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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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mein Schwager es einmal wagte, sie über
ihre Entschließungen und Entwürfe für
die Zukunft zu befragen. Sie sagte:

"Sie hätte noch nichts bedacht, als
"daß sie auf ihren Gütern ihr Leben
"beschließen wollte; aber bis zu Ende
"der drey Jahre, für welche sie dem
"Graf Löbau ihre Einkünfte ver-
"sichert hätte, wollte sie nichts von
"sich wissen lassen; -- und wir

mußten ihrem eifrigen Anhalten hierinn
nachgeben. Sie nahm eine fremde
Benennung an; sie wollte in Beziehung
auf ihr Schicksal Madam Leidens
heißen, und als eine junge Officiers-
witwe bey uns wohnen. Sie verkaufte
die schönen Brillianten, welche die Bild-
nisse ihres Herrn Vaters und ihrer Frau
Mutter umfasseten, und entschloß sich
auch den übrigen Theil ihres Schmucks
zu Geld zu machen, und von den Zinsen
zu leben; daneben aber wollte sie Gutes
thun, und einige arme Mädchen im Ar-
beiten unterrichten.

Die-
II Theil. E


mein Schwager es einmal wagte, ſie uͤber
ihre Entſchließungen und Entwuͤrfe fuͤr
die Zukunft zu befragen. Sie ſagte:

„Sie haͤtte noch nichts bedacht, als
„daß ſie auf ihren Guͤtern ihr Leben
„beſchließen wollte; aber bis zu Ende
„der drey Jahre, fuͤr welche ſie dem
„Graf Loͤbau ihre Einkuͤnfte ver-
„ſichert haͤtte, wollte ſie nichts von
„ſich wiſſen laſſen; — und wir

mußten ihrem eifrigen Anhalten hierinn
nachgeben. Sie nahm eine fremde
Benennung an; ſie wollte in Beziehung
auf ihr Schickſal Madam Leidens
heißen, und als eine junge Officiers-
witwe bey uns wohnen. Sie verkaufte
die ſchoͤnen Brillianten, welche die Bild-
niſſe ihres Herrn Vaters und ihrer Frau
Mutter umfaſſeten, und entſchloß ſich
auch den uͤbrigen Theil ihres Schmucks
zu Geld zu machen, und von den Zinſen
zu leben; daneben aber wollte ſie Gutes
thun, und einige arme Maͤdchen im Ar-
beiten unterrichten.

Die-
II Theil. E
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[65/0071] mein Schwager es einmal wagte, ſie uͤber ihre Entſchließungen und Entwuͤrfe fuͤr die Zukunft zu befragen. Sie ſagte: „Sie haͤtte noch nichts bedacht, als „daß ſie auf ihren Guͤtern ihr Leben „beſchließen wollte; aber bis zu Ende „der drey Jahre, fuͤr welche ſie dem „Graf Loͤbau ihre Einkuͤnfte ver- „ſichert haͤtte, wollte ſie nichts von „ſich wiſſen laſſen; — und wir mußten ihrem eifrigen Anhalten hierinn nachgeben. Sie nahm eine fremde Benennung an; ſie wollte in Beziehung auf ihr Schickſal Madam Leidens heißen, und als eine junge Officiers- witwe bey uns wohnen. Sie verkaufte die ſchoͤnen Brillianten, welche die Bild- niſſe ihres Herrn Vaters und ihrer Frau Mutter umfaſſeten, und entſchloß ſich auch den uͤbrigen Theil ihres Schmucks zu Geld zu machen, und von den Zinſen zu leben; daneben aber wollte ſie Gutes thun, und einige arme Maͤdchen im Ar- beiten unterrichten. Die- II Theil. E

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/71>, abgerufen am 22.11.2024.