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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Das Kontinuum in der Scholastik.
matik hauptsächlich aus praktischem Interesse, namentlich
wegen der Astronomie. Produktiv zeigten sie sich daher eigent-
lich nur in der Rechenkunst und in der Trigonometrie. Durch
ihre Berührung mit den Indern fanden sie Gelegenheit, den-
selben die unmittelbare Anwendung der Algebra auf Geometrie
und die gleichartige Behandlung der irrationalen und rationalen
Größen zu entlehnen. Sie haben dadurch, daß sie sowohl
geometrische als trigonometrische Sätze durch Formeln aus-
drückten, uns eine wesentliche Vereinfachung der mathema-
tischen Operationen geboten. Aber daß in dieser indischen
Methode ein Fortschritt lag, haben sie nicht erkannt.
Vielmehr zeigt sich bei ihnen die Neigung, die Trennung
zwischen Zahl und stetiger Größe wieder herzustellen, je mehr
sie die griechische Mathematik und die strenge aristotelische
Begriffsscheidung kennen lernten.

2. Das Kontinuum in der Scholastik.

Während im Beginn des 13. Jahrhunderts das Abend-
land in den Besitz der wichtigsten mathematischen Kennt-
nisse des Altertums durch die Vermittelung der Araber
gelangt ist, während Leonardo von Pisa und Jordanus Nemo-
rarius
das vorhandene Material zu beherrschen und zu ge-
brauchen lehren, läßt die Metaphysik des Aristoteles in der
Philosophie einen Einfluß des in der Mathematik freier beweg-
lich gewordenen Zahlbegriffs noch nicht aufkommen. Aber
doch bemerkt man in den Streitigkeiten der Scholastiker, daß
der Begriff des Kontinuums einer unausgesetzten Bearbeitung
unterliegt, und daß hierbei mathematische Zweifel und Über-
legungen eine wesentliche Rolle spielen. Die Frage, ob das
Kontinuum aus unteilbaren Punkten bestehe oder nicht, kehrt
in allen Kommentaren zu den Büchern über die Physik, über
den Himmel und über Werden und Vergehen wieder und findet
zum Teil im Gegensatze zur Lehre des Aristoteles die weit-
läufigste Erwägung. Die Litteratur darüber ist eine äußerst
umfangreiche. Es mag versucht werden, daraus die wichtigsten
Punkte zusammenzustellen, um zu erkennen, in welchem Zu-
stande die Scholastik das Problem der Kontinuität überlieferte,
als dasselbe von Seiten der Korpuskulartheorie zu Gunsten

Das Kontinuum in der Scholastik.
matik hauptsächlich aus praktischem Interesse, namentlich
wegen der Astronomie. Produktiv zeigten sie sich daher eigent-
lich nur in der Rechenkunst und in der Trigonometrie. Durch
ihre Berührung mit den Indern fanden sie Gelegenheit, den-
selben die unmittelbare Anwendung der Algebra auf Geometrie
und die gleichartige Behandlung der irrationalen und rationalen
Größen zu entlehnen. Sie haben dadurch, daß sie sowohl
geometrische als trigonometrische Sätze durch Formeln aus-
drückten, uns eine wesentliche Vereinfachung der mathema-
tischen Operationen geboten. Aber daß in dieser indischen
Methode ein Fortschritt lag, haben sie nicht erkannt.
Vielmehr zeigt sich bei ihnen die Neigung, die Trennung
zwischen Zahl und stetiger Größe wieder herzustellen, je mehr
sie die griechische Mathematik und die strenge aristotelische
Begriffsscheidung kennen lernten.

2. Das Kontinuum in der Scholastik.

Während im Beginn des 13. Jahrhunderts das Abend-
land in den Besitz der wichtigsten mathematischen Kennt-
nisse des Altertums durch die Vermittelung der Araber
gelangt ist, während Leonardo von Pisa und Jordanus Nemo-
rarius
das vorhandene Material zu beherrschen und zu ge-
brauchen lehren, läßt die Metaphysik des Aristoteles in der
Philosophie einen Einfluß des in der Mathematik freier beweg-
lich gewordenen Zahlbegriffs noch nicht aufkommen. Aber
doch bemerkt man in den Streitigkeiten der Scholastiker, daß
der Begriff des Kontinuums einer unausgesetzten Bearbeitung
unterliegt, und daß hierbei mathematische Zweifel und Über-
legungen eine wesentliche Rolle spielen. Die Frage, ob das
Kontinuum aus unteilbaren Punkten bestehe oder nicht, kehrt
in allen Kommentaren zu den Büchern über die Physik, über
den Himmel und über Werden und Vergehen wieder und findet
zum Teil im Gegensatze zur Lehre des Aristoteles die weit-
läufigste Erwägung. Die Litteratur darüber ist eine äußerst
umfangreiche. Es mag versucht werden, daraus die wichtigsten
Punkte zusammenzustellen, um zu erkennen, in welchem Zu-
stande die Scholastik das Problem der Kontinuität überlieferte,
als dasselbe von Seiten der Korpuskulartheorie zu Gunsten

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[186/0204] Das Kontinuum in der Scholastik. matik hauptsächlich aus praktischem Interesse, namentlich wegen der Astronomie. Produktiv zeigten sie sich daher eigent- lich nur in der Rechenkunst und in der Trigonometrie. Durch ihre Berührung mit den Indern fanden sie Gelegenheit, den- selben die unmittelbare Anwendung der Algebra auf Geometrie und die gleichartige Behandlung der irrationalen und rationalen Größen zu entlehnen. Sie haben dadurch, daß sie sowohl geometrische als trigonometrische Sätze durch Formeln aus- drückten, uns eine wesentliche Vereinfachung der mathema- tischen Operationen geboten. Aber daß in dieser indischen Methode ein Fortschritt lag, haben sie nicht erkannt. Vielmehr zeigt sich bei ihnen die Neigung, die Trennung zwischen Zahl und stetiger Größe wieder herzustellen, je mehr sie die griechische Mathematik und die strenge aristotelische Begriffsscheidung kennen lernten. 2. Das Kontinuum in der Scholastik. Während im Beginn des 13. Jahrhunderts das Abend- land in den Besitz der wichtigsten mathematischen Kennt- nisse des Altertums durch die Vermittelung der Araber gelangt ist, während Leonardo von Pisa und Jordanus Nemo- rarius das vorhandene Material zu beherrschen und zu ge- brauchen lehren, läßt die Metaphysik des Aristoteles in der Philosophie einen Einfluß des in der Mathematik freier beweg- lich gewordenen Zahlbegriffs noch nicht aufkommen. Aber doch bemerkt man in den Streitigkeiten der Scholastiker, daß der Begriff des Kontinuums einer unausgesetzten Bearbeitung unterliegt, und daß hierbei mathematische Zweifel und Über- legungen eine wesentliche Rolle spielen. Die Frage, ob das Kontinuum aus unteilbaren Punkten bestehe oder nicht, kehrt in allen Kommentaren zu den Büchern über die Physik, über den Himmel und über Werden und Vergehen wieder und findet zum Teil im Gegensatze zur Lehre des Aristoteles die weit- läufigste Erwägung. Die Litteratur darüber ist eine äußerst umfangreiche. Es mag versucht werden, daraus die wichtigsten Punkte zusammenzustellen, um zu erkennen, in welchem Zu- stande die Scholastik das Problem der Kontinuität überlieferte, als dasselbe von Seiten der Korpuskulartheorie zu Gunsten

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/204>, abgerufen am 29.11.2024.