Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite


dig seh ich um mich her, wenn ich beden-
ke, das ich das auserwählte Werkzeug
war, durch welches die Niederträchtigkeit
ihres Oheims, die Lüsternheit des Fürsten,
und die Dummheit der übrigen Helfer ge-
straft wurde! Es ist ja ein angenomme-
ner Lehrsatz; daß die Vorsicht sich der
Bösewichter bediene, um die Vergehun-
gen der Frommen zu ahnden. Jch war
also nichts als die Maschine, durch
welche das Weglaufen der Sternheim ge-
büßt werden sollte; dazu wurde mir auch
das nöthige Pfund von Gaben und Ge-
schicklichkeit gegeben. Meine Belohnung
hab' ich genossen. Sie mögen sich nun
sammt und sonders ihre erhaltene Züchti-
gung zu Nutz machen!

Wisse übrigens, daß ich würklich der
Vertraute von Seymourn geworden bin.
Auf einem Dorfe saß er, und beheulte
den Verlust der Tugend des Mädchens,
während, daß ich es in aller Stille auf
der andern Seite unter Dach brachte,
und ihn belachte. Er wollte von mir
wissen, wer wohl der Gemahl, mit dem

sie


dig ſeh ich um mich her, wenn ich beden-
ke, das ich das auserwaͤhlte Werkzeug
war, durch welches die Niedertraͤchtigkeit
ihres Oheims, die Luͤſternheit des Fuͤrſten,
und die Dummheit der uͤbrigen Helfer ge-
ſtraft wurde! Es iſt ja ein angenomme-
ner Lehrſatz; daß die Vorſicht ſich der
Boͤſewichter bediene, um die Vergehun-
gen der Frommen zu ahnden. Jch war
alſo nichts als die Maſchine, durch
welche das Weglaufen der Sternheim ge-
buͤßt werden ſollte; dazu wurde mir auch
das noͤthige Pfund von Gaben und Ge-
ſchicklichkeit gegeben. Meine Belohnung
hab’ ich genoſſen. Sie moͤgen ſich nun
ſammt und ſonders ihre erhaltene Zuͤchti-
gung zu Nutz machen!

Wiſſe uͤbrigens, daß ich wuͤrklich der
Vertraute von Seymourn geworden bin.
Auf einem Dorfe ſaß er, und beheulte
den Verluſt der Tugend des Maͤdchens,
waͤhrend, daß ich es in aller Stille auf
der andern Seite unter Dach brachte,
und ihn belachte. Er wollte von mir
wiſſen, wer wohl der Gemahl, mit dem

ſie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="45"/><fw place="top" type="header"><lb/></fw> dig &#x017F;eh ich um mich her, wenn ich beden-<lb/>
ke, das ich das auserwa&#x0364;hlte Werkzeug<lb/>
war, durch welches die Niedertra&#x0364;chtigkeit<lb/>
ihres Oheims, die Lu&#x0364;&#x017F;ternheit des Fu&#x0364;r&#x017F;ten,<lb/>
und die Dummheit der u&#x0364;brigen Helfer ge-<lb/>
&#x017F;traft wurde! Es i&#x017F;t ja ein angenomme-<lb/>
ner Lehr&#x017F;atz; daß die Vor&#x017F;icht &#x017F;ich der<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;ewichter bediene, um die Vergehun-<lb/>
gen der Frommen zu ahnden. Jch war<lb/>
al&#x017F;o nichts als die Ma&#x017F;chine, durch<lb/>
welche das Weglaufen der Sternheim ge-<lb/>
bu&#x0364;ßt werden &#x017F;ollte; dazu wurde mir auch<lb/>
das no&#x0364;thige Pfund von Gaben und Ge-<lb/>
&#x017F;chicklichkeit gegeben. Meine Belohnung<lb/>
hab&#x2019; ich geno&#x017F;&#x017F;en. Sie mo&#x0364;gen &#x017F;ich nun<lb/>
&#x017F;ammt und &#x017F;onders ihre erhaltene Zu&#x0364;chti-<lb/>
gung zu Nutz machen!</p><lb/>
          <p>Wi&#x017F;&#x017F;e u&#x0364;brigens, daß ich wu&#x0364;rklich der<lb/>
Vertraute von <hi rendition="#fr">Seymourn</hi> geworden bin.<lb/>
Auf einem Dorfe &#x017F;aß er, und beheulte<lb/>
den Verlu&#x017F;t der Tugend des Ma&#x0364;dchens,<lb/>
wa&#x0364;hrend, daß ich es in aller Stille auf<lb/>
der andern Seite unter Dach brachte,<lb/>
und ihn belachte. Er wollte von mir<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, wer wohl der Gemahl, mit dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0051] dig ſeh ich um mich her, wenn ich beden- ke, das ich das auserwaͤhlte Werkzeug war, durch welches die Niedertraͤchtigkeit ihres Oheims, die Luͤſternheit des Fuͤrſten, und die Dummheit der uͤbrigen Helfer ge- ſtraft wurde! Es iſt ja ein angenomme- ner Lehrſatz; daß die Vorſicht ſich der Boͤſewichter bediene, um die Vergehun- gen der Frommen zu ahnden. Jch war alſo nichts als die Maſchine, durch welche das Weglaufen der Sternheim ge- buͤßt werden ſollte; dazu wurde mir auch das noͤthige Pfund von Gaben und Ge- ſchicklichkeit gegeben. Meine Belohnung hab’ ich genoſſen. Sie moͤgen ſich nun ſammt und ſonders ihre erhaltene Zuͤchti- gung zu Nutz machen! Wiſſe uͤbrigens, daß ich wuͤrklich der Vertraute von Seymourn geworden bin. Auf einem Dorfe ſaß er, und beheulte den Verluſt der Tugend des Maͤdchens, waͤhrend, daß ich es in aller Stille auf der andern Seite unter Dach brachte, und ihn belachte. Er wollte von mir wiſſen, wer wohl der Gemahl, mit dem ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/51
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/51>, abgerufen am 28.11.2024.