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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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armen übelgebauten Hütte, worinn mit
Jhnen alle Tugenden unsers Geschlechts,
und mit ihrem Manne alle Weisheit und
Verdienste des seinigen wohnen. Jch aß
mit ihnen, ich sah Sie bey Jhren Kin-
dern; sah die edle Genügsamkeit mit Jh-
rem kleinen Einkommen, Jhre zärtliche
mütterliche Sorgen, die vortreffliche Art,
mit der Jhr Mann seine arme Pfarrkin-
der behandelt. Dieses, meine Emilia,
goß den ersten Tropfen des Balsams der
Beruhigung in meine Seele. Jch sah
Sie, die in ihrem ganzen Leben alle
Pflichten der Klugheit und Tugend erfül-
let hatten, mit Jhrem Hochachtungswür-
digen Manne und fünf Kindern unter der
Last eines eisernen Schicksals, ohne daß
Jhnen das Glück jemals zugelächelt hät-
te; Sie ertrugen es mit der rühmlichsten
Unterwerfung; und ich! ich sollte fort-
fahren über mein selbstgewebtes Elend ge-
gen das Verhängniß zu murren? Eigen-
sinn und Unvorsichtigkeit, hatten mich,
ungeachtet meiner redlichen Tugendliebe,
dem Kummer, und der Verächtlichkeit

ent-


armen uͤbelgebauten Huͤtte, worinn mit
Jhnen alle Tugenden unſers Geſchlechts,
und mit ihrem Manne alle Weisheit und
Verdienſte des ſeinigen wohnen. Jch aß
mit ihnen, ich ſah Sie bey Jhren Kin-
dern; ſah die edle Genuͤgſamkeit mit Jh-
rem kleinen Einkommen, Jhre zaͤrtliche
muͤtterliche Sorgen, die vortreffliche Art,
mit der Jhr Mann ſeine arme Pfarrkin-
der behandelt. Dieſes, meine Emilia,
goß den erſten Tropfen des Balſams der
Beruhigung in meine Seele. Jch ſah
Sie, die in ihrem ganzen Leben alle
Pflichten der Klugheit und Tugend erfuͤl-
let hatten, mit Jhrem Hochachtungswuͤr-
digen Manne und fuͤnf Kindern unter der
Laſt eines eiſernen Schickſals, ohne daß
Jhnen das Gluͤck jemals zugelaͤchelt haͤt-
te; Sie ertrugen es mit der ruͤhmlichſten
Unterwerfung; und ich! ich ſollte fort-
fahren uͤber mein ſelbſtgewebtes Elend ge-
gen das Verhaͤngniß zu murren? Eigen-
ſinn und Unvorſichtigkeit, hatten mich,
ungeachtet meiner redlichen Tugendliebe,
dem Kummer, und der Veraͤchtlichkeit

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[70/0076] armen uͤbelgebauten Huͤtte, worinn mit Jhnen alle Tugenden unſers Geſchlechts, und mit ihrem Manne alle Weisheit und Verdienſte des ſeinigen wohnen. Jch aß mit ihnen, ich ſah Sie bey Jhren Kin- dern; ſah die edle Genuͤgſamkeit mit Jh- rem kleinen Einkommen, Jhre zaͤrtliche muͤtterliche Sorgen, die vortreffliche Art, mit der Jhr Mann ſeine arme Pfarrkin- der behandelt. Dieſes, meine Emilia, goß den erſten Tropfen des Balſams der Beruhigung in meine Seele. Jch ſah Sie, die in ihrem ganzen Leben alle Pflichten der Klugheit und Tugend erfuͤl- let hatten, mit Jhrem Hochachtungswuͤr- digen Manne und fuͤnf Kindern unter der Laſt eines eiſernen Schickſals, ohne daß Jhnen das Gluͤck jemals zugelaͤchelt haͤt- te; Sie ertrugen es mit der ruͤhmlichſten Unterwerfung; und ich! ich ſollte fort- fahren uͤber mein ſelbſtgewebtes Elend ge- gen das Verhaͤngniß zu murren? Eigen- ſinn und Unvorſichtigkeit, hatten mich, ungeachtet meiner redlichen Tugendliebe, dem Kummer, und der Veraͤchtlichkeit ent-

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/76>, abgerufen am 25.11.2024.