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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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energische Consequenz früherer Zeiten herrschte, nicht ohne die
ernsthaftesten Folgen bleiben würde.

Wenn früher, im absoluten Staat, der Grund geltend ge-
macht worden wäre, ein Vortrag sei deshalb strafbar, weil er
vor den Arbeitern als den Ungebildeten gehalten wor-
den sei, nun, so wäre dies zwar auch damals durch und durch
unjuristisch gewesen, aber es war mindestens begreiflich.
Damals herrschte die Devise: Alles für das Volk, Nichts
durch
das Volk. Die unteren Klassen hatten keinerlei Antheil
an der gesetzgebenden Gewalt und keinen Einfluß auf dieselbe.
Unter solchen Umständen war begreiflich, wenn man eine Ver-
breitung jener wissenschaftlichen Lehren in den untern Ständen
nur als eine unnütze Aufregung aufgefaßt hätte.

Aber wie steht der Fall heut im constitutionellen Staat?
Diese Ungebildeten -- der erste Richter mag sagen, was er
will -- sind ein Factor der gesetzgebenden Gewalt, beschließen
durch die von ihnen gewählten Vertreter die Gesetze, und mit
aus ihren Händen also empfängt der Richter das Gesetz, das
er anzuwenden hat.

Man mag das gut oder übel finden -- gleichviel, es ist so!

Sie stehen nicht auf der "Höhe der Bildung", sagt der
erste Richter. Aber sie beschließen durch ihre Wahlen über alle
Gesetzgebungsmaterien, erwiedere ich ihm.

Sollen diese Ungebildeten, da sie nun einmal indirecte
Gesetzgeber sind, nicht cum cognitione causae ihr Wahl- und
Gesetzgebungsrecht ausüben? Will sie der erste Richter zwingen,
blind in die Wahlurne zu greifen, ohne zu wissen, was und
worüber sie entscheiden?

Jst also unterrichtet zu werden in allen wichtigen Gesetz-
gebungsmaterien nicht das absolute Recht dieser Ungebil-
deten, wurzelnd in dem gesammten öffentlichen Recht des Landes
und mit ihm zusammenfallend?

Könnte mir gewehrt werden, eine friedliche und legale
Agitation für die Abschaffung der indirecten Steuern zu eröff-
nen und diesen Ungebildeten an's Herz zu legen, daß sie nur
solche Leute zu Wahlmännern und Abgeordneten wählen, welche
über die indirecten Steuern oder über das allgemeine Wahlrecht
denken wie ich?

Dürfen diese ungebildeten gesetzgeberischen Klassen ver-

energiſche Conſequenz früherer Zeiten herrſchte, nicht ohne die
ernſthafteſten Folgen bleiben würde.

Wenn früher, im abſoluten Staat, der Grund geltend ge-
macht worden wäre, ein Vortrag ſei deshalb ſtrafbar, weil er
vor den Arbeitern als den Ungebildeten gehalten wor-
den ſei, nun, ſo wäre dies zwar auch damals durch und durch
unjuriſtiſch geweſen, aber es war mindeſtens begreiflich.
Damals herrſchte die Deviſe: Alles für das Volk, Nichts
durch
das Volk. Die unteren Klaſſen hatten keinerlei Antheil
an der geſetzgebenden Gewalt und keinen Einfluß auf dieſelbe.
Unter ſolchen Umſtänden war begreiflich, wenn man eine Ver-
breitung jener wiſſenſchaftlichen Lehren in den untern Ständen
nur als eine unnütze Aufregung aufgefaßt hätte.

Aber wie ſteht der Fall heut im conſtitutionellen Staat?
Dieſe Ungebildeten — der erſte Richter mag ſagen, was er
will — ſind ein Factor der geſetzgebenden Gewalt, beſchließen
durch die von ihnen gewählten Vertreter die Geſetze, und mit
aus ihren Händen alſo empfängt der Richter das Geſetz, das
er anzuwenden hat.

Man mag das gut oder übel finden — gleichviel, es iſt ſo!

Sie ſtehen nicht auf der „Höhe der Bildung“, ſagt der
erſte Richter. Aber ſie beſchließen durch ihre Wahlen über alle
Geſetzgebungsmaterien, erwiedere ich ihm.

Sollen dieſe Ungebildeten, da ſie nun einmal indirecte
Geſetzgeber ſind, nicht cum cognitione causae ihr Wahl- und
Geſetzgebungsrecht ausüben? Will ſie der erſte Richter zwingen,
blind in die Wahlurne zu greifen, ohne zu wiſſen, was und
worüber ſie entſcheiden?

Jſt alſo unterrichtet zu werden in allen wichtigen Geſetz-
gebungsmaterien nicht das abſolute Recht dieſer Ungebil-
deten, wurzelnd in dem geſammten öffentlichen Recht des Landes
und mit ihm zuſammenfallend?

Könnte mir gewehrt werden, eine friedliche und legale
Agitation für die Abſchaffung der indirecten Steuern zu eröff-
nen und dieſen Ungebildeten an’s Herz zu legen, daß ſie nur
ſolche Leute zu Wahlmännern und Abgeordneten wählen, welche
über die indirecten Steuern oder über das allgemeine Wahlrecht
denken wie ich?

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[123/0129] energiſche Conſequenz früherer Zeiten herrſchte, nicht ohne die ernſthafteſten Folgen bleiben würde. Wenn früher, im abſoluten Staat, der Grund geltend ge- macht worden wäre, ein Vortrag ſei deshalb ſtrafbar, weil er vor den Arbeitern als den Ungebildeten gehalten wor- den ſei, nun, ſo wäre dies zwar auch damals durch und durch unjuriſtiſch geweſen, aber es war mindeſtens begreiflich. Damals herrſchte die Deviſe: Alles für das Volk, Nichts durch das Volk. Die unteren Klaſſen hatten keinerlei Antheil an der geſetzgebenden Gewalt und keinen Einfluß auf dieſelbe. Unter ſolchen Umſtänden war begreiflich, wenn man eine Ver- breitung jener wiſſenſchaftlichen Lehren in den untern Ständen nur als eine unnütze Aufregung aufgefaßt hätte. Aber wie ſteht der Fall heut im conſtitutionellen Staat? Dieſe Ungebildeten — der erſte Richter mag ſagen, was er will — ſind ein Factor der geſetzgebenden Gewalt, beſchließen durch die von ihnen gewählten Vertreter die Geſetze, und mit aus ihren Händen alſo empfängt der Richter das Geſetz, das er anzuwenden hat. Man mag das gut oder übel finden — gleichviel, es iſt ſo! Sie ſtehen nicht auf der „Höhe der Bildung“, ſagt der erſte Richter. Aber ſie beſchließen durch ihre Wahlen über alle Geſetzgebungsmaterien, erwiedere ich ihm. Sollen dieſe Ungebildeten, da ſie nun einmal indirecte Geſetzgeber ſind, nicht cum cognitione causae ihr Wahl- und Geſetzgebungsrecht ausüben? Will ſie der erſte Richter zwingen, blind in die Wahlurne zu greifen, ohne zu wiſſen, was und worüber ſie entſcheiden? Jſt alſo unterrichtet zu werden in allen wichtigen Geſetz- gebungsmaterien nicht das abſolute Recht dieſer Ungebil- deten, wurzelnd in dem geſammten öffentlichen Recht des Landes und mit ihm zuſammenfallend? Könnte mir gewehrt werden, eine friedliche und legale Agitation für die Abſchaffung der indirecten Steuern zu eröff- nen und dieſen Ungebildeten an’s Herz zu legen, daß ſie nur ſolche Leute zu Wahlmännern und Abgeordneten wählen, welche über die indirecten Steuern oder über das allgemeine Wahlrecht denken wie ich? Dürfen dieſe ungebildeten geſetzgeberiſchen Klaſſen ver-

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/129>, abgerufen am 24.11.2024.