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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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arbeitende Klasse durch den Arbeitslohn für die durch die
indirecte Steuer hervorgebrachte Preissteigerung entschädigt
wird, wird durch die Königliche Staatsregierung ausdrücklich
als unwahr bezeichnet und widerlegt. "Keineswegs," sagen
die Motive der Königlichen Botschaft, sei dies der Fall. Sie
können sich darüber nicht wundern, meine Herren, daß die
Königliche Staatsregierung hierin so sehr mit dem Staatsan-
walt aus einandergeht und Dinge sagt, die nach ihm nichts als
Sophismen und Unwahrheiten sind. Sie pflegt, ehe sie über
solche Materien spricht, andere Sachkenner zu Rathe zu ziehen
als den Staatsanwalt.

Die Königl. Staatsregierung schließt ihre Ausführungen
hierüber mit den Worten (p. 11): "Der hierdurch herbeigeführte
Zustand ist mit den Grundsätzen eines geregelten Staatshaus-
halts und einer der Gerechtigkeit entsprechenden
Steuergesetzgebung auf die Dauer unverträglich,

und würde, selbst wenn nicht weitergehende Steuerrefor-
men durch andere Gründe geboten würden, die Aufsuchung
eines Ersatzmittels für die gedachten Steuern nothwendig
machen."

Ebenso giebt die Botschaft (p. 12) zu, daß die Gewerbesteuer,
welche nach dem Budget eine directe Steuer sein soll -- ich citire
wörtlich -- "der Absicht des Gesetzes nur sehr unvollkommen
entsprochen, vielmehr überwiegend die Wirkung einer indirecten
Steuer nach sich gezogen, indem alle diejenigen Gewerbtreiben-
den, welche ein nur einigermaßen sicheres Geschäft führen, sich
auch in der Lage befinden, die ihnen nach Maßgabe ihres Ge-
werbebetriebes auferlegte Steuer durch Preiserhöhung von den
Käufern ihrer Waaren oder von denen, für welche sie Arbeit
leisten, ganz oder doch größtentheils wieder einzuziehen, so daß
sie schließlich selbst von den Steuern gar nicht betroffen werden."

Eben so erklärt die Staatsregierung p. 13 der Motive,
daß "auch hinsichts der Grundsteuer ein dem eben in Betreff
der Gewerbesteuer geschilderten ganz ähnliches Verhältniß"
stattfand. Eben so weiß die Staatsregierung sehr genau, daß
sogar bei der directen Steuer -- und der Staatsanwalt
wollte dies nicht einmal von der indirecten gelten lassen --
die unteren Klassen wegen ihrer großen Zahl unendlich mehr
beitragen als die wohlhabenden Klassen und sie belegt dies da-
mit (p. 14), daß, wie sie nachweist, 4,891,777 Steuerpflichtige

arbeitende Klaſſe durch den Arbeitslohn für die durch die
indirecte Steuer hervorgebrachte Preisſteigerung entſchädigt
wird, wird durch die Königliche Staatsregierung ausdrücklich
als unwahr bezeichnet und widerlegt. „Keineswegs,“ ſagen
die Motive der Königlichen Botſchaft, ſei dies der Fall. Sie
können ſich darüber nicht wundern, meine Herren, daß die
Königliche Staatsregierung hierin ſo ſehr mit dem Staatsan-
walt aus einandergeht und Dinge ſagt, die nach ihm nichts als
Sophismen und Unwahrheiten ſind. Sie pflegt, ehe ſie über
ſolche Materien ſpricht, andere Sachkenner zu Rathe zu ziehen
als den Staatsanwalt.

Die Königl. Staatsregierung ſchließt ihre Ausführungen
hierüber mit den Worten (p. 11): „Der hierdurch herbeigeführte
Zuſtand iſt mit den Grundſätzen eines geregelten Staatshaus-
halts und einer der Gerechtigkeit entſprechenden
Steuergeſetzgebung auf die Dauer unverträglich,

und würde, ſelbſt wenn nicht weitergehende Steuerrefor-
men durch andere Gründe geboten würden, die Aufſuchung
eines Erſatzmittels für die gedachten Steuern nothwendig
machen.“

Ebenſo giebt die Botſchaft (p. 12) zu, daß die Gewerbeſteuer,
welche nach dem Budget eine directe Steuer ſein ſoll — ich citire
wörtlich — „der Abſicht des Geſetzes nur ſehr unvollkommen
entſprochen, vielmehr überwiegend die Wirkung einer indirecten
Steuer nach ſich gezogen, indem alle diejenigen Gewerbtreiben-
den, welche ein nur einigermaßen ſicheres Geſchäft führen, ſich
auch in der Lage befinden, die ihnen nach Maßgabe ihres Ge-
werbebetriebes auferlegte Steuer durch Preiserhöhung von den
Käufern ihrer Waaren oder von denen, für welche ſie Arbeit
leiſten, ganz oder doch größtentheils wieder einzuziehen, ſo daß
ſie ſchließlich ſelbſt von den Steuern gar nicht betroffen werden.“

Eben ſo erklärt die Staatsregierung p. 13 der Motive,
daß „auch hinſichts der Grundſteuer ein dem eben in Betreff
der Gewerbeſteuer geſchilderten ganz ähnliches Verhältniß“
ſtattfand. Eben ſo weiß die Staatsregierung ſehr genau, daß
ſogar bei der directen Steuer — und der Staatsanwalt
wollte dies nicht einmal von der indirecten gelten laſſen —
die unteren Klaſſen wegen ihrer großen Zahl unendlich mehr
beitragen als die wohlhabenden Klaſſen und ſie belegt dies da-
mit (p. 14), daß, wie ſie nachweiſt, 4,891,777 Steuerpflichtige

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[108/0114] arbeitende Klaſſe durch den Arbeitslohn für die durch die indirecte Steuer hervorgebrachte Preisſteigerung entſchädigt wird, wird durch die Königliche Staatsregierung ausdrücklich als unwahr bezeichnet und widerlegt. „Keineswegs,“ ſagen die Motive der Königlichen Botſchaft, ſei dies der Fall. Sie können ſich darüber nicht wundern, meine Herren, daß die Königliche Staatsregierung hierin ſo ſehr mit dem Staatsan- walt aus einandergeht und Dinge ſagt, die nach ihm nichts als Sophismen und Unwahrheiten ſind. Sie pflegt, ehe ſie über ſolche Materien ſpricht, andere Sachkenner zu Rathe zu ziehen als den Staatsanwalt. Die Königl. Staatsregierung ſchließt ihre Ausführungen hierüber mit den Worten (p. 11): „Der hierdurch herbeigeführte Zuſtand iſt mit den Grundſätzen eines geregelten Staatshaus- halts und einer der Gerechtigkeit entſprechenden Steuergeſetzgebung auf die Dauer unverträglich, und würde, ſelbſt wenn nicht weitergehende Steuerrefor- men durch andere Gründe geboten würden, die Aufſuchung eines Erſatzmittels für die gedachten Steuern nothwendig machen.“ Ebenſo giebt die Botſchaft (p. 12) zu, daß die Gewerbeſteuer, welche nach dem Budget eine directe Steuer ſein ſoll — ich citire wörtlich — „der Abſicht des Geſetzes nur ſehr unvollkommen entſprochen, vielmehr überwiegend die Wirkung einer indirecten Steuer nach ſich gezogen, indem alle diejenigen Gewerbtreiben- den, welche ein nur einigermaßen ſicheres Geſchäft führen, ſich auch in der Lage befinden, die ihnen nach Maßgabe ihres Ge- werbebetriebes auferlegte Steuer durch Preiserhöhung von den Käufern ihrer Waaren oder von denen, für welche ſie Arbeit leiſten, ganz oder doch größtentheils wieder einzuziehen, ſo daß ſie ſchließlich ſelbſt von den Steuern gar nicht betroffen werden.“ Eben ſo erklärt die Staatsregierung p. 13 der Motive, daß „auch hinſichts der Grundſteuer ein dem eben in Betreff der Gewerbeſteuer geſchilderten ganz ähnliches Verhältniß“ ſtattfand. Eben ſo weiß die Staatsregierung ſehr genau, daß ſogar bei der directen Steuer — und der Staatsanwalt wollte dies nicht einmal von der indirecten gelten laſſen — die unteren Klaſſen wegen ihrer großen Zahl unendlich mehr beitragen als die wohlhabenden Klaſſen und ſie belegt dies da- mit (p. 14), daß, wie ſie nachweiſt, 4,891,777 Steuerpflichtige

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/114>, abgerufen am 04.12.2024.