Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.Scholastik: Fehlerhafter Übergang zur Grenze. daß auch die Diagonale ebensoviel Punkte enthält als die Seite(s. Fig. 4). Man kann die innere Ursache, welche allen in diesen Beweisen zu Tage tretenden Widersprüchen zu Grunde liegt, zurückführen auf die fälschliche Annahme, daß es gleich- giltig sei, auf welchem Wege man zu einer Größe gelange, die man sich aus verschwindend kleinen Größen zusammen- gesetzt denkt. Bekanntlich aber ist die Grenze, zu welcher man bei einem Übergange ins Unendliche gelangt, abhängig von der Form dieses Überganges; beachtet man dies nicht, so kommt man zu falschen Resultaten. Denkt man sich z. B. über den Teilen der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks beliebig viele kleine rechtwinklige Dreiecke konstruiert (s. Fig. 4), [Abbildung]
Fig. 3. [Abbildung]
Fig. 4. so ist, wie leicht zu zeigen, die Summe der Katheten allerdieser Dreiecke gleich der Summe der Katheten des großen Dreiecks. Denkt man sich die Zahl der kleinen Dreiecke ins Unendliche vermehrt, so daß sie schließlich mit der Hypotenuse zusammenfallen, so folgt daraus, daß die Summe der Katheten im rechtwinkligen Dreieck gleich der Hypotenuse sei. Da dies unmöglich ist, so sieht man, daß man nicht berechtigt ist, das Resultat dieses Überganges ins Unendliche, obgleich es, als vollendet vorgestellt, von der Hypotenuse nicht zu unter- scheiden ist, als identisch mit dieser zu betrachten. Denn die resultierende Größe hängt ab von dem Wege, auf welchem das Integral genommen wurde; indem man die Natur der Ge- nesis des gewonnenen Begriffs außer acht läßt, hat man eine seiner konstituierenden Bedingungen aufgehoben und gelangt Scholastik: Fehlerhafter Übergang zur Grenze. daß auch die Diagonale ebensoviel Punkte enthält als die Seite(s. Fig. 4). Man kann die innere Ursache, welche allen in diesen Beweisen zu Tage tretenden Widersprüchen zu Grunde liegt, zurückführen auf die fälschliche Annahme, daß es gleich- giltig sei, auf welchem Wege man zu einer Größe gelange, die man sich aus verschwindend kleinen Größen zusammen- gesetzt denkt. Bekanntlich aber ist die Grenze, zu welcher man bei einem Übergange ins Unendliche gelangt, abhängig von der Form dieses Überganges; beachtet man dies nicht, so kommt man zu falschen Resultaten. Denkt man sich z. B. über den Teilen der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks beliebig viele kleine rechtwinklige Dreiecke konstruiert (s. Fig. 4), [Abbildung]
Fig. 3. [Abbildung]
Fig. 4. so ist, wie leicht zu zeigen, die Summe der Katheten allerdieser Dreiecke gleich der Summe der Katheten des großen Dreiecks. Denkt man sich die Zahl der kleinen Dreiecke ins Unendliche vermehrt, so daß sie schließlich mit der Hypotenuse zusammenfallen, so folgt daraus, daß die Summe der Katheten im rechtwinkligen Dreieck gleich der Hypotenuse sei. Da dies unmöglich ist, so sieht man, daß man nicht berechtigt ist, das Resultat dieses Überganges ins Unendliche, obgleich es, als vollendet vorgestellt, von der Hypotenuse nicht zu unter- scheiden ist, als identisch mit dieser zu betrachten. Denn die resultierende Größe hängt ab von dem Wege, auf welchem das Integral genommen wurde; indem man die Natur der Ge- nesis des gewonnenen Begriffs außer acht läßt, hat man eine seiner konstituierenden Bedingungen aufgehoben und gelangt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0214" n="196"/><fw place="top" type="header">Scholastik: Fehlerhafter Übergang zur Grenze.</fw><lb/> daß auch die Diagonale ebensoviel Punkte enthält als die Seite<lb/> (s. Fig. 4). Man kann die innere Ursache, welche allen in<lb/> diesen Beweisen zu Tage tretenden Widersprüchen zu Grunde<lb/> liegt, zurückführen auf die fälschliche Annahme, daß es gleich-<lb/> giltig sei, auf welchem Wege man zu einer Größe gelange,<lb/> die man sich aus verschwindend kleinen Größen zusammen-<lb/> gesetzt denkt. Bekanntlich aber ist die Grenze, zu welcher<lb/> man bei einem Übergange ins Unendliche gelangt, abhängig<lb/> von der Form dieses Überganges; beachtet man dies nicht, so<lb/> kommt man zu falschen Resultaten. Denkt man sich z. B.<lb/> über den Teilen der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks<lb/> beliebig viele kleine rechtwinklige Dreiecke konstruiert (s. Fig. 4),<lb/><figure><head>Fig. 3.</head></figure><lb/><figure><head>Fig. 4.</head></figure><lb/> so ist, wie leicht zu zeigen, die Summe der Katheten aller<lb/> dieser Dreiecke gleich der Summe der Katheten des großen<lb/> Dreiecks. Denkt man sich die Zahl der kleinen Dreiecke ins<lb/> Unendliche vermehrt, so daß sie schließlich mit der Hypotenuse<lb/> zusammenfallen, so folgt daraus, daß die Summe der Katheten<lb/> im rechtwinkligen Dreieck gleich der Hypotenuse sei. Da dies<lb/> unmöglich ist, so sieht man, daß man nicht berechtigt ist, das<lb/> Resultat dieses Überganges ins Unendliche, obgleich es, als<lb/><hi rendition="#g">vollendet</hi> vorgestellt, von der Hypotenuse nicht zu unter-<lb/> scheiden ist, als identisch mit dieser zu betrachten. Denn die<lb/> resultierende <hi rendition="#g">Größe</hi> hängt ab von dem Wege, auf welchem<lb/> das Integral genommen wurde; indem man die Natur der Ge-<lb/> nesis des gewonnenen Begriffs außer acht läßt, hat man eine<lb/> seiner konstituierenden Bedingungen aufgehoben und gelangt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0214]
Scholastik: Fehlerhafter Übergang zur Grenze.
daß auch die Diagonale ebensoviel Punkte enthält als die Seite
(s. Fig. 4). Man kann die innere Ursache, welche allen in
diesen Beweisen zu Tage tretenden Widersprüchen zu Grunde
liegt, zurückführen auf die fälschliche Annahme, daß es gleich-
giltig sei, auf welchem Wege man zu einer Größe gelange,
die man sich aus verschwindend kleinen Größen zusammen-
gesetzt denkt. Bekanntlich aber ist die Grenze, zu welcher
man bei einem Übergange ins Unendliche gelangt, abhängig
von der Form dieses Überganges; beachtet man dies nicht, so
kommt man zu falschen Resultaten. Denkt man sich z. B.
über den Teilen der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks
beliebig viele kleine rechtwinklige Dreiecke konstruiert (s. Fig. 4),
[Abbildung Fig. 3.]
[Abbildung Fig. 4.]
so ist, wie leicht zu zeigen, die Summe der Katheten aller
dieser Dreiecke gleich der Summe der Katheten des großen
Dreiecks. Denkt man sich die Zahl der kleinen Dreiecke ins
Unendliche vermehrt, so daß sie schließlich mit der Hypotenuse
zusammenfallen, so folgt daraus, daß die Summe der Katheten
im rechtwinkligen Dreieck gleich der Hypotenuse sei. Da dies
unmöglich ist, so sieht man, daß man nicht berechtigt ist, das
Resultat dieses Überganges ins Unendliche, obgleich es, als
vollendet vorgestellt, von der Hypotenuse nicht zu unter-
scheiden ist, als identisch mit dieser zu betrachten. Denn die
resultierende Größe hängt ab von dem Wege, auf welchem
das Integral genommen wurde; indem man die Natur der Ge-
nesis des gewonnenen Begriffs außer acht läßt, hat man eine
seiner konstituierenden Bedingungen aufgehoben und gelangt
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