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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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nisse seiner durch Beyspiel und Verfüh-
rung verderbten Sitten waren. Jch
warf sie auch alle an dem ersten kalten
Herbsttage, der mich nöthigte Feuer zu
machen, in den Ofen, weil ich nicht ver-
tragen konnte, daß diese Bücher und ich
einen gemeinsamen Herrn, und Wohn-
platz haben sollten. Die Tage wurden
mir lang, meine Rosina nahm sich Näh-
arbeit von unsrer Wirthinn, und ich fieng
an mit dem zunehmenden Gefühl, der sich
wieder erhohlten Kräfte meines Geistes,
Betrachtungen über mich und mein
Schicksal anzustellen.

Sie sind traurig, diese Betrachtungen,
durch den Widerspruch, der seit dem Tod
meines geliebten ehrwürdigen Vaters,
noch mehr aber seit dem Augenblick mei-
nes Eintritts in die große Welt, zwischen
meinen Neigungen und meinen Umständen
herrschet.

O hätte ich meinen Vater nur behal-
ten, bis meine Hand unter seinem Seegen
an einen würdigen Mann gegeben gewe-
sen wäre! Meine Glücksumstände sind

vortheil-


niſſe ſeiner durch Beyſpiel und Verfuͤh-
rung verderbten Sitten waren. Jch
warf ſie auch alle an dem erſten kalten
Herbſttage, der mich noͤthigte Feuer zu
machen, in den Ofen, weil ich nicht ver-
tragen konnte, daß dieſe Buͤcher und ich
einen gemeinſamen Herrn, und Wohn-
platz haben ſollten. Die Tage wurden
mir lang, meine Roſina nahm ſich Naͤh-
arbeit von unſrer Wirthinn, und ich fieng
an mit dem zunehmenden Gefuͤhl, der ſich
wieder erhohlten Kraͤfte meines Geiſtes,
Betrachtungen uͤber mich und mein
Schickſal anzuſtellen.

Sie ſind traurig, dieſe Betrachtungen,
durch den Widerſpruch, der ſeit dem Tod
meines geliebten ehrwuͤrdigen Vaters,
noch mehr aber ſeit dem Augenblick mei-
nes Eintritts in die große Welt, zwiſchen
meinen Neigungen und meinen Umſtaͤnden
herrſchet.

O haͤtte ich meinen Vater nur behal-
ten, bis meine Hand unter ſeinem Seegen
an einen wuͤrdigen Mann gegeben gewe-
ſen waͤre! Meine Gluͤcksumſtaͤnde ſind

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[22/0028] niſſe ſeiner durch Beyſpiel und Verfuͤh- rung verderbten Sitten waren. Jch warf ſie auch alle an dem erſten kalten Herbſttage, der mich noͤthigte Feuer zu machen, in den Ofen, weil ich nicht ver- tragen konnte, daß dieſe Buͤcher und ich einen gemeinſamen Herrn, und Wohn- platz haben ſollten. Die Tage wurden mir lang, meine Roſina nahm ſich Naͤh- arbeit von unſrer Wirthinn, und ich fieng an mit dem zunehmenden Gefuͤhl, der ſich wieder erhohlten Kraͤfte meines Geiſtes, Betrachtungen uͤber mich und mein Schickſal anzuſtellen. Sie ſind traurig, dieſe Betrachtungen, durch den Widerſpruch, der ſeit dem Tod meines geliebten ehrwuͤrdigen Vaters, noch mehr aber ſeit dem Augenblick mei- nes Eintritts in die große Welt, zwiſchen meinen Neigungen und meinen Umſtaͤnden herrſchet. O haͤtte ich meinen Vater nur behal- ten, bis meine Hand unter ſeinem Seegen an einen wuͤrdigen Mann gegeben gewe- ſen waͤre! Meine Gluͤcksumſtaͤnde ſind vortheil-

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/28>, abgerufen am 27.11.2024.