mer. Meine Gesundheit leidet schon lang auf allerley Weise unter dieser Liebe -- Jch habe sie nun gesehen; ich werde um ihrentwillen sterben, und dieß ist mir ge- nug. Jch drückte ihn mit einer sonder- baren Bewegung an meine Brust, und ich glaube ihm etwas kalt und rauh ge- sagt zu haben; Ja, Seymour, du bist im Glück unglücklich, aber andre sinds ganz; -- Warum müssen deine Neben- buhler allezeit mehr Licht sehen als du? -- Derby hat Recht; sie zieht dich vor. Jhr Zurückhalten beweist mir alles was er sagte. Sey ihrer würdig, und beneide mir ihre Achtung, ihr Vertrauen nicht! -- "O Rich -- o mein Bruder, ist dieses, kann dieses wahr seyn? betrügt dich deine Leidenschaft nicht, wie mich die meini- ge? -- O Gott! -- ich muß sie erhal- ten oder sterben -- wer wird für mich reden: wer? Jch kann nichts sagen, -- und du? Jch will es thun, erwiederte ich, aber heute noch nicht; wir müssen ihre Empfindlichkeit und geschwächte Gesund- heit schonen. Zu meinen Füßen war er, er umfaßte sie; Bester, edelster Bruder,
rief
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mer. Meine Geſundheit leidet ſchon lang auf allerley Weiſe unter dieſer Liebe — Jch habe ſie nun geſehen; ich werde um ihrentwillen ſterben, und dieß iſt mir ge- nug. Jch druͤckte ihn mit einer ſonder- baren Bewegung an meine Bruſt, und ich glaube ihm etwas kalt und rauh ge- ſagt zu haben; Ja, Seymour, du biſt im Gluͤck ungluͤcklich, aber andre ſinds ganz; — Warum muͤſſen deine Neben- buhler allezeit mehr Licht ſehen als du? — Derby hat Recht; ſie zieht dich vor. Jhr Zuruͤckhalten beweiſt mir alles was er ſagte. Sey ihrer wuͤrdig, und beneide mir ihre Achtung, ihr Vertrauen nicht! — „O Rich — o mein Bruder, iſt dieſes, kann dieſes wahr ſeyn? betruͤgt dich deine Leidenſchaft nicht, wie mich die meini- ge? — O Gott! — ich muß ſie erhal- ten oder ſterben — wer wird fuͤr mich reden: wer? Jch kann nichts ſagen, — und du? Jch will es thun, erwiederte ich, aber heute noch nicht; wir muͤſſen ihre Empfindlichkeit und geſchwaͤchte Geſund- heit ſchonen. Zu meinen Fuͤßen war er, er umfaßte ſie; Beſter, edelſter Bruder,
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mer. Meine Geſundheit leidet ſchon lang
auf allerley Weiſe unter dieſer Liebe —
Jch habe ſie nun geſehen; ich werde um
ihrentwillen ſterben, und dieß iſt mir ge-
nug. Jch druͤckte ihn mit einer ſonder-
baren Bewegung an meine Bruſt, und
ich glaube ihm etwas kalt und rauh ge-
ſagt zu haben; Ja, Seymour, du biſt
im Gluͤck ungluͤcklich, aber andre ſinds
ganz; — Warum muͤſſen deine Neben-
buhler allezeit mehr Licht ſehen als du? —
Derby hat Recht; ſie zieht dich vor. Jhr
Zuruͤckhalten beweiſt mir alles was er
ſagte. Sey ihrer wuͤrdig, und beneide
mir ihre Achtung, ihr Vertrauen nicht! —
„O Rich — o mein Bruder, iſt dieſes,
kann dieſes wahr ſeyn? betruͤgt dich deine
Leidenſchaft nicht, wie mich die meini-
ge? — O Gott! — ich muß ſie erhal-
ten oder ſterben — wer wird fuͤr mich
reden: wer? Jch kann nichts ſagen, —
und du? Jch will es thun, erwiederte ich,
aber heute noch nicht; wir muͤſſen ihre
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heit ſchonen. Zu meinen Fuͤßen war er,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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