sich verhalte, wie die Einheit zur Zahl. Nun bestehe die Zahl aus Einheiten, werde aus solchen zusammengesetzt und in sie aufgelöst; daher müsse dasselbe von der Linie in Bezug auf den Punkt gelten.
Endlich wird noch ein physikalischer Grund angeführt. Wenn zwei Körper aneinander grenzen und man eine Linie durch diese Grenze zieht, so schneidet sie beide Oberflächen der aneinandergrenzenden Körper. Dies muß in zwei ver- schiedenen Punkten geschehen, denn die Punkte gehören ver- schiedenen Körpern an. Es schwimmt z. B. ein Stück Holz auf dem Wasser. An der Stelle, wo Wasser und Luft sich berühren, gibt es eine Grenzlinie des Wassers und eine solche der Luft; beiden muß im Holze eine reale Linie entsprechen; daher besteht die Oberfläche des Holzes aus realen Linien. Oder man denke sich eine Linie durch den Himmel gezogen, welche zwei aneinandergrenzende Sphären schneidet. Zwischen ihnen ist nichts, denn es müßte ein Vacuum sein, das es nicht gibt. Die Linie hat daher zwei unmittelbar folgende Punkte, den Durchschnittspunkt mit der ersten und der zweiten Sphäre, welche voneinander verschieden und real sind, da sie zwei verschiedenen Planetensphären angehören.
Gegen diese Zusammensetzung des Kontinuums aus dis- kreten Indivisiblen richten sich neben der Autorität des Ari- stoteles zahlreiche Gründe, von denen wir folgende anführen. Die integrierenden Bestandteile der Linie sind wieder Linien und nicht die Punkte, so wie zwischen den einzelnen Mo- menten nicht wieder Momente, sondern Zeiten liegen. Es be- steht daher die Linie nicht aus lauter Punkten, sondern die unteilbaren Punkte haben nur die Aufgabe, die integrierenden Linienteile zu verbinden; sie verhalten sich den Bestandteilen der Linie gegenüber wie Formen, die ihnen die Kontinuität verleihen, so daß die Linienteile, welche sonst als eine Vielheit von einfachen Einzelwesen auseinander fallen würden, durch sie ein einziges Ding für sich ausmachen.
Wenn die Mathematiker die Linie durch Bewegung des Punktes entstehen lassen, so ist dies nur bildlich zu verstehen zur Bezeichnung der Teilbarkeit der Linie in ihrer Länge und zur Erklärung der Ausdehnung anderer kontinuierlicher Größen.
Gg. d. Zusammensetzung d. Kont. aus Punkten.
sich verhalte, wie die Einheit zur Zahl. Nun bestehe die Zahl aus Einheiten, werde aus solchen zusammengesetzt und in sie aufgelöst; daher müsse dasselbe von der Linie in Bezug auf den Punkt gelten.
Endlich wird noch ein physikalischer Grund angeführt. Wenn zwei Körper aneinander grenzen und man eine Linie durch diese Grenze zieht, so schneidet sie beide Oberflächen der aneinandergrenzenden Körper. Dies muß in zwei ver- schiedenen Punkten geschehen, denn die Punkte gehören ver- schiedenen Körpern an. Es schwimmt z. B. ein Stück Holz auf dem Wasser. An der Stelle, wo Wasser und Luft sich berühren, gibt es eine Grenzlinie des Wassers und eine solche der Luft; beiden muß im Holze eine reale Linie entsprechen; daher besteht die Oberfläche des Holzes aus realen Linien. Oder man denke sich eine Linie durch den Himmel gezogen, welche zwei aneinandergrenzende Sphären schneidet. Zwischen ihnen ist nichts, denn es müßte ein Vacuum sein, das es nicht gibt. Die Linie hat daher zwei unmittelbar folgende Punkte, den Durchschnittspunkt mit der ersten und der zweiten Sphäre, welche voneinander verschieden und real sind, da sie zwei verschiedenen Planetensphären angehören.
Gegen diese Zusammensetzung des Kontinuums aus dis- kreten Indivisiblen richten sich neben der Autorität des Ari- stoteles zahlreiche Gründe, von denen wir folgende anführen. Die integrierenden Bestandteile der Linie sind wieder Linien und nicht die Punkte, so wie zwischen den einzelnen Mo- menten nicht wieder Momente, sondern Zeiten liegen. Es be- steht daher die Linie nicht aus lauter Punkten, sondern die unteilbaren Punkte haben nur die Aufgabe, die integrierenden Linienteile zu verbinden; sie verhalten sich den Bestandteilen der Linie gegenüber wie Formen, die ihnen die Kontinuität verleihen, so daß die Linienteile, welche sonst als eine Vielheit von einfachen Einzelwesen auseinander fallen würden, durch sie ein einziges Ding für sich ausmachen.
Wenn die Mathematiker die Linie durch Bewegung des Punktes entstehen lassen, so ist dies nur bildlich zu verstehen zur Bezeichnung der Teilbarkeit der Linie in ihrer Länge und zur Erklärung der Ausdehnung anderer kontinuierlicher Größen.
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[192/0210]
Gg. d. Zusammensetzung d. Kont. aus Punkten.
sich verhalte, wie die Einheit zur Zahl. Nun bestehe die Zahl
aus Einheiten, werde aus solchen zusammengesetzt und in sie
aufgelöst; daher müsse dasselbe von der Linie in Bezug auf
den Punkt gelten.
Endlich wird noch ein physikalischer Grund angeführt.
Wenn zwei Körper aneinander grenzen und man eine Linie
durch diese Grenze zieht, so schneidet sie beide Oberflächen
der aneinandergrenzenden Körper. Dies muß in zwei ver-
schiedenen Punkten geschehen, denn die Punkte gehören ver-
schiedenen Körpern an. Es schwimmt z. B. ein Stück Holz
auf dem Wasser. An der Stelle, wo Wasser und Luft sich
berühren, gibt es eine Grenzlinie des Wassers und eine solche
der Luft; beiden muß im Holze eine reale Linie entsprechen;
daher besteht die Oberfläche des Holzes aus realen Linien.
Oder man denke sich eine Linie durch den Himmel gezogen,
welche zwei aneinandergrenzende Sphären schneidet. Zwischen
ihnen ist nichts, denn es müßte ein Vacuum sein, das es nicht
gibt. Die Linie hat daher zwei unmittelbar folgende Punkte,
den Durchschnittspunkt mit der ersten und der zweiten Sphäre,
welche voneinander verschieden und real sind, da sie zwei
verschiedenen Planetensphären angehören.
Gegen diese Zusammensetzung des Kontinuums aus dis-
kreten Indivisiblen richten sich neben der Autorität des Ari-
stoteles zahlreiche Gründe, von denen wir folgende anführen.
Die integrierenden Bestandteile der Linie sind wieder Linien
und nicht die Punkte, so wie zwischen den einzelnen Mo-
menten nicht wieder Momente, sondern Zeiten liegen. Es be-
steht daher die Linie nicht aus lauter Punkten, sondern die
unteilbaren Punkte haben nur die Aufgabe, die integrierenden
Linienteile zu verbinden; sie verhalten sich den Bestandteilen
der Linie gegenüber wie Formen, die ihnen die Kontinuität
verleihen, so daß die Linienteile, welche sonst als eine
Vielheit von einfachen Einzelwesen auseinander fallen würden,
durch sie ein einziges Ding für sich ausmachen.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/210>, abgerufen am 28.11.2024.
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