würdig. Aber itzt, da ich nur für mich empfand, fehlte ich gegen den Wohlstand und gegen alle gesellschaftliche Tugenden eines guten Mädchens. -- Wie dunkel, o wie dunkel ist dieser Theil meines ver- gangenen Lebens! was bleibt mir übrig, als meine Augen auf den Weg zu heften, den ich nun vor mir habe, und darinn einen geraden Schritt, bey klarem Lichte fortzugehen?
Meine ersten Erquickungsstunden hab' ich in der Beschäfftigung gefunden, zwo arme Nichten meiner Wirthinn arbeiten und denken zu lehren. Sie wissen, Emi- lia, daß ich gerne beschäfftiget bin. Mein Nachdenken, und meine Feder machten mich traurig; ich konnte am ge- schehenen nichts mehr ändern, mußte den Tadel, der über mich ergieng, als eine gerechte Folge meiner irregegangenen Ei- genliebe ansehen, und meine Ermunterung außer mir suchen, theils in dem Vorsatze, Mylord Derby zu einem glücklichen Ge- mahl zu machen, theils in der Bestrebung
meinen
wuͤrdig. Aber itzt, da ich nur fuͤr mich empfand, fehlte ich gegen den Wohlſtand und gegen alle geſellſchaftliche Tugenden eines guten Maͤdchens. — Wie dunkel, o wie dunkel iſt dieſer Theil meines ver- gangenen Lebens! was bleibt mir uͤbrig, als meine Augen auf den Weg zu heften, den ich nun vor mir habe, und darinn einen geraden Schritt, bey klarem Lichte fortzugehen?
Meine erſten Erquickungsſtunden hab’ ich in der Beſchaͤfftigung gefunden, zwo arme Nichten meiner Wirthinn arbeiten und denken zu lehren. Sie wiſſen, Emi- lia, daß ich gerne beſchaͤfftiget bin. Mein Nachdenken, und meine Feder machten mich traurig; ich konnte am ge- ſchehenen nichts mehr aͤndern, mußte den Tadel, der uͤber mich ergieng, als eine gerechte Folge meiner irregegangenen Ei- genliebe anſehen, und meine Ermunterung außer mir ſuchen, theils in dem Vorſatze, Mylord Derby zu einem gluͤcklichen Ge- mahl zu machen, theils in der Beſtrebung
meinen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0033"n="27"/><fwplace="top"type="header"><lb/></fw> wuͤrdig. Aber itzt, da ich nur fuͤr mich<lb/>
empfand, fehlte ich gegen den Wohlſtand<lb/>
und gegen alle geſellſchaftliche Tugenden<lb/>
eines guten Maͤdchens. — Wie dunkel,<lb/>
o wie dunkel iſt dieſer Theil meines ver-<lb/>
gangenen Lebens! was bleibt mir uͤbrig,<lb/>
als meine Augen auf den Weg zu heften,<lb/>
den ich nun vor mir habe, und darinn<lb/>
einen geraden Schritt, bey klarem Lichte<lb/>
fortzugehen?</p><lb/><p>Meine erſten Erquickungsſtunden hab’<lb/>
ich in der Beſchaͤfftigung gefunden, zwo<lb/>
arme Nichten meiner Wirthinn arbeiten<lb/>
und denken zu lehren. Sie wiſſen, Emi-<lb/>
lia, daß ich gerne beſchaͤfftiget bin.<lb/>
Mein Nachdenken, und meine Feder<lb/>
machten mich traurig; ich konnte am ge-<lb/>ſchehenen nichts mehr aͤndern, mußte den<lb/>
Tadel, der uͤber mich ergieng, als eine<lb/>
gerechte Folge meiner irregegangenen Ei-<lb/>
genliebe anſehen, und meine Ermunterung<lb/>
außer mir ſuchen, theils in dem Vorſatze,<lb/>
Mylord Derby zu einem gluͤcklichen Ge-<lb/>
mahl zu machen, theils in der Beſtrebung<lb/><fwplace="bottom"type="catch">meinen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[27/0033]
wuͤrdig. Aber itzt, da ich nur fuͤr mich
empfand, fehlte ich gegen den Wohlſtand
und gegen alle geſellſchaftliche Tugenden
eines guten Maͤdchens. — Wie dunkel,
o wie dunkel iſt dieſer Theil meines ver-
gangenen Lebens! was bleibt mir uͤbrig,
als meine Augen auf den Weg zu heften,
den ich nun vor mir habe, und darinn
einen geraden Schritt, bey klarem Lichte
fortzugehen?
Meine erſten Erquickungsſtunden hab’
ich in der Beſchaͤfftigung gefunden, zwo
arme Nichten meiner Wirthinn arbeiten
und denken zu lehren. Sie wiſſen, Emi-
lia, daß ich gerne beſchaͤfftiget bin.
Mein Nachdenken, und meine Feder
machten mich traurig; ich konnte am ge-
ſchehenen nichts mehr aͤndern, mußte den
Tadel, der uͤber mich ergieng, als eine
gerechte Folge meiner irregegangenen Ei-
genliebe anſehen, und meine Ermunterung
außer mir ſuchen, theils in dem Vorſatze,
Mylord Derby zu einem gluͤcklichen Ge-
mahl zu machen, theils in der Beſtrebung
meinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/33>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.