bey einer guten Handlung böse Grund- sätze zu argwohnen!
Eigenliebe, du machtest mich elend; du hießest mich glauben, Derby würde durch mich die Tugend lieben lernen! -- Er sagt: er hätte nur meine Hand, ich aber sein Herz betrogen. Grau- samer, grausamer Mann! was fü einen Gebrauch machst du von der Aufrichtig- keit meines Herzens, das so redlich be- müht war, dir die zärtlichste Liebe und Achtung zu zeigen! du glaubst nicht an die Tugend, sonst würdest du sie in mei- ner Seele gesucht und gefunden haben.
Wahr ist es, meine Emilia, ich hatte Augenblicke, wo ich meine Befreyung von den Händen des Mylord Seymour zu erhalten gewünscht hätte; aber ich riß den Wunsch aus meinem Herzen; Dank- barkeit und Hochachtung erfüllten es für den Mann, den ich zu meinem Gemahl nahm -- tödtender Name, wie konnte ich dich schreiben -- aber mein Kopf, meine Empfindungen sind verwüstet, wie es mein Glück, mein Ruhm, und meine
Freude
bey einer guten Handlung boͤſe Grund- ſaͤtze zu argwohnen!
Eigenliebe, du machteſt mich elend; du hießeſt mich glauben, Derby wuͤrde durch mich die Tugend lieben lernen! — Er ſagt: er haͤtte nur meine Hand, ich aber ſein Herz betrogen. Grau- ſamer, grauſamer Mann! was fuͤ einen Gebrauch machſt du von der Aufrichtig- keit meines Herzens, das ſo redlich be- muͤht war, dir die zaͤrtlichſte Liebe und Achtung zu zeigen! du glaubſt nicht an die Tugend, ſonſt wuͤrdeſt du ſie in mei- ner Seele geſucht und gefunden haben.
Wahr iſt es, meine Emilia, ich hatte Augenblicke, wo ich meine Befreyung von den Haͤnden des Mylord Seymour zu erhalten gewuͤnſcht haͤtte; aber ich riß den Wunſch aus meinem Herzen; Dank- barkeit und Hochachtung erfuͤllten es fuͤr den Mann, den ich zu meinem Gemahl nahm — toͤdtender Name, wie konnte ich dich ſchreiben — aber mein Kopf, meine Empfindungen ſind verwuͤſtet, wie es mein Gluͤck, mein Ruhm, und meine
Freude
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bey einer guten Handlung boͤſe Grund-
ſaͤtze zu argwohnen!
Eigenliebe, du machteſt mich elend;
du hießeſt mich glauben, Derby wuͤrde
durch mich die Tugend lieben lernen! —
Er ſagt: er haͤtte nur meine Hand,
ich aber ſein Herz betrogen. Grau-
ſamer, grauſamer Mann! was fuͤ einen
Gebrauch machſt du von der Aufrichtig-
keit meines Herzens, das ſo redlich be-
muͤht war, dir die zaͤrtlichſte Liebe und
Achtung zu zeigen! du glaubſt nicht an
die Tugend, ſonſt wuͤrdeſt du ſie in mei-
ner Seele geſucht und gefunden haben.
Wahr iſt es, meine Emilia, ich hatte
Augenblicke, wo ich meine Befreyung von
den Haͤnden des Mylord Seymour zu
erhalten gewuͤnſcht haͤtte; aber ich riß
den Wunſch aus meinem Herzen; Dank-
barkeit und Hochachtung erfuͤllten es fuͤr
den Mann, den ich zu meinem Gemahl
nahm — toͤdtender Name, wie konnte
ich dich ſchreiben — aber mein Kopf,
meine Empfindungen ſind verwuͤſtet, wie
es mein Gluͤck, mein Ruhm, und meine
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/58>, abgerufen am 25.11.2024.
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