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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Philosophie bei den Arabern.
nämlich die diskontinuierliche Konstitution des
Raumes
wirklich zu behaupten. Beide Gedanken, und beson-
ders charakteristisch den letzteren, treffen wir im Mittelalter
bei den Mutakallimun.



Vierter Abschnitt.
Die Atomistik der Mutakallimun.


1. Die Diskontinuität von Raum, Zeit und Bewegung.

Unter der arabischen Philosophie versteht man nach dem
gewöhnlichen Sprachgebrauch die Lehren derjenigen Philosophen
mohammedanischen Bekenntnisses, welche sich der griechischen
Philosophie, und zwar in ihrer durch die alexandrinische Schule
gebotenen Form, anschlossen. Fast durchweg findet sich bei
ihnen eine Verbindung des Aristotelismus mit neuplatonischen
Elementen; und indem sie sich hauptsächlich mit der Aus-
legung des Aristoteles beschäftigten, trugen sie in diesen mehr
oder weniger selbständige Gedanken hinein. Die berühmtesten
Gelehrten, welche hier in Betracht kommen, lebten in der Zeit
vom 9. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, im Orient Alkindi,
Alfarabi, Ibn Sina
und Algazali, im Abendlande Ibn Badscha,
Ibn Tufail
und Ibn Roschd. Nur Alkindi ist ein eigentlicher
Araber, zu Barsa am persischen Meerbusen geboren; die
übrigen sind Perser oder Türken, resp. Spanier von Geburt.
Sie alle aber schrieben arabisch, weil dies die Sprache der
Bildung und des Reiches war, in welchem sie lebten. Daher
ihre Bezeichnung als Araber; der Name der Philosophen wurde
von den Mohammedanern speziell denjenigen beigelegt, welche
sich mit der griechischen Philosophie beschäftigten.

Neben den genannten Philosophen, deren ganze Richtung
übrigens dem arabischen Geiste verhältnismäßig fremd blieb,
hatte sich innerhalb des Islam, kaum ein Jahrhundert nach
dem Tode des Propheten, ein ausgedehntes theologisches
Sektenwesen erhoben.1 Den dogmatischen Theorien, welche in

1 Vgl. Ritter, Über unsre Kenntnis der arabischen Philosophie und
besonders über die Philosophie der orthodoxen arabischen Dogmatiker.
Göttingen.

Philosophie bei den Arabern.
nämlich die diskontinuierliche Konstitution des
Raumes
wirklich zu behaupten. Beide Gedanken, und beson-
ders charakteristisch den letzteren, treffen wir im Mittelalter
bei den Mutakallimun.



Vierter Abschnitt.
Die Atomistik der Mutakallimun.


1. Die Diskontinuität von Raum, Zeit und Bewegung.

Unter der arabischen Philosophie versteht man nach dem
gewöhnlichen Sprachgebrauch die Lehren derjenigen Philosophen
mohammedanischen Bekenntnisses, welche sich der griechischen
Philosophie, und zwar in ihrer durch die alexandrinische Schule
gebotenen Form, anschlossen. Fast durchweg findet sich bei
ihnen eine Verbindung des Aristotelismus mit neuplatonischen
Elementen; und indem sie sich hauptsächlich mit der Aus-
legung des Aristoteles beschäftigten, trugen sie in diesen mehr
oder weniger selbständige Gedanken hinein. Die berühmtesten
Gelehrten, welche hier in Betracht kommen, lebten in der Zeit
vom 9. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, im Orient Alkindi,
Alfarabi, Ibn Sina
und Algazali, im Abendlande Ibn Badscha,
Ibn Tufail
und Ibn Roschd. Nur Alkindi ist ein eigentlicher
Araber, zu Barsa am persischen Meerbusen geboren; die
übrigen sind Perser oder Türken, resp. Spanier von Geburt.
Sie alle aber schrieben arabisch, weil dies die Sprache der
Bildung und des Reiches war, in welchem sie lebten. Daher
ihre Bezeichnung als Araber; der Name der Philosophen wurde
von den Mohammedanern speziell denjenigen beigelegt, welche
sich mit der griechischen Philosophie beschäftigten.

Neben den genannten Philosophen, deren ganze Richtung
übrigens dem arabischen Geiste verhältnismäßig fremd blieb,
hatte sich innerhalb des Islam, kaum ein Jahrhundert nach
dem Tode des Propheten, ein ausgedehntes theologisches
Sektenwesen erhoben.1 Den dogmatischen Theorien, welche in

1 Vgl. Ritter, Über unsre Kenntnis der arabischen Philosophie und
besonders über die Philosophie der orthodoxen arabischen Dogmatiker.
Göttingen.
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[134/0152] Philosophie bei den Arabern. nämlich die diskontinuierliche Konstitution des Raumes wirklich zu behaupten. Beide Gedanken, und beson- ders charakteristisch den letzteren, treffen wir im Mittelalter bei den Mutakallimun. Vierter Abschnitt. Die Atomistik der Mutakallimun. 1. Die Diskontinuität von Raum, Zeit und Bewegung. Unter der arabischen Philosophie versteht man nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch die Lehren derjenigen Philosophen mohammedanischen Bekenntnisses, welche sich der griechischen Philosophie, und zwar in ihrer durch die alexandrinische Schule gebotenen Form, anschlossen. Fast durchweg findet sich bei ihnen eine Verbindung des Aristotelismus mit neuplatonischen Elementen; und indem sie sich hauptsächlich mit der Aus- legung des Aristoteles beschäftigten, trugen sie in diesen mehr oder weniger selbständige Gedanken hinein. Die berühmtesten Gelehrten, welche hier in Betracht kommen, lebten in der Zeit vom 9. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, im Orient Alkindi, Alfarabi, Ibn Sina und Algazali, im Abendlande Ibn Badscha, Ibn Tufail und Ibn Roschd. Nur Alkindi ist ein eigentlicher Araber, zu Barsa am persischen Meerbusen geboren; die übrigen sind Perser oder Türken, resp. Spanier von Geburt. Sie alle aber schrieben arabisch, weil dies die Sprache der Bildung und des Reiches war, in welchem sie lebten. Daher ihre Bezeichnung als Araber; der Name der Philosophen wurde von den Mohammedanern speziell denjenigen beigelegt, welche sich mit der griechischen Philosophie beschäftigten. Neben den genannten Philosophen, deren ganze Richtung übrigens dem arabischen Geiste verhältnismäßig fremd blieb, hatte sich innerhalb des Islam, kaum ein Jahrhundert nach dem Tode des Propheten, ein ausgedehntes theologisches Sektenwesen erhoben. 1 Den dogmatischen Theorien, welche in 1 Vgl. Ritter, Über unsre Kenntnis der arabischen Philosophie und besonders über die Philosophie der orthodoxen arabischen Dogmatiker. Göttingen.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/152>, abgerufen am 25.11.2024.