-
diker rege erhalten werden konnte, so hatten doch neben
Aristoteles Galen und Avicenna dafür gesorgt, die Poren mit
ihren "Säften" auszufüllen.

Die Kontroverse, ob ein Vacuum durch den Willen Gottes
oder denjenigen eines Engels erzeugt werden könne, mit ihren
scholastischen Spitzfindigkeiten darf übergangen werden; zum
Schlusse sei nur noch die Streitfrage erwähnt, ob in einem
Vacuum, wenn es existierte, Bewegung möglich sei. Denn
diese letztere Frage ist von Aristoteles selbst und allen
Scholastikern erörtert worden, weil Aristoteles aus seiner
Beantwortung einen neuen Grund gegen den leeren Raum der
Atomisten entnehmen wollte. Nach Aristoteles müßte die
Bewegung im Vacuum ohne Unterschied der Geschwindigkeiten,
und zwar unendlich rasch, erfolgen, weil in demselben kein
widerstehendes Medium vorhanden sei. Aristoteles sagt
übrigens, daß Bewegung im Vacuum überhaupt nicht möglich
sei, die Scholastiker aber untersuchen mit Vorliebe die Frage,
ob die hypothetische Bewegung momentan (in non tempore,
in instanti) oder in endlicher Zeit (in tempore, successive) vor
sich gehen würde. Averroes2 ist der Ansicht, daß die natür-
liche Bewegung im Leeren allerdings eine momentane sei, die-
jenige aber, welche vom Willen des Bewegten abhänge, eine
zeitliche. Dieser Ansicht schließt sich Albertus Magnus3 an.
Eine momentane Bewegung überhaupt leugnen dagegen Avi-
cenna
und Avempace,4 sowie Thomas5 und Scotus6; sie nahmen
an, daß auch im Vacuum die Bewegung successiv vor sich

1 Op. tert. c. 43, 44.
2 Comm. in Phys. Arist. Lib. IV. comm. 71. Arist. Opera Venet. 1560.
T. IV. p. 130D. ff.
3 Phys. lib. IV. Tract. II. cap. 6 u. 7.
4 Nach Averroes in der A. 2 citierten Stelle.
5 Physic. lib. IV. lect. XI--XIII. f. 51 b ff.
6 Sentent. lib. II distinct II. quaest. IX. Tom. VI p. 299 ff. -- Phys. l.
IV. quaest. 12. Tom. II. p. 264.

Scholastik: Bewegung im Vacuum.
über Aristoteles hinausginge, welcher die Lehre von den Poren
ausführlich bekämpfte. Auch R. Baco gibt in seinen Beweisen
dafür, daß zur Ernährung Poren und Vacuum nicht nötig
seien, nichts Neues von Bedeutung.1 Obwohl die Erinnerung
an die Poren durch die Mediziner aus der Schule der Metho-
diker rege erhalten werden konnte, so hatten doch neben
Aristoteles Galen und Avicenna dafür gesorgt, die Poren mit
ihren „Säften‟ auszufüllen.

Die Kontroverse, ob ein Vacuum durch den Willen Gottes
oder denjenigen eines Engels erzeugt werden könne, mit ihren
scholastischen Spitzfindigkeiten darf übergangen werden; zum
Schlusse sei nur noch die Streitfrage erwähnt, ob in einem
Vacuum, wenn es existierte, Bewegung möglich sei. Denn
diese letztere Frage ist von Aristoteles selbst und allen
Scholastikern erörtert worden, weil Aristoteles aus seiner
Beantwortung einen neuen Grund gegen den leeren Raum der
Atomisten entnehmen wollte. Nach Aristoteles müßte die
Bewegung im Vacuum ohne Unterschied der Geschwindigkeiten,
und zwar unendlich rasch, erfolgen, weil in demselben kein
widerstehendes Medium vorhanden sei. Aristoteles sagt
übrigens, daß Bewegung im Vacuum überhaupt nicht möglich
sei, die Scholastiker aber untersuchen mit Vorliebe die Frage,
ob die hypothetische Bewegung momentan (in non tempore,
in instanti) oder in endlicher Zeit (in tempore, successive) vor
sich gehen würde. Averroes2 ist der Ansicht, daß die natür-
liche Bewegung im Leeren allerdings eine momentane sei, die-
jenige aber, welche vom Willen des Bewegten abhänge, eine
zeitliche. Dieser Ansicht schließt sich Albertus Magnus3 an.
Eine momentane Bewegung überhaupt leugnen dagegen Avi-
cenna
und Avempace,4 sowie Thomas5 und Scotus6; sie nahmen
an, daß auch im Vacuum die Bewegung successiv vor sich

1 Op. tert. c. 43, 44.
2 Comm. in Phys. Arist. Lib. IV. comm. 71. Arist. Opera Venet. 1560.
T. IV. p. 130D. ff.
3 Phys. lib. IV. Tract. II. cap. 6 u. 7.
4 Nach Averroes in der A. 2 citierten Stelle.
5 Physic. lib. IV. lect. XI—XIII. f. 51 b ff.
6 Sentent. lib. II distinct II. quaest. IX. Tom. VI p. 299 ff. — Phys. l.
IV. quaest. 12. Tom. II. p. 264.
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[207/0225] Scholastik: Bewegung im Vacuum. über Aristoteles hinausginge, welcher die Lehre von den Poren ausführlich bekämpfte. Auch R. Baco gibt in seinen Beweisen dafür, daß zur Ernährung Poren und Vacuum nicht nötig seien, nichts Neues von Bedeutung. 1 Obwohl die Erinnerung an die Poren durch die Mediziner aus der Schule der Metho- diker rege erhalten werden konnte, so hatten doch neben Aristoteles Galen und Avicenna dafür gesorgt, die Poren mit ihren „Säften‟ auszufüllen. Die Kontroverse, ob ein Vacuum durch den Willen Gottes oder denjenigen eines Engels erzeugt werden könne, mit ihren scholastischen Spitzfindigkeiten darf übergangen werden; zum Schlusse sei nur noch die Streitfrage erwähnt, ob in einem Vacuum, wenn es existierte, Bewegung möglich sei. Denn diese letztere Frage ist von Aristoteles selbst und allen Scholastikern erörtert worden, weil Aristoteles aus seiner Beantwortung einen neuen Grund gegen den leeren Raum der Atomisten entnehmen wollte. Nach Aristoteles müßte die Bewegung im Vacuum ohne Unterschied der Geschwindigkeiten, und zwar unendlich rasch, erfolgen, weil in demselben kein widerstehendes Medium vorhanden sei. Aristoteles sagt übrigens, daß Bewegung im Vacuum überhaupt nicht möglich sei, die Scholastiker aber untersuchen mit Vorliebe die Frage, ob die hypothetische Bewegung momentan (in non tempore, in instanti) oder in endlicher Zeit (in tempore, successive) vor sich gehen würde. Averroes 2 ist der Ansicht, daß die natür- liche Bewegung im Leeren allerdings eine momentane sei, die- jenige aber, welche vom Willen des Bewegten abhänge, eine zeitliche. Dieser Ansicht schließt sich Albertus Magnus 3 an. Eine momentane Bewegung überhaupt leugnen dagegen Avi- cenna und Avempace, 4 sowie Thomas 5 und Scotus 6; sie nahmen an, daß auch im Vacuum die Bewegung successiv vor sich 1 Op. tert. c. 43, 44. 2 Comm. in Phys. Arist. Lib. IV. comm. 71. Arist. Opera Venet. 1560. T. IV. p. 130D. ff. 3 Phys. lib. IV. Tract. II. cap. 6 u. 7. 4 Nach Averroes in der A. 2 citierten Stelle. 5 Physic. lib. IV. lect. XI—XIII. f. 51 b ff. 6 Sentent. lib. II distinct II. quaest. IX. Tom. VI p. 299 ff. — Phys. l. IV. quaest. 12. Tom. II. p. 264.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/225>, abgerufen am 27.11.2024.