Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

derung durch den Jnhalt dieser objectiven Geschichtsanschauung
selbst nothwendig ausgeschlossen und zum Voraus als unwirksam
und thöricht charakterisirt ist.

Jch habe Jhnen endlich bewiesen, wie -- horribile dictu! --
der erste Richter, um eine Aufforderung in meinem Vortrag zu
finden, meine Worte -- verändert, und demselben
Worte, die ich nicht gesprochen habe, hinzufügt und hin-
zuthut!

Dies Alles will ich hier nicht weiter wiederholen.

Nur einen einzigen Beweis will ich hinzufügen -- aber
einen Beweis von erdrückendem Gewicht!

Gleichsam intuitiv habe ich in meiner ersten Vertheidigungs-
rede ausgerufen: Hätte ich meinen Vortrag etwa in der Sing-
akademie
gehalten, vor der sogenannten Elite der guten Ge-
sellschaft, niemals wäre er angeklagt worden!

Jn der That! Bei dem gewaltigen Aufsehen, das meine
Verurtheilung machte, wurde kurz nachher und in Folge derselben
ein Vortrag zu meiner Kenntniß gebracht, welcher meiner Auf-
merksamkeit entgangen war. Ein Vortrag gehalten in der
Singakademie ungefähr gleichzeitig mit meinem angeklagten
Vortrag, am 15. Febr. 1862, und später in einem besondern
Abdruck veröffentlicht, den ich Jhnen vorlege. Ein Vortrag,
gehalten von Niemand anders als von dem Kgl. Preußischen
Geheimen Regierungsrath Dr. Engel, dem gegenwärtigen Di-
rector des staatlichen statistischen Büreaus, dem anerkannt ersten
Statistiker Deutschlands. Der Vortrag führt den Titel: "Die
Volkszählungen, ihre Stellung zur Wissenschaft und ihre Auf-
gabe in der Geschichte."

Jn diesem Vortrag sagt der Geh. Rath Engel, was folgt.
Jch citire wörtlich, p. 5: "Der dritte Stand hat sich emancipirt.
Eine neue Aristokratie des Geldes und des Geistes entsteht.
Die Gelehrten, Beamten und Kapitalisten werden als Bourgeoisie
die herrschende Macht. Jndeß, nachdem die geistige vom großen
Kapital unterstützte Arbeit ihr Recht erstritten, ringt auch die
physische, im Großen und Ganzen kapitallose Arbeit um Aner-
kennung und Gleichberechtigung. Die arbeitenden Klassen sind
unter der Allgewalt des vom Dampfe getragenen Jndustrialis-
mus bereits zu einem eigenen, zum vierten Stande, zu
einer gesellschaftlichen Macht herangewachsen, die na-
turgemäß ebenfalls nach der Alleinherrschaft im

derung durch den Jnhalt dieſer objectiven Geſchichtsanſchauung
ſelbſt nothwendig ausgeſchloſſen und zum Voraus als unwirkſam
und thöricht charakteriſirt iſt.

Jch habe Jhnen endlich bewieſen, wie — horribile dictu!
der erſte Richter, um eine Aufforderung in meinem Vortrag zu
finden, meine Worte — verändert, und demſelben
Worte, die ich nicht geſprochen habe, hinzufügt und hin-
zuthut!

Dies Alles will ich hier nicht weiter wiederholen.

Nur einen einzigen Beweis will ich hinzufügen — aber
einen Beweis von erdrückendem Gewicht!

Gleichſam intuitiv habe ich in meiner erſten Vertheidigungs-
rede ausgerufen: Hätte ich meinen Vortrag etwa in der Sing-
akademie
gehalten, vor der ſogenannten Elite der guten Ge-
ſellſchaft, niemals wäre er angeklagt worden!

Jn der That! Bei dem gewaltigen Aufſehen, das meine
Verurtheilung machte, wurde kurz nachher und in Folge derſelben
ein Vortrag zu meiner Kenntniß gebracht, welcher meiner Auf-
merkſamkeit entgangen war. Ein Vortrag gehalten in der
Singakademie ungefähr gleichzeitig mit meinem angeklagten
Vortrag, am 15. Febr. 1862, und ſpäter in einem beſondern
Abdruck veröffentlicht, den ich Jhnen vorlege. Ein Vortrag,
gehalten von Niemand anders als von dem Kgl. Preußiſchen
Geheimen Regierungsrath Dr. Engel, dem gegenwärtigen Di-
rector des ſtaatlichen ſtatiſtiſchen Büreaus, dem anerkannt erſten
Statiſtiker Deutſchlands. Der Vortrag führt den Titel: „Die
Volkszählungen, ihre Stellung zur Wiſſenſchaft und ihre Auf-
gabe in der Geſchichte.“

Jn dieſem Vortrag ſagt der Geh. Rath Engel, was folgt.
Jch citire wörtlich, p. 5: „Der dritte Stand hat ſich emancipirt.
Eine neue Ariſtokratie des Geldes und des Geiſtes entſteht.
Die Gelehrten, Beamten und Kapitaliſten werden als Bourgeoiſie
die herrſchende Macht. Jndeß, nachdem die geiſtige vom großen
Kapital unterſtützte Arbeit ihr Recht erſtritten, ringt auch die
phyſiſche, im Großen und Ganzen kapitalloſe Arbeit um Aner-
kennung und Gleichberechtigung. Die arbeitenden Klaſſen ſind
unter der Allgewalt des vom Dampfe getragenen Jnduſtrialis-
mus bereits zu einem eigenen, zum vierten Stande, zu
einer geſellſchaftlichen Macht herangewachſen, die na-
turgemäß ebenfalls nach der Alleinherrſchaft im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0120" n="114"/>
derung durch den Jnhalt die&#x017F;er objectiven Ge&#x017F;chichtsan&#x017F;chauung<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nothwendig ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und zum Voraus als unwirk&#x017F;am<lb/>
und thöricht charakteri&#x017F;irt i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Jch habe Jhnen endlich bewie&#x017F;en, wie &#x2014; <hi rendition="#aq">horribile dictu!</hi> &#x2014;<lb/>
der er&#x017F;te Richter, um eine Aufforderung in meinem Vortrag zu<lb/>
finden, <hi rendition="#g">meine Worte &#x2014; verändert,</hi> und dem&#x017F;elben<lb/>
Worte, die ich nicht ge&#x017F;prochen habe, <hi rendition="#g">hinzufügt und hin-<lb/>
zuthut!</hi></p><lb/>
        <p>Dies Alles will ich hier nicht weiter wiederholen.</p><lb/>
        <p>Nur einen einzigen Beweis will ich hinzufügen &#x2014; aber<lb/>
einen Beweis von <hi rendition="#g">erdrückendem Gewicht!</hi></p><lb/>
        <p>Gleich&#x017F;am intuitiv habe ich in meiner er&#x017F;ten Vertheidigungs-<lb/>
rede ausgerufen: Hätte ich meinen Vortrag etwa in der <hi rendition="#g">Sing-<lb/>
akademie</hi> gehalten, vor der &#x017F;ogenannten Elite der guten Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft, niemals wäre er angeklagt worden!</p><lb/>
        <p>Jn der That! Bei dem gewaltigen Auf&#x017F;ehen, das meine<lb/>
Verurtheilung machte, wurde kurz nachher und in Folge der&#x017F;elben<lb/>
ein Vortrag zu meiner Kenntniß gebracht, welcher meiner Auf-<lb/>
merk&#x017F;amkeit entgangen war. Ein Vortrag gehalten in der<lb/><hi rendition="#g">Singakademie</hi> ungefähr gleichzeitig mit meinem angeklagten<lb/>
Vortrag, am 15. Febr. 1862, und &#x017F;päter in einem be&#x017F;ondern<lb/>
Abdruck veröffentlicht, den ich Jhnen vorlege. Ein Vortrag,<lb/>
gehalten von Niemand anders als von dem Kgl. Preußi&#x017F;chen<lb/>
Geheimen Regierungsrath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Engel, dem gegenwärtigen Di-<lb/>
rector des &#x017F;taatlichen &#x017F;tati&#x017F;ti&#x017F;chen Büreaus, dem anerkannt er&#x017F;ten<lb/>
Stati&#x017F;tiker Deut&#x017F;chlands. Der Vortrag führt den Titel: &#x201E;Die<lb/>
Volkszählungen, ihre Stellung zur Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft und ihre Auf-<lb/>
gabe in der Ge&#x017F;chichte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jn die&#x017F;em Vortrag &#x017F;agt der Geh. Rath Engel, was folgt.<lb/>
Jch citire wörtlich, <hi rendition="#aq">p.</hi> 5: &#x201E;Der dritte Stand hat &#x017F;ich emancipirt.<lb/>
Eine neue Ari&#x017F;tokratie des Geldes und des Gei&#x017F;tes ent&#x017F;teht.<lb/>
Die Gelehrten, Beamten und Kapitali&#x017F;ten werden als Bourgeoi&#x017F;ie<lb/>
die herr&#x017F;chende Macht. Jndeß, nachdem die gei&#x017F;tige vom großen<lb/>
Kapital unter&#x017F;tützte Arbeit ihr Recht er&#x017F;tritten, ringt auch die<lb/>
phy&#x017F;i&#x017F;che, im Großen und Ganzen kapitallo&#x017F;e Arbeit um Aner-<lb/>
kennung und <hi rendition="#g">Gleichberechtigung.</hi> Die arbeitenden Kla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind<lb/>
unter der Allgewalt des vom Dampfe getragenen Jndu&#x017F;trialis-<lb/>
mus bereits zu einem eigenen, zum <hi rendition="#g">vierten Stande,</hi> zu<lb/>
einer <hi rendition="#g">ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Macht</hi> herangewach&#x017F;en, die <hi rendition="#g">na-<lb/>
turgemäß ebenfalls nach der Alleinherr&#x017F;chaft im<lb/></hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0120] derung durch den Jnhalt dieſer objectiven Geſchichtsanſchauung ſelbſt nothwendig ausgeſchloſſen und zum Voraus als unwirkſam und thöricht charakteriſirt iſt. Jch habe Jhnen endlich bewieſen, wie — horribile dictu! — der erſte Richter, um eine Aufforderung in meinem Vortrag zu finden, meine Worte — verändert, und demſelben Worte, die ich nicht geſprochen habe, hinzufügt und hin- zuthut! Dies Alles will ich hier nicht weiter wiederholen. Nur einen einzigen Beweis will ich hinzufügen — aber einen Beweis von erdrückendem Gewicht! Gleichſam intuitiv habe ich in meiner erſten Vertheidigungs- rede ausgerufen: Hätte ich meinen Vortrag etwa in der Sing- akademie gehalten, vor der ſogenannten Elite der guten Ge- ſellſchaft, niemals wäre er angeklagt worden! Jn der That! Bei dem gewaltigen Aufſehen, das meine Verurtheilung machte, wurde kurz nachher und in Folge derſelben ein Vortrag zu meiner Kenntniß gebracht, welcher meiner Auf- merkſamkeit entgangen war. Ein Vortrag gehalten in der Singakademie ungefähr gleichzeitig mit meinem angeklagten Vortrag, am 15. Febr. 1862, und ſpäter in einem beſondern Abdruck veröffentlicht, den ich Jhnen vorlege. Ein Vortrag, gehalten von Niemand anders als von dem Kgl. Preußiſchen Geheimen Regierungsrath Dr. Engel, dem gegenwärtigen Di- rector des ſtaatlichen ſtatiſtiſchen Büreaus, dem anerkannt erſten Statiſtiker Deutſchlands. Der Vortrag führt den Titel: „Die Volkszählungen, ihre Stellung zur Wiſſenſchaft und ihre Auf- gabe in der Geſchichte.“ Jn dieſem Vortrag ſagt der Geh. Rath Engel, was folgt. Jch citire wörtlich, p. 5: „Der dritte Stand hat ſich emancipirt. Eine neue Ariſtokratie des Geldes und des Geiſtes entſteht. Die Gelehrten, Beamten und Kapitaliſten werden als Bourgeoiſie die herrſchende Macht. Jndeß, nachdem die geiſtige vom großen Kapital unterſtützte Arbeit ihr Recht erſtritten, ringt auch die phyſiſche, im Großen und Ganzen kapitalloſe Arbeit um Aner- kennung und Gleichberechtigung. Die arbeitenden Klaſſen ſind unter der Allgewalt des vom Dampfe getragenen Jnduſtrialis- mus bereits zu einem eigenen, zum vierten Stande, zu einer geſellſchaftlichen Macht herangewachſen, die na- turgemäß ebenfalls nach der Alleinherrſchaft im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/120
Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/120>, abgerufen am 25.11.2024.