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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Scholastik: Gg. d. Aktualität der Indivisibeln.
besitzt, was aber nach Aristoteles nicht der Fall ist.1 Vielmehr
bezieht sich der von Aristoteles gebrauchte Vergleich nur
darauf, daß, wie die Einheit für die Zahl, so der Punkt für
die Linie das Prinzip ist.2

Der physikalische Einwand, daß an der Grenze zweier
Körper zwei unteilbare Punkte einer schneidenden Geraden
entstehen, beweist noch nicht, daß die Gerade nur aus Punkten
besteht, wenn auch zwei Unteilbare unmittelbar an verschiedenen
Subjekten haften. Es genügt z. B. auf dem schwimmenden
Holze eine einzige Linie, um den beiden Grenzen von Wasser
und Luft zu entsprechen, da sie beide in derselben Lage ver-
bleiben. Der Punkt, in welchem die beiden Himmelssphären,
z. B. die konvexe Seite der Mondsphäre und die konkave der
Merkursphäre, durch eine vom Mittelpunkt der Erde gezogene
Gerade geschnitten werden, ist für beide ein und derselbe,
denn da die Sphären sich unmittelbar berühren, also ihre Grenzen
zusammenfallen, so sind die Durchschnittspunkte vom Mittel-
punkt der Erde gleichweit entfernt, fallen daher ebenfalls
zusammen.

Zu diesen Widerlegungen der für die Komposition des
Kontinuums aus lauter Indivisiblen vorgebrachten Gründe treten
nun weitere Beweise für die Unmöglichkeit jener Annahme,
welche wegen ihres Zusammenhanges mit der Mathematik be-
sonderes Interesse besitzen. Als Erfinder derselben, wenigstens
der überraschendsten, daß nämlich bei einer Zusammensetzung
der Flächen aus Punkten die Diagonale des Quadrats der Seite
kommensurabel und gleich sein müßte, rühmt sich Roger
Baco
.3 Wir haben jedoch schon gesehen, daß dieser Einwand
gegen die punktuelle Atomistik dem Grundgedanken nach aus
dem Altertum stammt und durch die arabische Spekulation, im
Gegensatz zu den Mutakallimun, seine bei den spätem Scho-
lastikern übliche Form erhalten hat, in der er sich zuerst bei
Algazali findet.4 Jedoch scheint Roger Baco das Verdienst

1 Categ. c. 6.
2 Top. I, c. 18. p. 108b 30.
3 Opus tertium, c. 39. Ed. Brewer, London 1859. p. 132.
4 In dieser Hinsicht ist zu berichtigen Werner, Die Kosmologie und allg.
Naturlehre des R. Baco.
Wiener Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Klasse.
Bd. 94. S. 525. Im übrigen findet man daselbst Näheres über das Verhältnis.

Scholastik: Gg. d. Aktualität der Indivisibeln.
besitzt, was aber nach Aristoteles nicht der Fall ist.1 Vielmehr
bezieht sich der von Aristoteles gebrauchte Vergleich nur
darauf, daß, wie die Einheit für die Zahl, so der Punkt für
die Linie das Prinzip ist.2

Der physikalische Einwand, daß an der Grenze zweier
Körper zwei unteilbare Punkte einer schneidenden Geraden
entstehen, beweist noch nicht, daß die Gerade nur aus Punkten
besteht, wenn auch zwei Unteilbare unmittelbar an verschiedenen
Subjekten haften. Es genügt z. B. auf dem schwimmenden
Holze eine einzige Linie, um den beiden Grenzen von Wasser
und Luft zu entsprechen, da sie beide in derselben Lage ver-
bleiben. Der Punkt, in welchem die beiden Himmelssphären,
z. B. die konvexe Seite der Mondsphäre und die konkave der
Merkursphäre, durch eine vom Mittelpunkt der Erde gezogene
Gerade geschnitten werden, ist für beide ein und derselbe,
denn da die Sphären sich unmittelbar berühren, also ihre Grenzen
zusammenfallen, so sind die Durchschnittspunkte vom Mittel-
punkt der Erde gleichweit entfernt, fallen daher ebenfalls
zusammen.

Zu diesen Widerlegungen der für die Komposition des
Kontinuums aus lauter Indivisiblen vorgebrachten Gründe treten
nun weitere Beweise für die Unmöglichkeit jener Annahme,
welche wegen ihres Zusammenhanges mit der Mathematik be-
sonderes Interesse besitzen. Als Erfinder derselben, wenigstens
der überraschendsten, daß nämlich bei einer Zusammensetzung
der Flächen aus Punkten die Diagonale des Quadrats der Seite
kommensurabel und gleich sein müßte, rühmt sich Roger
Baco
.3 Wir haben jedoch schon gesehen, daß dieser Einwand
gegen die punktuelle Atomistik dem Grundgedanken nach aus
dem Altertum stammt und durch die arabische Spekulation, im
Gegensatz zu den Mutakallimun, seine bei den spätem Scho-
lastikern übliche Form erhalten hat, in der er sich zuerst bei
Algazali findet.4 Jedoch scheint Roger Baco das Verdienst

1 Categ. c. 6.
2 Top. I, c. 18. p. 108b 30.
3 Opus tertium, c. 39. Ed. Brewer, London 1859. p. 132.
4 In dieser Hinsicht ist zu berichtigen Werner, Die Kosmologie und allg.
Naturlehre des R. Baco.
Wiener Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Klasse.
Bd. 94. S. 525. Im übrigen findet man daselbst Näheres über das Verhältnis.
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[194/0212] Scholastik: Gg. d. Aktualität der Indivisibeln. besitzt, was aber nach Aristoteles nicht der Fall ist. 1 Vielmehr bezieht sich der von Aristoteles gebrauchte Vergleich nur darauf, daß, wie die Einheit für die Zahl, so der Punkt für die Linie das Prinzip ist. 2 Der physikalische Einwand, daß an der Grenze zweier Körper zwei unteilbare Punkte einer schneidenden Geraden entstehen, beweist noch nicht, daß die Gerade nur aus Punkten besteht, wenn auch zwei Unteilbare unmittelbar an verschiedenen Subjekten haften. Es genügt z. B. auf dem schwimmenden Holze eine einzige Linie, um den beiden Grenzen von Wasser und Luft zu entsprechen, da sie beide in derselben Lage ver- bleiben. Der Punkt, in welchem die beiden Himmelssphären, z. B. die konvexe Seite der Mondsphäre und die konkave der Merkursphäre, durch eine vom Mittelpunkt der Erde gezogene Gerade geschnitten werden, ist für beide ein und derselbe, denn da die Sphären sich unmittelbar berühren, also ihre Grenzen zusammenfallen, so sind die Durchschnittspunkte vom Mittel- punkt der Erde gleichweit entfernt, fallen daher ebenfalls zusammen. Zu diesen Widerlegungen der für die Komposition des Kontinuums aus lauter Indivisiblen vorgebrachten Gründe treten nun weitere Beweise für die Unmöglichkeit jener Annahme, welche wegen ihres Zusammenhanges mit der Mathematik be- sonderes Interesse besitzen. Als Erfinder derselben, wenigstens der überraschendsten, daß nämlich bei einer Zusammensetzung der Flächen aus Punkten die Diagonale des Quadrats der Seite kommensurabel und gleich sein müßte, rühmt sich Roger Baco. 3 Wir haben jedoch schon gesehen, daß dieser Einwand gegen die punktuelle Atomistik dem Grundgedanken nach aus dem Altertum stammt und durch die arabische Spekulation, im Gegensatz zu den Mutakallimun, seine bei den spätem Scho- lastikern übliche Form erhalten hat, in der er sich zuerst bei Algazali findet. 4 Jedoch scheint Roger Baco das Verdienst 1 Categ. c. 6. 2 Top. I, c. 18. p. 108b 30. 3 Opus tertium, c. 39. Ed. Brewer, London 1859. p. 132. 4 In dieser Hinsicht ist zu berichtigen Werner, Die Kosmologie und allg. Naturlehre des R. Baco. Wiener Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Klasse. Bd. 94. S. 525. Im übrigen findet man daselbst Näheres über das Verhältnis.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/212>, abgerufen am 28.11.2024.